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„Standorttreues Paar“ entdeckt Der Wolf will im Südharz bleiben - Tierhalter sind beunruhigt

Hat sich der Wolf im Südharz bereits dauerhaft wieder angesiedelt? Wie viele Wölfe es nachweislich in Sachsen-Anhalt gibt und was die Jäger sagen.

Von Frank Schedwill und Susanne Thon 03.12.2021, 10:30
Im Harz werden immer mehr Wölfe gesichtet.
Im Harz werden immer mehr Wölfe gesichtet. (Foto: imago images/Harald Deubert)

Sangerhausen/Tanne/MZ - Sie sind da. Ganz nah und wollen offenbar bleiben. Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hat ein erstes Wolfspaar im Südharz als standorttreu eingestuft. Nach Angaben des Thüringer Umweltministeriums leben die Tiere nördlich von Nordhausen zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt. Dort grenzen die Landkreise Nordhausen, Harz und Mansfeld-Südharz aneinander.

Wölfe wurden genetisch erfasst

„Kot, Fotofallenbilder und Beobachtungen lieferten Nachweise über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Beide Tiere seien bereits genetisch erfasst worden. Beim Wolfsrüden handelt es sich um einen Nachkommen des Rudels, das bei Gartow im Kreis Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen lebt. Bei dem weiblichen Tier, der sogenannten Wolfsfähe, seien keine Abstammungshinweise gefunden worden.

Das Wolfs-Monitoring wird vom Landesamt für Umwelt Sachsen-Anhalt und dem „Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs“ des Thüringer Umweltministeriums durchgeführt. Die Thüringer betonen: „Die Nach- und Hinweise konnten durch den Einsatz des Landesforstbetriebs Oberharz in Sachsen-Anhalt sowie den Stiftsforst Ilfeld und Thüringenforst auf thüringischer Seite ausgewertet werden.“

Viele Wolfssichtungen in der Harzregion

Tierhalter sind beunruhigt: Erst vor wenigen Tagen war unweit der Straße zwischen Sophienhof und Rothesütte (Kreis Nordhausen) eine Hirschkuh gefunden worden, die mutmaßlich einem Wolf zum Opfer gefallen war. Mindestens zwei, aber vielleicht auch vier bis sechs Wölfe vermuten Insider in der Harzregion zwischen Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Aber auch andernorts im Harz kommt es inzwischen zu Wolfssichtungen. Innerhalb seines Territoriums legt ein Wolf der Deutschen Wildtier Stiftung zufolge täglich bis zu 20 Kilometer zurück. Junge Wölfe, die vom Rudel abwandern, um ein eigenes Rudel zu gründen, schaffen sogar bis zu 80 Kilometer am Tag.

Hat ein Wolf die Hirschkuh gerissen?
Hat ein Wolf die Hirschkuh gerissen?
(Foto: dpa)

Viele Jäger und Förster waren sich schon länger einig, dass das Raubtier hier längst angekommen und sesshaft ist. Der erste Wolfsnachwuchs sei nur eine Frage der Zeit. Brockenbauer Uwe Thielecke aus Tanne sagt: Erst vor ein paar Tagen seien drei Wölfe gesichtet worden - 100 Meter vom Stall entfernt. Dort haben seine Tiere nichts zu befürchten, aber mehr als die Hälfte des Jahres steht das Harzer Rote Höhenvieh draußen auf der Weide: 20 Herden. 600 Tiere. Und „sie merken, das was ist, sind deutlich nervöser“, so Thielecke.

22 Rudel und drei Wolfspaare in Sachsen-Anhalt erfasst

Dem gegenüber stand bislang die Auskunft des Landesamtes für Umweltschutz, dem das Wolfskompetenzzentrum in Iden (WZI) angeschlossen ist. Die Einrichtung, die die natürliche Wiederansiedlung des Wolfes im Land begleitet, wollte zuletzt nicht bestätigen, dass es im Harz bereits zur Ansiedlung von Wölfen gekommen ist. Wölfe zögen durch den Harz und würden unter Umständen wahrgenommen, hieß es. Auch im am Donnerstagnachmittag vorgestellten Wolfsmonitoring-Bericht des Landesamtes ist das Wolfspaar aus dem Südharz noch nicht enthalten.

Der Bericht umfasst über 4.600 Artnachweise und -hinweise, aber nur im Zeitraum vom 1. Mai 2020 bis 30. April 2021. Demnach ist die Zahl der Wölfe in Sachsen-Anhalt leicht um elf Tiere auf insgesamt 150 angestiegen. Sie bilden 22 Rudel und drei Wolfspaare. Zwei neue Rudel seien in Zerbst und im Gebiet Mechau-Riebau (Altmarkreis) hinzugekommen. Der Harz wird in dem Bericht noch als „Suchraum mit unklarem Status“ definiert. Der Bericht verweist aber auf Hinweise des thüringischen Wolfsmonitorings, die sich im grenznahen Raum zunehmend verdichtet hätten.

Wird der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen?

Alexander Räuscher, CDU-Landtagsabgeordneter aus Blankenburg, Sprecher seiner Fraktion zum Thema Wolf, hatte bereits im Vorfeld die Monitoringberichte kritisiert. „Uns werden Zahlen angeboten, die längst überholt sind.“ Er ist überzeugt, dass landesweit „die Wolfspopulation größer ist als die genannte“. Er geht sogar von einer Überpopulation in bestimmten Regionen aus. Die Wölfe geraten aneinander, weil sich die Streifgebiete von konkurrierenden Rudeln überschneiden. Hinzu komme, so der Abgeordnete, dass die angegebenen Risszahlen „unzuverlässig sind“. Tierhalter meldeten sie oft nicht mehr. Im neuen Monitoring-Bericht ist dagegen von einer deutlich gesunkenen Zahl von Wolfsübergriffen die Rede.

Räuschers Ziel ist klar: Es gehe darum, wieder eine Balance herzustellen. Dazu müsse der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden. „Der Wolf ist ein Raub- und kein Kuscheltier“, sagt er. In Europa seien schon Menschen zu Schaden gekommen. Von Nutztier-Rissen ganz zu schweigen. „Ich kann mit dem Wolf leben, aber ich möchte nicht ohne die Schäfer leben“, sagt Räuscher, um deren Rolle für die Landschaftspflege wissend. Nutztierhalter müssten für durch den Wolf entstandene Schäden entschädigt werden. Und zwar für alle Schäden und Folgekosten, nicht nur für tote Tiere.

Züchter mit Rückkehr des Wolfes nicht glücklich

Wie es ist, Schafe durch den Wolf zu verlieren, hat im vergangenen Jahr Tim Neidhold in Martinsrieth erfahren. Ende März war seine Herde von dem Raubtier angegriffen worden, wie eine Untersuchung von Gen-Material ergab. Bei der Attacke blieben von einem der Schafe nur Knochen über, zwei weitere Tiere wurden vom Wolf schwer verletzt. Eines davon musste der Züchter deswegen notschlachten. „Zwei Lämmer sind bis heute verschwunden“, so Neidhold. Der Fall wurde auch in die Rissstatistik des Landesamtes aufgenommen.

In dem Register sind alle getöteten Nutztiere im Land seit dem Jahr 2017 detailliert verzeichnet, bei denen der Wolf als Verursacher bestätigt ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Demnach handelte es sich bei dem Fall aus Martinsrieth um die erste bestätigte Tötung eines Nutztieres durch einen Wolf seit knapp 200 Jahren im Südharz. Neidhold hat nun für rund 3.000 Euro einen Herdenschutzzaun gekauft. Den weitaus überwiegenden Teil der Kosten hat das Land bezahlt und ihm auch die beiden toten Tiere finanziell ersetzt. Der Züchter betonte damals: „Glücklich bin ich damit nicht. Es wäre besser, wenn die den Schadensersatz behalten und stattdessen dafür sorgen würden, dass es hier keine Wölfe gibt.“

›› Wolfshinweise können an das Umweltministerium in Sachsen-Anhalt gemeldet werden. Näheres dazu unter: lau.sachsen-anhalt.de/wzi