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Coronavirus Gesundheitsämter am Rand der Überlastung

Behörden in Sachsen-Anhalt können Corona-Infektionen oft nicht mehr zurückverfolgen.

Von Alexander Walter 04.11.2020, 00:01

Magdeburg l Die zweite Corona-Welle bringt die Gesundheitsämter an die Belastungsgrenze. Bundesweit bleiben 75 Prozent aller Ansteckungsumstände inzwischen unklar. In Sachsen-Anhalt können laut Landkreistag bis zu 40 Prozent der Ämter nicht mehr jede Infektion zurückverfolgen.

Gut 200 Corona-Patienten mit aktiven Infektionen zählt derzeit allein der Salzlandkreis. Der Kreis hat sich früh gewappnet: Verwaltungs-Mitarbeiter wurden ins Gesundheitsamt abgeordnet, Teams für eine Telefon-Hotline, die Kontakt-Rückverfolgung und Corona-Tests gebildet. Bundeswehr und Robert-Koch-Institut helfen.

Auch das reicht allerdings nicht: „Mittlerweile meldet unser Gesundheitsamt, dass die Mitarbeiter trotz größter Anstrengungen nicht mehr in der Lage sind, die Kontaktverfolgung innerhalb eines Tages abzuschließen, um Infektionsketten zu unterbrechen“, sagte Kreissprecher Marko Jeschor.

Der Kreis ist kein Einzelfall. Magdeburgs Gesundheitsamt kann derzeit trotz eines Ermittlungs-Teams von 20 Kollegen und Sonderschichten am Wochenende nur noch 70 Prozent aller Corona-Fälle zurückverfolgen, sagte Amtschef Eike Hennig gestern. Manch ein positiv Getesteter fabriziere 30 potenzielle Kontakte. Täglich hatte das Amt zuletzt 20 bis 30 Fälle auf dem Tisch, da könne die Nachverfolgung dauern. Das Amt hat Konsequenzen gezogen, überprüft seit zwei Wochen prioritär sensible Bereiche, wie Pflegeheime, Kitas, Schulen. Im Harzkreis werden ärztliche Pflichtuntersuchungen in Schulen und Kitas zugunsten der Corona-Rückverfolgung zurückgestellt.

Nach Angaben des Landkreistags können aktuell bis zu 40 Prozent der Gesundheitsämter nicht mehr jede Ansteckung zurückverfolgen. Grund ist neben steigenden Infektionszahlen auch Personalmangel. Laut Sozialministerium fehlen den 14 Gesundheitsämtern rund 60 Mitarbeiter, darunter 30 Ärzte. Seit Ende August helfen zwar 28 Bundeswehr-Angehörige aus. Sie federn die Situation aber nur ab.

„Die Ämter stehen seit dem Frühjahr unter Volldampf“, sagte Landkreistags-Geschäftsführer Heinz-Lothar Theel. Das Bündnis fordert, kurzfristig Landespersonal in die Gesundheitsämter der Kreise abzuordnen: „Für die seit 2. November verschärften Regeln und Bußgeldvorschriften bedarf es dringend einer personellen Verstärkung“, sagte Landkreistags-Präsident Michael Ziche (CDU). „Die Landkreise dürfen nicht allein gelassen werden.“

Exakt eine solche Abordnung hat die Landesregierung nach Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Länderchefs am 14. Oktober bereits angekündigt. „Passiert ist bislang aber nichts, nicht ein einziger Mitarbeiter ist bei uns angekommen“, ergänzte Heinz-Lothar Theel.

Angesichts steigender Infektionszahlen warnen auch Labore vor einer Überlastung. Das Landesamt für Verbraucher-Schutz räumte auf Anfrage ein: Bei Tupfern für Abstrich-Kits habe es zwischenzeitlich Engpässe gegeben, diese seien mittlerweile aber behoben. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnte derweil vor einer neuen Höchstzahl an Intensivpatienten in „zwei bis drei Wochen“.