Camping Der schwimmende Alleskönner
Mit dem Caravanboat hat der Urlauber Wohnwagen und Hausboot in einem. Gebaut wird er in Havelberg.
Havelberg l Klein, aber fein kommt das Innere daher. Eleganter Holzboden, grau gepolsterte Sitzecke und eine stattliche Küchenzeile gleich zu Beginn. Drei Schritte weiter folgt das Schlafzimmer - mit Aussicht. Wer hier morgens aufwacht, schaut direkt aufs Wasser – oder eben auf den Campingplatz. Je nachdem, was gerade bevorzugt wird. Denn die „DepartureOne“ kann beides. Caravanboat – der Name verrät bereits die Besonderheit. Campen auf und am Wasser ist mit dem luxuriösen Alleskönner möglich.
Es ist ein Produkt, von dem Andreas Lewerken, Chef der Havelberger Kiebitzberg Schiffswerft, sagt: „Es könnte uns zum endgültigen Durchbruch verhelfen.“ Denn: Die Pläne sind groß, die da in den Schubladen der Havelberger Schiffsbauer liegen. Was nicht zuletzt am großen Interesse der Öffentlichkeit liegt. Zeitungen, TV-Sender, Anfragen von Privatpersonen – „das alles hat uns komplett überrollt“. Auch deshalb, weil der Handelsriese Tchibo mit eingestiegen ist und das Caravanboat ebenfalls vertreibt.
Die Idee für den Allescamper kommt vom Hamburger Dietmar Kleenlof, Geschäftsführer der Deutschen Composite GmbH. „Das Volumen hat sich entsprechend der großen Nachfrage erhöht und um die Produktionsmenge abzufangen, braucht man starke Partner wie die Kiebitzberg Werft“, so der Unternehmer. Ein Hamburger Konstruktur gab Kleenlof den Tipp, dass in Havelberg erfahrene Profis am Werk sind. Also reiste Kleenlof in die Altmark. Binnen einer Stunde war die Zusammenarbeit per Handschlag besiegelt.
Das war vor knapp sechs Monaten und seitdem ist viel passiert. Die Havelberger haben einen neuen Rumpf entwickelt „und auch die Innenausstattung haben wir nochmal komplett neu aufgestellt“, so Lewerken. Fest verankert auf einem Spezialtrailer kann das Caravanboat wie ein normaler Wohnwagen genutzt werden. Zum Ziehen reicht ein Pkw mit Allradantrieb und entsprechender Zuglast. An See oder Fluss verwandelt sich der Wohnwagen innerhalb von zehn Minuten in ein Hausboot. Trailer ans Ufer fahren, Boot zu Wasser lassen, fertig.
Dank eines Tiefgangs von nur 15 bis 20 Zentimetern ist das Caravanboat auch für flache Binnengewässer geeignet. Verschiedene Motoren stehen zur Wahl und müssen zusätzlich gekauft werden: Mit einem 15-PS-Motor lässt sich das Boot führerscheinfrei fahren. Wer einen Sportbootführerschein besitzt, kann auf bis zu 50 PS aufrüsten. Auch ein Elektromotor ist verfügbar.
Breite des Caravanboats: 2,35 Meter. Die Länge hängt von der gewählten Variante ab. Das Caravanboat gibt es nämlich in zwei Ausführungen, die da heißen „DepartureOne M“ mit einer Länge von sieben Metern und die XL-Variante mit acht Metern Länge. Küche mit Gasherd, Waschbecken und Kühl-Gefrier-Kombination. Dazu einen Essbereich Schlafplätze für vier Personen, WC samt Dusche – alles vorhanden.
Das Caravanboat verspricht vor allem viel Freiheit beim Reisen. Für Lewerken und seine Mitarbeiter kam Kleenlof mit seinem innovativen Produkt zur richtigen Zeit. Durch die Corona-Krise wurden Messen abgesagt, die Aufträge zur Ausstattung zahlreicher Kreuzfahrtschiffe, die keine Passagiere durch die Welt transportieren konnten, blieben aus. „Unter normalen Umständen hätten wir für so ein Produkt gar keine Zeit gehabt“, sagt Lewerken.
Mittlerweile hat sich das Blatt gedreht. Für die Kiebitzberg Schiffswerft ist das Caravanboat ein „Auslöser“ geworden. So hätte es bereits seit Längerem Pläne gegeben, das Werk zu erweitern. Aber die Pläne könnten eben schon bald konkret werden – wegen dem Allescamper. Denn: Es gibt bereits Überlegungen, das Produkt auch in den USA zu vertreiben. Viel mehr will Lewerken dazu noch nicht sagen. Und Kleenlof? „Die USA liegt im Fokus und könnte ein Lizenzgeschäft mit eigener Fertigung vor Ort werden.“ Sollte das funktionieren, plant Lewerken mit einem neuen Werksteil und neuer Fertigungsstraße. Auch interessierte Investoren gebe es bereits. Derzeit fehlen dafür noch die Arbeitskräfte.
Die Kiebitzberg Schiffswerft beschäftigt 100 Mitarbeiter. „Wir benötigen dann in der Produktionsplanung und Fertigung noch einmal mindestens 20 Mitarbeiter“, so Lewerken. Seit diesem Jahr ist sein Sohn Florian Betriebsleiter der Werft. Er soll spätestens ab 2022 endgültig die Geschäfte übernehmen. Im Idealfall ist das dann bereits das Ziel, nämlich die Fertigung von jährlich 300 Caravanbooten, erreicht. Immer wieder versucht Lewerken seine eigene Euphorie zu bremsen. „Erst müssen wir schauen, wie es anläuft“, sagt er dann. Nur um dann zwei Minuten später hinsichtlich der Lieferzeiten den Vergleich zum Weltkonzern Tesla zu ziehen. „Damals mussten die Menschen auch viele Monate auf ihr Auto warten.“
Die ersten beiden Caravanboote werden aktuell gebaut. Die Liste der Bestellungen ist lang. „Die Lieferzeit liegt bei zwölf Wochen und es wird von Tag zu Tag enger“, so Lewerken. „Wenn wir in diesem Jahr noch 20 bis 25 Caravanboote aus der Fertigung bekommen, wäre das gut.“
Für den Werft-Chef passt das Caravanboat zur eigenen Unternehmensphilosophie, die sich zunehmend dem Aspekt Nachhaltigkeit annähert. „Die Corona-Krise hat hoffentlich verdeutlicht, dass man nicht unbedingt immer umherfliegen muss, sondern auch Urlaub in der Heimat attraktiv ist“, so Lewerken. Weniger ist mehr. Diesem Credo will der Werft-Chef nun auch geschäftlich folgen. „Bereits im Dezember haben wir angefangen, mal zu schauen, was wollen wir beibehalten und was nicht.“
Als Unternehmer mit immer neuen Ideen verzettele man sich schon einmal, weil man schlichtweg alles anbieten will. „Wir sind mit unseren Aluminium-Leichtbausystemen so erfolgreich, dass wir vieles andere nicht mehr machen wollen.“ So werde man zwar weiter Fähren warten und andere Reparaturleistungen anbieten, aber keine Arbeitsschiffe mehr bauen. Projekte mit ökologischen Aspekten – darauf soll zukünftig der Fokus im Schiffsbau liegen. Bestes Beispiel: Der erfolgreiche Bau eines 36 Meter langen Solar-Katamarans, ein vollelektrisches Passagierschiff, das künftig rund 180 Personen über die Berliner Spree transportieren kann.
An die Idee der Nachhaltigkeit knüpfe nun auch das Caravanboat an, so Florian Lewerken, allerdings mit einem Handicap. Denn um den Listenpreis von 105.315 Euro für die DepartureOne M zu halten, bleibt es vorerst beim wenig umweltfreundlichen Verbrennungsmotor.