1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Neuer Streit um Kohle-Ausstieg

Braunkohle Neuer Streit um Kohle-Ausstieg

Die künftige Bundesregierung müsse den Ausstieg aus der Kohle vorantreiben, fordern Konzerne. Aus Sachsen-Anhalt gibt es Kritik und Applaus.

08.11.2017, 23:01

Magdeburg/Berlin l Mibrag-Chef Armin Eichholz hält den Vorstoß für fahrlässig. „Die Argumentation von großen deutschen Industrieunternehmen für einen schnellen und regulatorisch erzwungenen Kohleausstieg können wir nicht nachvollziehen“, sagte er am Mittwoch der Volksstimme. Mibrag baut in den Revieren Profen (Sachsen-Anhalt) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen) Braunkohle ab. Rund 2000 Beschäftigte sind für das Unternehmen tätig, das seinen Hauptsitz in Zeitz (Burgenlandkreis) hat. Mit einer ideologiegeleiteten Umwelt- und Energiepolitik werde unsere Region Schiffbruch erleiden, mahnte Eichholz.

„Aus meiner Sicht sind auch Zweifel erlaubt, ob bei der Motivation dazu die Sorge um das Weltklima die dominante Rolle spielt", so Eichholz weiter. Die Mibrag  werde sich nun mit ihren Geschäftspartnern in Verbindung setzen, um genau das besser zu verstehen, kündigte der Geschäftsführer an.

Der Appell der deutschen Großunternehmen war mitten in die ohnehin schon komplizierten Sondierungsgespräche von CDU, CSU, FDP und Grünen geplatzt. Die nächste Bundesregierung müsse Klimaschutz „zur zentralen Aufgabe“ machen, ein „verlässlicher Ausstiegspfad“ bei der Kohleverstromung sei dabei „unverzichtbar“. Angestoßen hatte die Initiative die „Stiftung 2 Grad“, die von Konzernen wie Aldi, der Deutschen Bahn und Telekom finanziert wird. Der Kohle-Ausstieg ist ein Streit-Thema am Verhandlungstisch in Berlin. Die FDP lehnt einen konkreten Termin ab. Für die Wirtschaft Sachsen-Anhalts sei die Kohle ein wichtiger Faktor, betonte der Landesvorsitzende der Liberalen, Frank Sitta.

Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) begrüßte den Vorstoß. Sie sagte: „Die Wirtschaft hat erkannt, dass die Energiewende der Innovationstreiber des 21. Jahrhunderts ist.“ Jetzt komme es auf die künftige Bundesregierung an. „Mit dem richtigen Rückenwind aus Berlin könnten wir den Strukturwandel im Burgenlandkreis zu einem Erfolg führen“, erklärte Dalbert. Allerdings müsse das Bundesland aufpassen, nicht gegenüber den großen Braunkohleregionen am Niederrhein und in der Niederlausitz zu kurz zu kommen. „Wichtig ist es, dass allen Entscheidungsträgern klar wird, dass die Braunkohle in Deutschland keine Zukunft haben wird", so Dalbert.

Ihr Kollege im Kabinett, Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD), ist allerdings gegen einen überstürzten Ausstieg. Tausende Mitarbeiter würden dann auf der Strecke bleiben. „Wir müssen neue Industrie-Ansiedlungen in den Kohle-Regionen fördern, damit wir den betroffenen Beschäftigten neue Perspektiven anbieten können“, sagte er. Mibrag-Chef Eichholz betonte, sein Unternehmen bleibe ein zuverlässiger Partner der Region.

Bei einem Kohle-Aus befürchtet vor allem die Wirtschaft höhere Strompreise und Engpässe bei der Versorgung. Der Anteil des Stroms, der mit Kohle produziert wird, beträgt schließlich noch immer knapp 40 Prozent. Bereits heute zählen die Strompreise in Deutschland zu den höchsten in Europa.

Auch Energiefachleute warnen: „Bei einem schnellen Ausstieg bekommen wir Kohlestrom aus Polen und Tschechien oder Atomstrom aus Frankreich in unsere Netze. Das kann ja wohl nicht der Sinn sein“, sagte Johannes Kempmann, Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft.

Strom muss zu jeder Zeit in der richtigen Menge am richtigen Ort sein. Diese Versorgungssicherheit bieten der wetterabhängige Wind- und Sonnenstrom nicht – sehr wohl aber die Kohle. „Daher muss jedes Kohlekraftwerk, das wir abschalten, durch eine andere gesicherte Leistung ersetzt werden“, sagte Kempmann, der auch Technischer Geschäftsführer der Städtischen Werke Magdeburg ist. Eine Alternative seien Gaskraftwerke, die weniger Treibhausgase verursachten und zu jeder Zeit Strom liefern könnten, erklärte Kempmann. Der Bau von neuen Gaskraftwerken, Netzen und Energiespeichern werde aber viel Geld kosten, so Kempmann. Er erwartet, dass Deutschland erst bis 2050 keine Kohlekraftwerke mehr hat.