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Debatte Wie gefährlich ist Linksextremismus?

In Sachsen-Anhalt gibt es aktuell rund 500 Linksextreme - die Hälfte von ihnen gilt als gewaltbereit. Welche Gefahr geht von ihnen aus?

19.03.2018, 23:01

Magdeburg l Das Thema Linksextremismus steht hoch im Kurs. Die Krawalle beim G 20-Gipfel in Hamburg haben eine alte Debatte neu befeuert: Wie gefährlich sind linke Autonome und Extremisten für die Demokratie? Selbst der Landtag wird sich auf Antrag der AfD demnächst in einer umstrittenen Linksextremismus-Kommission mit diesem Thema befassen. Schon am Montag stand es bei der Konrad-Adenauer-Stiftung auf dem Programm. „Eine unterschätzte Bedrohung für die Demokratie?“ war die provokante Frage.

So weit wollte Innen-Staatssekretärin Tamara Zieschang (CDU) jedenfalls nicht gehen. Doch sie betonte: „Linksextremismus ist nicht nur ein Thema in Hamburg, sondern auch in Sachsen-Anhalt.“ Mehrere Fälle belegen das: Im September 2016 brannten nahe des Magdeburger Hauptbahnhofs beispielsweise 18 Autos, darunter acht Fahrzeuge der Bundespolizei, der Deutschen Bahn und Privatfahrzeuge. Verletzt wurde niemand – doch der Schaden lag bei rund 750.000 Euro. 2013 verübten Unbekannte auf die Bundeswehr-Kaserne in Havelberg einen Brandanschlag. In beiden Fällen gelten Täter aus der linksautonomen Szene als Drahtzieher.

Und auch in Hamburg waren Sachsen-Anhalter als Unruhestifter am Werk. Bei den G 20-Ausschreitungen sind sechs Personen aus Sachsen-Anhalt festgesetzt worden, sagte Zieschang. Besonders in Halle, Magdeburg, Burg und Salzwedel gibt es linksextremistische Gruppen, in denen sich 230 gewaltbereite Autonome bewegen.

Für den renommierten Politikwissenschaftler Eckhard Jesse kommt das Thema Linksextremismus in der Öffentlichkeit insgesamt zu kurz. Der Mann von der Uni Chemnitz ist dafür bekannt, dass er immer wieder Parallelen zum Rechtsextremismus zieht. Seine Argumentation: Die Anhänger beider Lager verfügen über ein einfaches Freund-Feind-Denken, handeln dogmatisch und sind für Verschwörungstheorien besonders empfänglich. Er zieht einen Vergleich zum Hufeisen: „Beide Enden sind weit entfernt und doch direkt benachbart.“

Jesse plädiert dafür, dass dem Linksextremismus mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. „Das bedeutet ja nicht, dass der Rechtsextremismus aus dem Blick gerät. Aber es gibt eine gewisse Schieflage“, sagte er. Trotz dieser beiden Phänomene hält er die Demokratie nicht für gefährdet. Im Gegenteil: „Ein gewisser Extremismus kann für die Demokratie sogar ein Gesundbrunnen sein.“ Dies sei dann der Fall, wenn die Menschen nicht wegschauen, sondern ex­treme Einstellungen anprangern würden. Jesse spricht von einer „abwehrbereiten Demokratie“.

Was das in der Praxis bedeuten kann, weiß Jürgen Schmökel. Der Direktor des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt zog noch mal Bilanz vom G 20-Gipfel: 3000 Ermittlungsverfahren, 671 Beschuldigte, viele verletzte Polizisten. Diese hätten die Linksextremisten „nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern gezielt geplant“, kritisierte er.

Die Polizei beobachtet mit Sorge, dass die Zahl der gewaltbereiten Autonomen in Deutschland zunimmt. „Sie sehen Gewalt als legitimes Mittel, um ein bestehendes System zu ersetzen“, so Schmökel. Der LKA-Direktor fordert deshalb zwei Konsequenzen: Zum einen dürfe die Gesellschaft das Verhalten von Linksextremen nicht hinnehmen, dies müsse regelmäßig thematisiert und aufgearbeitet werden. Zum zweiten seien harte Strafen notwendig. Er begrüßt, dass die Sanktionen bei Angriffen auf Polizisten verschärft wurden.

CDU-Landtagsabgeordneter Tobias Krull schlägt in die gleiche Kerbe. Er fordert eine klare Ansprache. „Wenn Landtagsabgeordnete der Linken sagen, es sei eine Provokation, wenn die Polizei durch ein von Linken bewohntes Straßenviertel fahre, wundert mich das“, so Krull. Die Politik könne außerdem den Strom von Finanzmitteln für die Forschung lenken.

Der CDU-Mann fordert dabei eine gleichmäßige Aufarbeitung von jeglichem Extremismus: rechts, links, religiös motiviert. Im Bereich Linksextremismus seien neue Förderprogramme denkbar, sagte Krull. Außerdem soll die politische Bildungsarbeit ausgebaut werden. „Linksextremismus gehört in die Geschichtsbücher. Demokratie bekommt man nicht geschenkt, sondern muss man sich jeden Tag erarbeiten.“

Der Kommentar zum Thema von Christopher Kissmann