Großdemo DGB wirft Ameos Profitgier vor
Ameos-Beschäftigte haben bei einer Großdemonstration in Magdeburg breite politische Unterstützung bekommen. Es gab scharfe Kritik.
Magdeburg l Mehr als 500 Menschen haben sich am Mittwochmorgen am Schleinufer, direkt an der Elbe, versammelt. Beginn einer Großdemonstration quer durch die Stadt. Die Stimmung ist aufgekratzt. Beschwingt. Kämpferisch. Die Ameos-Beschäftigten wollen einen Tarifvertrag.
Die Rechnung von Streikleiter Bernd Becker geht so: Eine Krankenschwester bei Ameos hat einen durchschnittlichen Stundenlohn von 14,79 Euro. Nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst erhält dieselbe Schwester 18,37 Euro. Bei einer 35-Stunden-Woche wie bei Ameos betrage das Monatseinkommen 2796,30 Euro. Die Differenz liege bei 545 Euro.
Und dann rufen die Streikenden: „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ameos uns die Kohle klaut.“ Es wird gepfiffen, getrommelt, trompetet, gesungen. Viele halten Plakate in den Händen. Wie dieses mit dem Satz: „Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich verdient habe.“ Oder: „Wir haben verdient, gut zu verdienen.“ Oder: „Wir sind nicht das Sparschwein von Ameos.“ Oder: „Gesundheit krepiert, weil das Kapital regiert.“ Oder einfach nur: „Ich bin so sauer, ich habe sogar ein Schild gebastelt.“
Ameos-Chef Axel Paeger hat gesagt, nur vier Prozent der Beschäftigten würden streiken – also 160 von 4000. Jetzt aber sind es viel mehr. Und so reimen sie lautstark, die Ameos-Leute: „Wir sind deutlich mehr als vier Prozent. Da hat einer in Mathe wohl gepennt.“
Bei der dreieinhalbstündigen Großdemo geben sich Landes- und Bundespolitiker ein Stelldichein. Stefan Gebhardt, gelernter Krankenpfleger, jetzt Landeschef der Linken, verspricht den Demonstranten „grenzenlose Solidarität“.
Für Cornelia Lüddemann, Grünen-Fraktionschefin im Landtag, ist es eine „bodenlose Schande“, dass sich die Ameos-Gruppe gegen einen Tarifvertrag sperrt. Lüddemann wiederholt ihre Forderung an den Bund: „Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, die Unternehmen im Gesundheitsbereich zwingt, ihre Gewinne im Unternehmen zu belassen. Keine Abführung an Aktionäre, Pensionsfonds oder sonst wohin. Denn Gesundheit darf keine Ware sein.“
SPD-Fraktionschefin Katja Pähle sagt, der Ameos-Konzern denke, er könne „hier den wilden Osten spielen“. Im Westen gibt es Tarifverträge. Auch sie fordert eine faire Bezahlung. Pähle räumt ein, dass in der Vergangenheit auch die SPD Fehler gemacht habe. „Wir haben zu wenig in Krankenhäuser investiert. Damit muss Schluss sein.“
Die Sozialdemokraten dringen auf ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm. Es steht eine Summe von 700 Millionen Euro im Raum. Die CDU hält das für nicht finanzierbar.
Auch die Christdemokraten solidarisieren sich nach anfänglicher Zurückhaltung mit den Amos-Beschäftigten. Der CDU-Landtagsabgeordnete Tobias Krull sagt, er vermisse bei Ameos die Bereitschaft zum Dialog. Kündigungen und Drohungen seien jedenfalls keine Mittel in einer Tarifauseinandersetzung. „Ich fordere Ameos auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“ Zuletzt hat auch Landeschef Holger Stahlknecht Ameos geraten, seine Unternehmensphilosophie zu überdenken.
Bei der Kundgebung schaut der CDU-Mann kurz vorbei.
Die AfD darf bei der von Verdi organisierten Kundgebung nicht auftreten. Das überrascht nicht. Das Verhältnis ist zerrüttet. Aus AfD-Reihen wird Verdi schon mal als „Verbrecherorganisation“ verunglimpft.
In Magdeburg ist Berliner Politprominenz bestens vertreten. So auch SPD-Bundeschefin Saskia Esken. Sie nennt das verhalten der Ameos-Gruppe „unanständig“. Kündigungen und Drohungen gegen streikende Beschäftigte seien inakzeptabel. „Hören Sie auf, die Rechte der Beschäftigten mit Füßen zu treten“, sagte sie in Richtung Ameos. „Verhandeln Sie einen Tarifvertrag.“ Der Bundesvorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, forderte Ameos auf, Kündigungen im Zusammenhang mit den Streiks zurückzunehmen. Das Agieren von Ameos sei skandalös.
Die stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende Elke Hanack wirft Ameos „skrupellose Management-Methoden und Profitgier“ vor. Sie spricht von der „ungezügelten Form des Kapitalismus in seiner hässlichsten Fratze“. Sylvia Bühler vom Verdi-Bundesvorstand sagt, Ameos bringe die Gesundheitsbranche in Verruf. Das Verhalten sei „unsäglich und antidemokratisch“.
Die Streiks werden weitergehen. Gewerkschafter Bernd Becker sagt: „Mir liegen noch immer keine Signale aus der Konzernspitze oder der regionalen Geschäftsführung vor, die uns zu einer Streikunterbrechung veranlassen könnten.“