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Bildung Anwälte machen Schulen Druck

Anwälte und Schulbehörden beobachten, dass Eltern immer häufiger den Rechtsweg gegen schulische Entscheidungen wählen.

Von Alexander Walter 02.03.2020, 00:01

Magdeburg l Eltern nehmen bei Konflikten mit der Schule immer häufiger Rechtshilfe in Anspruch. Das geht aus Zahlen des Bildungsministeriums hervor. So gab es in den Jahren 2017 und 2018 jeweils rund 40 Widerspruchsverfahren gegen schulische Entscheidungen im Land. Das waren so viele wie nie, bestätigte die Behörde auf Volksstimme-Anfrage. Zuvor hatte die Mitteldeutsche Zeitung berichtet.

„Es gibt eine Tendenz, dass sich sich Eltern anwaltlicher Hilfe bedienen wollen und den unmittelbaren Ansprechpartner Schule außen vor lassen“, sagte Staatssekretärin Eva Feußner (CDU). Das zeuge auch davon, dass Eltern nicht den Dialog mit der Schule führen wollen, sondern meinen, ein Rechtsanwalt könne diese Aufgabe für sie übernehmen. Feußner warb für mehr Dialog. Das Schulgesetz schreibt eigentlich fest, dass Lehrer und Eltern Streitfragen grundsätzlich in der Schule klären sollen.

Mit Ausnahme der Abiturnote sind etwa Zensuren dann auch gar nicht anfechtbar. Trotzdem nehmen Widersprüche zu. Auch bei formlosen Beschwerden meldet das Ministerium eine Steigerung. Obwohl diese statistisch nicht erfasst würden, melden die Schulen doch einen deutlich erhöhten Beratungsbedarf, teilt die Behörde mit. Aber warum wenden sich Eltern an Anwälte?

Besonders oft ist das etwa der Fall, wenn Kinder keinen Platz an ihrer Wunschschule bekommen, wenn Abi-Prüfungen nicht bestanden werden oder das Schuljahr wiederholt werden muss. Auch wenn Kinder Wunschfächer in der Kursstufe nicht belegen können, suchen Eltern juristische Hilfe. Die Stadt Halle bestätigte auf Anfrage etwa: 2018 habe man 127 Eltern, die für ihr Kind einen Platz an einer Integrativen Gesamtschule (IGS) haben wollten, eine andere Schule anbieten müssen. 2019 waren es gar 159. In zehn Fällen hätten Eltern gegen die Entscheidung der Stadt als Schulträger geklagt.

Der Hallesche Fachanwalt Thomas Herz bestätigt den Trend: „Insgesamt ist sowohl die Klagebereitschaft gestiegen als auch die Inanspruchnahme anwaltlicher Beratung“, sagte er. „Zum Teil wird um eine Zehntelstelle nach dem Komma gestritten, wenn es um die Abiturnote geht“. Herz hält das auch für nachvollziehbar, denn: „Schon ein Zehntel weniger kann bedeuten, etwa auf einen Medizinstudienplatz viele Jahre warten zu müssen.“ Der Anwalt beobachtet parallel dazu aber auch einen Mentalitätswandel: „In vielen Bereichen ist das klassische Unterordnungsverhältnis des Bürgers gegenüber dem Staat gewichen. Auch Schulen sind davon nicht ausgenommen.“

Landeselternrats-Vorsitzender Matthias Rose sieht solche Gründe nicht: „Wir können nicht feststellen, dass Eltern klagewütiger geworden wären als früher“, sagte er.

Es gebe aber Rahmenbedingungen, die zu steigender Unzufriedenheit führten. Dazu gehöre neben dem zunehmenden Stunden-Ausfall in der Tat, dass Wunsch-Kursfächer wie Französisch nicht angeboten würden oder Schüler ihre Wunschschule nicht besuchen können.

Wegen massiven Unterrichtsausfalls in Baden-Württemberg hatte erst zum Jahreswechsel eine Arbeitsgemeinschaft aus Elternvertretern angekündigt, die dortige schwarz-grüne Landesregierung zu verklagen. Bundesweit wäre das ein Präzedenzfall.

Die Erfolgsquote bei Beschwerden, die vor Gericht landen, liegt indes nicht besonders hoch, durchschnittlich bei einem Drittel, sagt Anwalt Herz. Wie immer könnten die Chancen – je nach Einzelfall – aber von null bis sehr gut schwanken.s