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DDR-Kosmonaut Sigmund Jähns Spuren bis nach Sachsen-Anhalt

Der Tod von DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn sorgt für Anteilnahme. Seine Spuren führten bis nach Sachsen-Anhalt, nicht zuletzt nach Staßfurt.

23.09.2019, 23:01

Magdeburg l Der Vogtländer Sigmund Jähn flog 1978 für die DDR als erster Deutscher ins All. Mit dem Heldenstatus, den der Staat ihm anheftete, kam er nie zurecht. Nach der Wende wurde Jähn zum Brückenbauer für die deutsch-russische Raumfahrt. Mit 82 Jahren hat sich 21. September 2019 in Strausberg bei Berlin sein Leben vollendet.

Als Sigmund Jähn und sein Kommandant Waleri Bykowski am 3. September 1978 mit der Lande-Kapsel des Raumschiffes Sojus 31 in Kasachstan landeten, ahnte der erste DDR-Kosmonaut noch nicht, was über ihn hereinbrechen sollte. Sein fast achttägiger Flug um die Erde an Bord der Weltraumstation „Mir“ (Frieden) machte ihn zur Berühmtheit. Jähn hatte den Vorrang vor seinem sachsen-anhaltischen Kameraden Eberhard Köllner erhalten.

Zwei Seelen müssen in der Brust von Eberhard Köllner gewohnt haben – damals im August 1978. Einerseits wünschte er seinem Kameraden Sigmund Jähn von Herzen Glück für dessen Flug ins Weltall. Und doch hätte der Staßfurter, ebenfalls DDR-Kandidat für die Sojus-31-Mission, nur allzu gern an dessen Stelle im Raumschiff gesessen.

Die Wahl war schließlich auf Jähn gefallen. Köllner fungierte als dessen Double, im Team mit dem sowjetischen Kosmonauten Wiktor Gorbatko.

Dem Ersatzmann Köllner, der sich in der Vorbereitungsphase den gleichen Strapazen wie Jähn unterzogen hatte, wurden ebenfalls diverse Ehrungen zuteil. Auch der Staßfurter trug den Titel „Fliegerkosmonaut“ und berichtete bei zahlreichen Anlässen von seinen Erlebnissen bei der Ausbildung im Sternenstädtchen bei Moskau. In seiner Heimatstadt ist er bis heute unvergessen und ein gern gesehener Gast. Sein Privileg: Eberhard Köllner ist der einzige Ehrenbürger Staßfurts. „Ich wünsche mir, dass es wirtschaftlich mehr vorangeht in der Stadt, damit die Menschen hier eine Perspektive haben“, sagte Köllner beim Staßfurter Neujahrsempfang 2017. „Ich weiß natürlich, dass das ein schwieriges Unterfangen ist. Staßfurt braucht mehr Betriebe und mehr Geschäfte in der Innenstadt.“

Natürlich ist alles rund um Raumfliegerei noch immer das Hauptthema, wenn der rüstige Eberhard Köllner in der Heimat weilt. Bei einer Gesprächsrunde in Staßfurt kam Eberhard Köllner dabei auch auf Sigmund Jähn als Meister des Kosmonautentrainings in der Zentrifuge zu sprechen: „Herr Jähn konnte das stundenlang, ohne dass der Gleichgewichtsapparat angesprochen hat.“

Köllner lebt heute in Neuenhagen bei Berlin. Nach der Wende studierte er Betriebswirtschaft und arbeitete als Dispatcher in der freien Wirtschaft. Hätte er noch eine Chance gehabt, ins Weltall zu fliegen? Vielleicht. Eine zweite Mission mit einem DDR-Kosmonauten war im Gespräch – für 1992.

Für die DDR war Sigmund Jähns Flug ins Weltall  ein Punktsieg im Kalten Krieg: „Der erste Deutsche im All – ein Bürger der DDR“, jubelte das zentrale Parteiorgan „Neues Deutschland“. Jähn wurde mit Auszeichnungen überhäuft und in der Heimat wie eine Trophäe herumgereicht. Er war „Held der DDR“ – die Auszeichnung war eigens nach dem Flug gestiftet worden – und „Held der Sowjetunion“.

Nur die ihm gegebene Bescheidenheit bewahrte den Kosmonauten davor, in die Sphären des Größenwahns zu entweichen.

Sigmund Jähn erreichte schnell den Bekanntheitsgrad des Sandmännchens, das er als Puppe im Raumanzug bei seinem Flug dabei hatte. Die Medien berichteten in aller Ausführlichkeit, durch regelmäßige TV-Übertragungen war Jähn in vielen Wohnzimmern zu Gast. Zu berichten gab es einiges: Vom Alltag in der Raumstation und von den 25 Experimenten, die der DDR-Raumflieger mit seinen sowjetischen Kollegen vornahm.

Im Zentrum stand die vom VEB Carl Zeiss Jena entwickelte Multispektralkamera MKF 6, im Volksmund wegen des großen Rummels um das Gerät schnell Multispektakelkamera genannt. Sie diente der Fernerkundung der Erde.

Auch die Untersuchung der Auswirkungen der Schwerelosigkeit beschäftigten Jähn, Bykowski und die Stammbesatzung Wladimir Kowaljonok und Alexander Iwantschenkow.

Sein fliegerisches Handwerk hatte der 1937 im sächsischen Morgenröthe-Rautenkranz geborene Kosmonaut bei den Luftstreitkräften der NVA gelernt. Der gelernte Buchdrucker brachte es bis zum Vize-Geschwaderkommandeur, legte außerdem sein Abitur ab und studierte an der sowjetischen Militärakademie der Luftstreitkräfte. Bald nach der Rückkehr avancierte der Vogtländer zum Generalmajor der Nationalen Volksarmee.

Er wurde nun als Vorbild hochfgehalten. Dennoch blieb er volksnah, was ihm mit Popularität vergolten wurde. „Ich bin immer bestrebt geblieben, der Mann zu bleiben, der ich war“, bekannte Jähn später. Nach der Wende teilte Jähn das Schicksal der meisten DDR-Armeeangehörigen: Er wurde arbeitslos. Dann jedoch tat sich Bemerkenswertes: Die Raumfahrer aus Westdeutschland setzten sich erfolgreich für den früheren Gegner aus dem Osten ein. So Ulf Merbold, erster bundesdeutscher Astronaut, der 1983 ins All flog. Merbold war als junger Mann aus seiner Heimat Greiz in Thüringen in den Westen geflohen. Als seine Mutter ihn zu Zeiten der Teilung dort besuchen wollte, wurde ihr dies verwehrt. Jähn schaltete sich ein, einige Zeit später durfte Merbolds Mutter reisen.

Jähn stieg beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Europäische Weltraumorganisation ESA ein, bildete europäische Astronauten im russischen Sternenstädtchen aus. Durch seine Kenntnisse des sowjetisch-russischen Raumfahrtwesens konnte er Brücken zwischen alten Bekannten und den neuen Kameraden aufbauen. Sie danken es ihm bis heute.