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Corona Klinikchef fordert Pflicht-Tests

Immer weniger Menschen lassen sich auf Corona testen. Mediziner warnen, leichtsinnig zu werden. Die Linke will Stichproben an Schulen.

Von Jens Schmidt 29.04.2020, 01:01

Magdeburg l Der April zeigte sich dieses Jahr sonnig und staubtrocken. Keine gute Zeit für Keime. Und so wurden offenbar immer weniger Deutsche von Kopfschmerz, Husten und Fieber geplagt. Verfliegen die Symptome, schwindet auch die Sorge, an Covid 19 erkrankt zu sein. Jedenfalls legt das die Statistik des Robert-Koch-Instituts nahe: Innerhalb der letzten beiden Wochen ging die Zahl der Tests um 20 Prozent zurück. „Wenn es insgesamt weniger Atemwegserkrankungen gibt, gibt es ja auch weniger Verdachtsfälle, die untersucht werden sollten“, schreibt das Institut der Volksstimme.

Mediziner sind alarmiert. Hans-Jochen Heinze, Ärztlicher Direktor der Uniklinik Magdeburg, hält es für erforderlich, in Kliniken und Pflegeheimen regelmäßig zu testen. „An der Uniklinik werden ab sofort jede Woche Schwestern, Pfleger und Ärzte mit engem Patientenkontakt getestet“, sagt Heinze. Ganz gleich, ob sie Symptome haben oder nicht. Es gilt, Ansteckungen zu verhindern, da vor allem Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen stark gefährdet sind. Zusammen mit Patiententests kommt die Klinik auf 1200 Tests pro Woche.

Doch bislang läuft das freiwillig. Auch Pflegeheime sind nicht dazu verpflichtet, regelmäßig alle Mitarbeiter auf Viren überprüfen zu lassen. „Dazu gibt es keine Regelungen“, sagt Antje Ruddat, Geschäftsführerin beim Arbeiter- und Samariterbund Magdeburg. „Wenn es einem Mitarbeiter schlecht geht, muss er sich selber kümmern.“ Ärztechef Heinze hält das für gefährlich und plädiert für eine landesweite Test-Pflicht in Risikobereichen. „Klinisch hielte ich dort eine Pflicht für absolut sinnvoll, so lange es keine Impfung gegen Covid 19 gibt.“

Heime fürchten aber die Kosten. Der Betreiber ASB etwa hat 350 Mitarbeiter. Die Labore berechnen pro Test etwa 160 Euro. Die Krankenkassen zahlen zumeist nur, wenn der Betroffene auch krank ist. An der Uni fallen wöchentlich mehr als 70 000 Euro an - da man dort selber testet, ist es mit etwa 60 Euro pro Test noch recht günstig. „Am Geld darf das nicht scheitern“, sagt Thomas Lippmann. Der Fraktionschef der Linken im Landtag hält regelmäßige Pflicht-Tests in Kliniken, Heimen und bei mobilen Pflegediensten für unabdingbar.

Zudem müsse es in Schulen stichprobenartig Kontrollen geben. „Überall dort, wo ein Mindestabstand von 1,50 Meter nicht dauerhaft gesichert werden kann, sind regelmäßige Test nötig“, sagt Lippmann.  „Anders ist ein kontrollierter Übergang zur Normalität nicht möglich.“ Auch CDU-Sozialpolitiker Tobias Krull zeigt sich dafür offen: Wenn genügend Kapazitäten da sind.

Daran dürfte es nicht hapern. Im Land testen derzeit 7 Labore 2000 Proben pro Tag. Laut Sozialministerium sind bis zu 13 000 möglich. Auch das bislang ungenutzte tiermedizinische Labor in Stendal stünde bereit.

Das zuständige Haus von Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) sieht eine landesweite Pflicht jedoch skeptisch. Eine Ausweitung der Tests werde zwar angestrebt - aber nicht nach dem „Gießkannenprinzip“. Denn streng genommen müsste man jeden zweiten Tag testen. „Nach wie vor sollte es in erster Linie darum gehen, symptomatische Personen sowie deren Kontaktpersonen zielgerichtet zu testen.“

Heinze aber will das Risiko minimieren. Zwar ist die Lage in Sachsen-Anhalt mit derzeit 400 Kranken vergleichsweise entspannt - doch wenn die Wirtschaft wieder hochfährt und Leute in den nächsten Wochen in Regionen mit stärkerem Infektionsgeschehen reisen, kann sich das ändern. „Mit den Tests erkaufen wir uns Freiheit. Wir dürfen nicht leichtsinnig werden.“