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Brexit Stolze Bürger von Sachsen-Anhalt

So kommen die Engländer Charlotte Abraham und John Bateman in Magdeburg mit dem Brexit zurecht.

Von Steffen Honig 30.01.2020, 00:01

Magdeburg l Schon beim Wort „Brexit“ gerät John Bateman richtig in Rage. Bei seiner Schimpftirade bekommen sie alle ihr Fett weg: die gutgläubigen Brexit-Befürworter auf der Insel, die vorgeblichen Anti-EU-Briten, die in Malta ihre Rente genießen und vor allem die „verlogene Politik“, die mit dem EU-Ausstieg nur ihre Macht sichern wollten.

„Die Politiker denken nur an sich und nicht an die nachfolgenden Generationen“, flucht Bateman in einem Mix aus Englisch und Deutsch. Neben Boris Johnson, natürlich, wettert er besonders gegen Labour-Chef Jeremy Corbyn, der für den Verbleib in der EU gewesen sein will, aber tatsächlich alles dagegen getan habe. Dazu skizziert der Englischlehrer an der Otto-von-Guericke-Universität gleich mal eine Großbritannien-Karte auf das Billboard im Arbeitszimmer. Er schraffiert die Gebiete, in denen für den Brexit votiert wurde: Es ist im Wesentlichen die Karte Englands, die großen Städte ausgenommen. „Es ist genau das Gebiet, in der die BSE-Seuche vor Jahren den Rindern das Gehirn vernebelte“, kommentiert Bateman grinsend.

Nachdem sich der erste Rauch verzogen hat, geht der 67-Jährige zu einer nüchterneren Betrachtungsweise über. Er fürchtet, dass Großbritanniens Ruf auf allen Gebieten leiden könnte. Bateman selbst kommt aus einem Dorf in Cornwall – schönstes England also. Doch lebt er seit 25 Jahren in Europa, in Magdeburg, ist mit einer Deutschen verheiratet und hat zwei Kinder mit Doppelpass. Dazu noch einen Sprössling aus erster Ehe in Frankreich – europäischer geht es kaum. Bateman schwört darauf, als Europäer leben zu können. Seine Kollegin Charlotte Abraham ebenfalls, wenngleich sie sich weniger radikal äußert. Sie hat sich nach reiflicher Überlegung 2019 dazu entschlossen, einen deutschen Pass zu beantragen.

Die 31-Jährige, in Cambridge geboren, lobt die Magdeburger Behörden für die Freundlichkeit, mit der sie zum Beispiel von der Ausländerbehörde unterstützt wurde. „Ich bin stolze Bürgerin von Sachsen-Anhalt“, sagt die Sprachlehrerin, die von der Einbürgerungszeremonie begeistert war. „Dann bin ich nach Hause gegangen, habe mir einen Tee gemacht und Bohnen mit Toast gegessen“, berichtet sie. So viel England muss auch an der Elbe sein. Während für den deutschen Pass rund 250 Euro fällig sind, kassieren die britischen Behörden umgekehrt für eine Aufenthaltserlaubnis das Vierfache, berichtet Bateman. „Mein Schwager lebt und arbeitet in Großbritannien und soll etwa 1000 Euro bezahlen.“ Bateman erhält demnächst Rente, die ihm für seine Arbeitsjahre in Deutschland zusteht. Was mit den ihm zustehenden Rentenzahlungen von der Insel wird, sei offen, berichtet er.

Die Uni-Lehrer machen sich Sorgen, wie ihre Angehörigen im Vereinigten Königreich nach dem Brexit zurechtkommen werden. Lieferengpässe zeichnen sich bei Medikamenten – beispielsweise Insulin – ab, bei frischem Obst und Gemüse oder bei Toilettenpapier. Gibt es wirklich keinen Vorteil, den die beiden im Brexit erkennen können? Die Engländer schauen verständnislos drein – nein, es fällt ihnen absolut nichts ein.