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Das Landesgaststättengesetz stößt auf Kritik und Zustimmung / Dehoga-Chef lobt Chancen für junge Wirte. "Bier? Bitte den Vereinsausweis!"

Sachsen-Anhalt bekommt bald ein neues Gaststättengesetz. Gut ist:
Kneipen und Gaststätten können schneller und unbürokratischer eröffnen.
Der Bierausschank im Fußball- oder Schützenverein soll allerdings
zukünftig auf Mitglieder beschränkt werden.

Von Oliver Schlicht 06.11.2013, 02:08

Magdeburg l Der Himmel ist regenverhangen an diesem Sonnabendnachmittag in Niegripp (Jerichower Land). Trotzdem sind knapp 60 Zuschauer zum Sportplatz von Blau-Weiß Nie-gripp an den Ortsrand gekommen. Landesklasse, heute spielt die SG gegen Eintracht Gommern. SG-Fan Detlef Steinhauser hat sich einen Becher mit frisch gezapftem Bier aus dem Vereinsheim geholt und fachsimpelt am Spielfeldrand mit den anderen. "So ein Becher Bier gehört einfach dazu", findet er. Und mit dieser Meinung ist er nicht allein. Daran lassen seine Kumpel keinen Zweifel.

Im Vereinsheim wird das Bier direkt vor der Ausgangstür gezapft. Nicht draußen, sondern drinnen im Heim. Das ist wichtig. Würde das Bierfass draußen stehen, wäre es ein öffentlicher Bierausschank. Und für den müsste man nach der aktuellen Gesetzeslage den Betrieb eines Gaststättengewerbes beantragen. In den Räumen des Vereins darf an jeden Gast ausgeschenkt werden - noch. Das neue Landesgaststättengesetz will den Vereinsausschank ohne Gewerbeerlaubnis bald auf Vereinsmitglieder beschränken.

Die Gemeinde - so sieht es das neue Gesetz vor - darf sogar Mitgliederlisten verlangen, um den Ausschank in Vereins- oder Gesellschaftshäusern unter die Lupe zu nehmen. "Ich finde das ziemlich lächerlich. Wer will denn so etwas kontrollieren", sagt Bernd Mittelstädt, stellvertretender Vorstand bei Blau-Weiß und Geschäftsführer des Kreissportbundes Jerichower Land. Allein die Niegripper Sportgemeinschaft habe knapp 300 Mitglieder. "Soll da jeder am Ausschank seinen Mitgliedsausweis zeigen?", fragt sich der Sportfunktionär. Und mit ihm bestimmt andere Vereinsvorstände auch.

Drei Jahre hat die Arbeit am Landesgaststättengesetz von Sachsen-Anhalt gedauert. Mit beteiligt waren neben dem Wirtschaftsministerium auch die IHK, der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga und kommunale Verbände. In der vergangenen Woche hat der Gesetzesentwurf das Kabinett der Landesregierung passiert. Vermutlich zum Jahresbeginn 2014 soll das Gesetz vom Landtag beschlossen werden und in Kraft treten.

2006 war im Zuge der Föderalismusreform die Regelungshoheit der Gaststättenzulassungen vom Bund an die Länder übergegangen. Seit 2007 haben sich die Länder nun eigene Gaststättengesetze gegeben. Niedersachsen, Thüringen, Sachsen, Brandenburg - und nun bald auch Sachsen-Anhalt.

Im Vorfeld war befürchtet worden, dass der Gesetzesgeber auf Druck von IHK und Dehoga den Ausschank von Getränken in Vereinen stark eingrenzen werde. Vor einem Jahr hatte Ernst Fischer, Bundespräsident der Dehoga, auf dem Verbandstag in Dessau unter dem Beifall der Teilnehmer beklagt, dass in Vereins- und Bürgerhäusern weitgehend unkontrolliert Gäste bewirtet werden. "Das ist eine Schwarz-Gastronomie, die da staatlich subventioniert entstanden ist. Maßnahmen sind überfällig, diese Entwicklung einzugrenzen", so Fischer vor einem Jahr.

So kam es wohl zur besagten gesetzlich vorgeschriebenen Begrenzung der Bewirtung in Vereinsheimen auf Mitglieder. Der öffentliche Ausschank soll so eingegrenzt werden. Und es gibt noch einen weiteren Passus im Gesetzesentwurf, der in Richtung Vereine und Gesellschaften zielt: Im Falle der Beantragung von "vorübergehenden Veranstaltungen" müssen die kommunalen Behörden jede dieser Veranstaltungen "an die zuständige Finanzbehörde" melden.

Was heißt das? Mit "vorübergehenden Veranstaltungen" sind zum Beispiel Sport-, Schul- oder Feuerwehrfeste gemeint, auf denen Vereine häufig die Getränke- und Imbissversorgung übernehmen. Bislang haben die Vereine dafür eine "Gestattung" des gastronomischen Betriebes beantragt. Der dabei erwirtschaftete Gewinn kam dem Verein zugute. Die Angabe über die Höhe dieses Gewinns oblag allein dem Verein in Form seiner Steuererklärung.

Das neue Gesetz verlangt zwar nur noch die Anzeige (keine Gestattung) einer "vorübergehenden Veranstaltung". Aber die ist nun mit einer "Kontrollfunktion" verbunden, wie es Jana Ziemann, Magdeburger Rechtsanwältin und Steuerberaterin, nennt. Eine Kontrolle, die zu klären hilft, ob der Verein gewerbsmäßig Bier verkauft und in welcher Höhe dafür Gewerbesteuer bezahlt werden muss.

"Das Finanzamt kann einen Gewerbebetrieb unterstellen", sagt sie. Dies gilt auch für gemeinnützige Vereine. Ein Beispiel: Verkauft jemand zwei Häuser in fünf Jahren, ist das ein Privatverkauf. Verkauft jemand drei Häuser in fünf Jahren, ist das ein gewerbliches Geschäft, wofür Gewerbesteuer zu entrichten ist. Für den Verein bedeutet die Gesetzesänderung: Das Finanzamt weiß in Zukunft sehr viel besser über den Bierkonsum im Vereinshaus Bescheid als bislang.

Die Höhe der zu zahlenden Gewerbesteuer ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Die Bemessungsgrundlage lege aber das Finanzamt fest, so die Steuerexpertin. Die Frage ist, wieviel Vereine beim Bierumsatz tatsächlich in eine Dimension vordringen, die das Glöckchen im Finanzamt läuten lässt. Jana Ziemann: "Der Gewinnfreibetrag ist bei kleinen Unternehmen bei rund 25000 Euro im Jahr festgelegt. Nur wer mehr verdient, muss Gewerbesteuer abführen."

Zum Vergleich: Die Sportgemeinschaft Blau-Weiß Niegripp erwirtschaftet nach Vereinsangaben pro Jahr nur einen niedrigen vierstelligen Gewinnbetrag aus dem Verkauf von Getränken und Imbiss. "Wir verkaufen regelmäßig nur, wenn am Wochenende gespielt wird", erzählt Bernd Mittelstädt. Ein täglicher Schankbetrieb im Vereinsheim würde sich nicht lohnen. Lediglich auf einigen Festen werde im Laufe des Jahres per Gestattungsgenehmigung noch Umsatz gemacht. Mittelstädt: "Mit dem Geld werden zum Beispiel die Schiedsrichter bezahlt, die in der Landesklasse auch weite Wege zurücklegen müssen."

In der Regel würden Sportvereine auf Dörfern heutzutage Clubgaststätten an Gastronomen verpachten, wenn mehr als nur ein sporadischer Bierausschank erfolgt, sagt der Niegripper. Und Manfred Bloch, Geschäftsstellenleiter bei SV Fortuna Magdeburg, bestätigt das auch für die Stadt Magdeburg: "Ich schätze, dass 90 Prozent der Magdeburger Fußballvereine ihre Vereinsgaststätte an einen Gastronomen verpachtet haben. Das ist der Normalfall." Auch bei SV Fortuna. Alles andere gestalte sich für Vereine zu aufwändig. Bloch: "Und wenn der Pächter auf unserem Fest die Gäste mit seinem Bierwagen bewirtet, freuen wir uns anschließend über eine Spende an den Verein."

Dehoga-Hauptgeschäftsführer René Kauschus ist mit dem neuen Gaststättengesetz rundum zufrieden. "Junge Wirte werden jetzt schneller und leichter agieren können, weil sie ihre Geschäftstätigkeit nicht mehr beantragen, sondern nur noch anzeigen müssen." In Bezug auf Gaststätten in Vereinsheimen auf dem Land spricht der Dehoga-Chef von einer "Konkurrenz auf Augenhöhe", wenn das Gesetz verabschiedet wird.

Behörden mehr Rechte zur Kontrolle der Bewirtung in Vereinsgaststätten einzuräumen, hält Kauschus "mit Blick auf den Jugendschutz" für das richtige Vorgehen. "Gerade auf großen Veranstaltungen wird da sehr viel Umsatz mit alkoholischen Getränken gemacht. Es ist richtig, da genauer hinzuschauen", so der Landeschef der Dehoga.