Wilfried Lübeck veröffentlicht Buch über Straftaten sowjetischer Soldaten in Sachsen-Anhalt "Bei Widerstand sprach oft die MPi"
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich einige russische Soldaten an Deutschen vergangen. Morde, Raubüberfälle und Vergewaltigungen hat Wilfried Lübeck als einer der ersten in Sachsen-Anhalt untersucht.
Magdeburg l Wilfried Lübeck hat als Kind davon gehört. Doch offen gesprochen wurde in der sowjetischen Besatzungszone (1945 - 1949) nicht darüber. Und erforscht wurden die Morde, Raubüberfälle und Vergewaltigungen der Soldaten der Roten Armee später zu DDR-Zeiten erst recht nicht. "Die Sowjetunion war der Bündnispartner im Klassenkampf mit dem Westen. Die Vergehen an der deutschen Bevölkerung waren jahrzehntelang ein Tabuthema", sagt der Hobbyhistoriker.
Heute ist es das nicht mehr: Lübeck hat gerade ein Buch dazu veröffentlicht - es ist eine der ersten ausführlichen Untersuchungen in Sachsen-Anhalt. Etwa 500000 Mädchen und Frauen sollen in Mitteldeutschland von den sowjetischen Soldaten vergewaltigt worden sein. Wie viele es in Sachsen-Anhalt waren, kann Wilfried Lübeck nicht sagen. Zusammenfassende Statistiken gebe es nicht. Doch wie diese oder Diebstähle, Raubüberfälle und Plünderungen abgelaufen sind, stellt er in seinem Buch dar. Die Quellenanalyse zeichnet ein düsteres Bild von den russischen Soldaten.
"Bei Widerstand sprach oft die Maschinenpistole. Es war nicht die Rote Armee als ganzes, aber einige Soldaten haben den Menschen sehr viel Leid zugefügt", sagt Lübeck. Die unterversorgten Sowjets seien in einem negativen Siegestaumel gewesen und hätten sich für die deutsche Politik der "verbrannten Erde" gerächt.
"Etwa drei Viertel aller Straftaten zwischen 1945 und 1947 in Sachsen-Anhalt haben russische Soldaten begangen. Geahndet wurden diese nur selten", sagt der Historiker. Den deutschen Behörden sei es untersagt gewesen, die Soldaten zu verhaften. "Rechenschaft waren die Besatzer nach ihrer Auffassung den Besetzten nicht schuldig."
Die Altmark war besonders betroffen. "Ländliche Gebiete mit weit auseinanderliegenden Bauernhöfen waren oft Opfer von Raubüberfällen", sagt Lübeck und schildert in seinem Buch, wie Schweine und Kühe von den Höfen gestohlen wurden. In Schrampe wurde gar ein in Notwehr handelnder Deutscher zum Tode verurteilt - wegen "versuchten Mordes" an einem sowjetischen Soldaten. Erst 1948 hat sich die Zahl der Übergriffe minimiert, hat Lübeck herausgefunden. "Sie belasteten das Verhältnis zwischen Deutschen und Russen enorm. Doch im Kalten Krieg musste man zusammenstehen. Die russische Militärführung hat stärker durchgegriffen, die Truppen wurden in ihren Kasernen weggeschlossen."
Wilfried Lübeck weiß, dass die Veröffentlichung seines Buches ein "heißes Eisen" ist, wie er selber sagt. "Natürlich besteht die Gefahr, dass rechte Kräfte daraus Honig saugen wollen." Deshalb habe er sich mit Wertungen zurückgehalten und lediglich Quellen analysiert. "In der DDR wurde darüber geschwiegen. Ich bin froh, dass das vorbei ist und die Geschichte nun so dargestellt werden kann, wie sie war."
Als umfassend sieht der Autor seine Untersuchungen aber nicht an. Er hofft, dass sich Geschichtswissenschaftler noch stärker mit der Aufarbeitung der Ereignisse in der sowjetischen Besatzungszone aus- einandersetzen: "Die Archive der Landkreise sind voll mit Berichten und Quellen - das reicht für zig Doktorarbeiten."