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Floorball Die Kaderschmiede im Harz

Die Nachwuchsarbeit der Floorballer vom Wernigeröder SV "Rot-Weiß" wurden vom DOSB ausgezeichnet.

Von Anne Toss 17.11.2017, 00:01

Wernigerode l Ein Mittwochabend in der Stadtfeld-Halle in Wernigerode: An die 30 Kinder, allesamt nicht älter als elf Jahre, schwingen auf dem Spielfeld fleißig ihre Schläger, versuchen, einen durchlöcherten Plastikball im Tor unterzubringen. Drei davon gehören zur Familie Tropschug, der Älteste, Justin-Leon, steht zudem als Co-Trainer am Spielfeldrand. Der 16-Jährige ist eines der großen Floorball-Talente des Vereins „Rot-Weiß“, wurde zuletzt in die U-17-Landesauswahl der Herren berufen.

Und der Jugendliche hat in seiner Familie eine regelrechte Floorball-Begeisterung ausgelöst. Die geht sogar so weit, dass Vater Daniel unter dem Teppichboden im Kinderzimmer Parkett ausgelegt hat, damit seine vier Kinder auch zu Hause trainieren, sich gegenseitig Tricks zeigen können. „Man muss es leben und lieben. Und wir leben mit der Halle“, sagt Daniel Tropschug. Wenig verwunderlich also, dass er nur abwinkt und lacht, als er nach der Zeit gefragt wird, die Verein und Sport einnehmen.

Aus Vereinssicht sind die Tropschugs eine Vorzeigefamilie, die genau das kennzeichnet, was „Rot-Weiß“ mit seiner Nachwuchsarbeit erreichen will: Die Eltern als einen, wenn nicht sogar den wichtigsten Baustein im Gefüge des Vereinssports für sich zu gewinnen, um schlussendlich die Kinder an den Verein zu binden.

„Wir wollen nicht nur die Kinder betreuen, sondern auch, dass die Eltern mitmachen“, sagt Vereinsmanager Mario Vordank, der vor 20 Jahren die Abteilung Floorball – besser bekannt als die „Red Devils“ (roten Teufel) – in Wernigerode gegründet hat. Ob als Fahrer zu Auswärtsspielen oder beim Catering – der Verein ist auf die Unterstützung der Eltern angewiesen. Im Gegenzug können jene aber auch mitsprechen. In wenigen Tagen steht beispielsweise ein Elternabend an, da die späte Trainingszeit einer Jugendmannschaft Redebedarf erfordert.

Auch der DOSB, der den Verein jetzt im November mit dem Grünen Band – ein mit 5000 Euro dotierter Preis für vorbildliche Talentförderung – ausgezeichnet hat, betont bei der Ehrung die Vereinigung von „Professionalität mit einem familiären Touch“. Denn neben all der Heimeligkeit haben die jungen, roten Teufel in den vergangenen drei Jahren große Erfolge gefeiert, gleich 13 Mannschaften standen im Rahmen der deutschen Meisterschaften auf dem Treppchen. Aus der Kaderschmiede schaffen zudem regelmäßig Spieler den Sprung in die Nationalmannschaft, wie zum Beispiel Ramon Ibold. „Natürlich ist jetzt der Anspruch an uns selbst da, diese Qualität weiterzuentwickeln“, sagt Vordank.

Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Schulen und Kindergärten hat die Abteilung nicht mit einem Nachwuchs-problem zu kämpfen, im Gegenteil: 75 Prozent der 210 Mitglieder sind unter 18 Jahren alt. Auch Justin-Leon Tropschug ist mit neun Jahren durch eine Arbeitsgemeinschaft in der Grundschule auf Floorball aufmerksam geworden. „Als die AG beendet wurde, bin ich zum Verein gegangen, weil ich weitermachen wollte“, sagt der 16-Jährige.

Er hätte doch auch Fußball spielen können, wie so viele andere. „Ich bin aber nicht gerne draußen und Floorball spielt man ja immer in einer Halle“, sagt Justin-Leon und lacht. „Außerdem hat mich die Schnelligkeit und Aggressivität gereizt.“ Seit drei Jahren trainiert der Jugendliche nun selbst das U-11-Team mit, „einfach deshalb, weil ich will, dass die anderen auch solche Erfolge erleben dürfen wie ich“.

Für Mario Vordank sind Bundesligaspieler und junge Talente nämlich nicht nur zum Anhimmeln da – „sie sollen auch beim Nachwuchstraining dabei sein.“ Nationalspieler erhalten weiteren Input, den sie dann wiederum in ihren Heimatverein einbringen sollen. Zehn Teams sind zurzeit im Spielbetrieb aktiv, sieben davon allein im Jugendbereich. „In allen Gruppen ist mindestens ein Bundesligaspieler drin“, sagt Vordank.

Der Hintergedanke dabei sei auch, den jungen Spielern die Perspektive zu geben, dass sie selbst irgendwann in der Bundesliga spielen. „Ihnen zu sagen: ihr schafft das sowieso nicht, ist ja nicht Sinn der Sache. Dafür machen wir das hier ja überhaupt“, sagt Vordank und zeigt auf die inzwischen recht verschwitzten Kinder.

Doch auch wenn stetig Nachwuchs zu dem Verein kommt, oft bleibt er eben nicht – und zwar meist dann, wenn die Spieler vom Alter und Können her die Erwachsenen-Mannschaften am besten unterstützen könnten. „Es wird schwierig, sobald die Jugendlichen mit ihrer Schulbildung fertig sind. Da gehen uns viele Spieler verloren, weil sie von dem 36.000-Einwohner-Kaff erst einmal die Schnute voll haben“, sagt Vordank. „Wenn wir merken, dass einer nicht wirklich weg will, nutzen wir unser Netzwerk aus Sponsoren, um eine Lösung zu finden.“ Das könne zum Beispiel ein Studiengang an der Hochschule Harz oder eine Ausbildungsstelle bei einem der Kooperationspartner sein.

Die 15-jährige Julia Diesener, die bereits im U-19-Nationalteam der Damen mitspielt, träumt davon, einmal in Schweden, dem Geburtsland des Floorballs, zu spielen. „Das ist kein Vergleich zu dem Floorball, das wir in Deutschland spielen“, sagt Diesener. „Da geht es einfach härter zur Sache.“ Falls es die 15-Jährige irgendwann wirklich ins Ausland verschlagen sollte, bleibt Mario Vordank immerhin der Trost, dass sie der Randsportart zu weiterer Bekanntheit verhelfen wird.