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Geigenbau Die Suche nach dem perfekten Klang

Martin Banditt baut und repariert in Magdeburg Streichinstrumente und knüpft an den Stil des Italieners Antonio Stradivari an.

21.10.2015, 23:01

Magdeburg l Antonio Stradivari war ein Meister. Seine Geigen sind heute ein Vermögen wert. In Magdeburg baut und repariert Martin Banditt die Streichinstrumente nach dem Vorbild des Italieners. Der Weg zur eigenen Werkstatt war schwer, denn Ausbildungsplätze in dem alten Handwerk sind rar.

Geigenbauer sind Geheimnisträger. Jahrhundertelang haben die Instrumentenbauer Erfahrungen und Wissen um das klingende Holz nur innerhalb der Familie weitergegeben. Der Zugang in den Kreis der seltenen Zunft war für Außenstehende nahezu unmöglich. Das hat sich bis heute kaum geändert. Deutschlandweit gibt es zwar bis zu 500 Geigenbauer, schätzt der Berufsverband. Doch nur wenige Betriebe bilden aus. Einblick in die Handwerkskunst erhält der Nachwuchs in den zwei Zentren des Geigenbaus in Deutschland: Berufsschulen im bayerischen Mittenwald und im sächsischen Klingenthal führen Auszubildende in das traditionsreiche und seltene Handwerk ein.

In Magdeburg ist Martin Banditt heute der einzige Geigenbauer. In seiner Werkstatt im Magdeburger Stadtteil Stadtfeld-Ost hängen die Vorbilder der Zunft als Poster an der Wand. Die Geigen der Baumeister Nicola Amati, Antonio Stradivari und Giuseppe Guarneri aus dem norditalienischen Cremona haben schon vor rund 300 Jahren mit wohlig-warmen Tönen verzückt. Banditt sagt: „Ich baue nach dem Vorbild der alten italienischen Meister. Aber jeder Geigenbauer muss seinen eigenen Stil finden.“

Banditt ist noch auf der Suche nach dem einzigartigen Klang, der seine Geigen auszeichnet. Denn zu selten kommt er dazu, an eigenen Instrumenten zu feilen. „Der Geigenbau ist nicht mein Hauptgeschäft. Mein Geld verdiene ich mit der Reparatur und der Restaurierung von Streichinstrumenten“, erklärt der 37-Jährige. Banditt hat viele Stammkunden. Orchestermusiker der Magdeburgischen Philharmonie lassen ihre Instrumente in seiner Werkstatt warten und reparieren. Hinzu kommt der Verleih von Geigen an Musikschüler.

Sieben Jahre sind vergangen, seitdem sich Banditt als Geigenbauer in Magdeburg niedergelassen hat. „Damals hat es auch Zeiten gegeben, in denen ich nicht viel zu tun hatte“, sagt er. Mit 30 Jahren kehrt Banditt in die Stadt zurück, in der er die Liebe zur Musik entdeckte.

Er wächst in einer musikalischen Familie auf. Schon als Kind singt er im Kinderchor, lernt Flöte spielen. Später – mit 15 Jahren – bekommt er von seinen Eltern ein Cello geschenkt und verliebt sich in den Klang von Streichinstrumenten. Während eines Praktikums bei einem Geigenbaumeister in Hamburg entdeckt er seine Leidenschaft für das Bearbeiten von Holz. Nach dem Abitur bewirbt Banditt sich bei den Schulen in Mittenwald und Klingenthal – und wird abgelehnt. Heute sagt er: „Der Nachwuchs hat es schwer. Ausbildungsplätze bei Geigenbauern gibt es kaum. Kein Meister will sich seine eigene Konkurrenz ausbilden.“

An den beiden deutschen Geigenbauschulen gibt es jährlich nur 18 Plätze: zwölf in Mittenwald, sechs in Klingenthal. Die Anforderungen sind hoch. Bewerber müssen nachweisen, dass sie mindestens zwei Jahre lang regelmäßig auf einem Streichinstrument unterrichtet worden sind, müssen eine Geigenschnecke aus zwei Perspektiven zeichnen können und eine ärztliche Bescheinigung zu Seh- und Hörvermögen mitbringen. Während der Aufnahmeprüfung spielen die Anwärter ein Musikstück vor und müssen beweisen, dass sie unterschiedliche Hölzer am Klang erkennen.

Martin Banditt bekommt im zweiten Anlauf von der Schule in Klingenthal eine Zusage. Doch der Magdeburger wählt einen anderen Weg und geht nach England. Am renommierten Newark and Sherwood College in der Nähe von Nottingham wird Banditt ab 1998 in die Geheimnisse des Geigenbaus eingeweiht.

Vier Jahre später zieht er nach Berlin. Bei einem Geigenbaumeister erhält Banditt eine Anstellung als Geselle. Dort repariert und restauriert er die Streichinstrumente. Wie viele Geigenbauer lebt auch dieser Betrieb vor allem von Reparaturen. Ein Geschäft, das sich lohnt: „Gute Geigen sind teuer und werden sehr alt. Die Instrumente lassen sich gut reparieren. Viele Teile lassen sich austauschen oder restaurieren“, sagt Banditt. Bis 2008 bleibt er in Berlin, dann zieht er zurück in seine Geburtsstadt.

In Magdeburg sitzt Martin Banditt heute in seiner Werkstatt. Durch das Fenster zum Hof fällt warmes Sonnenlicht. Es riecht nach altem Holz. Aus einem Plattenspieler erklingt Musik. Hobel, Feilen und Sägen liegen auf einer Arbeitsfläche. 200 Stunden dauert es, bis ein Kunde seine eigene Geige in den Händen hält. Bis dahin sind zahlreiche Arbeitsschritte nötig – und viel Hingabe. „Geigenbauer ist mehr eine Berufung als ein Beruf. Für mich ist es wichtig, dass ich meine Liebe zur Musik und die Bearbeitung von Holz miteinander verbinden kann“, erzählt Banditt.

Denn über den Klang des Instrumentes entscheidet vor allem das Holz. Für die Geigendecke verwendet Banditt Fichte. Das Griffbrett ist aus Ebenholz, für die restlichen Teile verarbeitet er Ahorn. Die Seitenwände der späteren Geige formt Banditt zunächst mit einem Biegeisen. Boden und Decke sägt er nach einem von Schablonen vorgegebenen Umriss aus. Vorbilder für die Formen sind die Modelle der alten Geigenbaumeister, ebenso bei Bassbalken, Wirbel und Schnecke.

Charakteristisch für ein Instrument sind die Schallöffnungen, die sogenannten F-Löcher. Zum Schluss wird das Holzinstrument lackiert. Rund 10 000 Euro kostet ein neues Instrument aus der Banditt-Werkstatt. Den Kaufpreis alter Geigen, speziell jener der italienischen Meister wie Stradivari und Guarneri, hält der Magdeburger Geigenbauer für maßlos übertrieben. „Sammler überbieten sich gegenseitig, nur um eine Stradivari zu besitzen. Gespielt wird auf den Instrumenten hingegen nicht“, beklagt Banditt. Bisher hat er in seinem Leben zehn Geigen gebaut. Auch die Streichinstrumente aus der Banditt-Werkstatt sind also echte Raritäten.