Bewährungsstrafe für Lokführer nach Zugunglück von Hordorf
Magdeburg - Fast zwei Jahre nach dem schweren Zugunglück in der Magdeburger Börde mit zehn Toten ist der Lokführer zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. "Dieser Zusammenstoß hätte von dem Angeklagten bei ständiger Beobachtung der Strecke verhindert werden können", sagte die Vorsitzende Richterin am Landgericht Magdeburg, Claudia Methling, am Mittwoch in ihrer Urteilsbegründung. Der 41 Jahre alte Lokführer des 2600 Tonnen schweren Güterzuges habe gleich zwei Haltesignale übersehen. Nahezu ungebremst raste er bei einem der schwersten Zugunglücke in Deutschland auf der eingleisigen Strecke gegen einen entgegenkommenden Personenzug.
Der 41-Jährige, der im Prozess geschwiegen hatte, nahm den Schuldspruch ohne Regung auf. Die Kammer folgte mit ihrem Urteil den Anträgen sowohl von Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung. "Es war kein Freispruch zu erwarten", sagte Verteidiger Dietmar Weitzel nach der Urteilsverkündung. Der Anwalt eines Nebenklägers kündigte Revision gegen das Urteil an. Er hatte in seinem Plädoyer fünf Jahre Haft wegen Totschlags gefordert. Das Landgericht befand den Mann jedoch der fahrlässigen Tötung in 10 Fällen, der fahrlässigen Körperverletzung in 22 Fällen sowie der fahrlässigen Gefährdung des Bahnverkehrs für schuldig.
Das Gericht schloss in der Urteilsbegründung aus, dass der Lokführer sich vor dem Unfall in der zweiten der beiden Loks des Güterzuges aufgehalten hatte, wie von Seiten der Nebenklage vermutet worden war. Dass der Mann nur leicht verletzt wurde, sei kein Indiz dafür. Auch gebe es keine Hinweise, dass der 41-Jährige von Telefonaten mit einem Handy abgelenkt gewesen sei. Der Mann sei zudem ausreichend ausgebildet gewesen und habe nicht unter Drogeneinfluss gestanden, sagte Methling. Zusätzliche Pflichtverletzungen - neben dem Übersehen der beiden Signale - seien nicht erkennbar. Auch gebe es keine Hinweise, dass es technische Probleme gab - auch wenn die Signale nur jeweils kurz zu sehen gewesen seien.
Der Unfall vom 29. Januar 2011 hatte auch eine Debatte über automatische Notbremssysteme bei der Bahn ausgelöst. Auf der betroffenen Strecke war eine derartige Sicherung nicht installiert, die Züge durften dort nur mit maximal 100 Kilometern pro Stunde fahren. Inzwischen ist auch dort ein System installiert, das Züge beim Überfahren eines Halt-Signals automatisch abbremst. Die Aufrüstung war von der Deutschen Bahn bereits vor dem Unfall geplant gewesen.
Der Lokführer Thilo Böhmer, der den Prozess beobachtet hatte, kritisierte eine schleppende Einführung dieser Systeme auf weniger befahrenen Strecken im Osten. "Da hat man 20 Jahre es nicht für nötig empfunden, die Strecke auszubauen", sagte er nach dem Prozess vor Journalisten. Verantwortlich dafür seien die Bundesverkehrsminister der vergangenen Jahre. "Der Unfall hätte nicht passieren dürfen", sagte der Lokführer, der selbst für ein privates Unternehmen vor allem Güterzüge steuert.
Auch Verteidiger Weitzel hatte in seinem Plädoyer auf einen "desaströsen Zustand der Gleisanlagen" verwiesen, der neben menschlichem Versagen verantwortlich für das Unglück sei. Wäre die Unfallstrecke schon damals mit diesem System ausgestattet gewesen, wäre der Unfall nicht passiert, sagte Weitzel. Das Gericht ging darauf in der Urteilsbegründung nicht näher ein. Es erklärte nur, dass ein derartiges Bremssystem dort nicht vorgeschrieben gewesen sei.