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Nach der Sicherungsverwahrung leben zwei Vergewaltiger in der Altmark Ein Dorf in Aufruhr - doch Ex-Häftlinge wollen bleiben (Teil 2)

20.08.2011, 04:26

(Fortsetzung)

Dass sich Otto Karl und Egon Stahl in Insel "festsetzen", wollen viele der Einwohner allerdings verhindern. Die Meinungen sind eindeutig.

"Für die Kinder ist es besser, wenn die Männer das Dorf wieder verlassen würden. Vielleicht hat wirklich jeder eine zweite Chance verdient, aber hier ist nicht der richtige Ort dafür", sagt Siegrun Zahn aus Insel mit Bestimmtheit. Auch viele andere im Ort würden darauf warten, dass die Männer "endlich wieder verschwinden". Das Leben im Ort habe sich verändert, seitdem die Ex-Häftlinge da sind, meint die Rentnerin. Es sei totenstill auf den Straßen geworden, viele würden sich nicht mehr raus trauen. "Und das trotz der Ferienzeit."

Auch Edmund Missal ist sich sicher: "Auf jeden Fall sollen die Männer wieder gehen." Er sei außer sich gewesen, als er gehört hat, dass zwei Sexualstraftäter nach Insel gezogen sind. "Ich mache mir vor allem Sorgen um das Wohl meiner Enkelkinder." Vor allem quälen ihn Fragen danach, warum das Land Sachsen-Anhalt diese Ex-Häftlinge aufgenommen hat. "Wieso lässt man sie hier rein?", fragt er.

Entgegengesetzter Meinung ist eine Mutter aus Insel, die ihren Namen nicht nennen will: "Sie brauchen eine Chance. Wo sollen sie denn hin? Überall werden sie nur vertrieben", sagt die Frau. Auch ihre 15-jährige Tochter sei dieser Meinung.

Dass jeder eine zweite Chance verdient hat, meint auch die zweifache Mutter Anja Haegler aus Insel: "Doch in einem kleinen Dorf ist das schwierig. Und wenn man an das Wohl seiner eigenen Kinder denkt, bekommt man schon Angst." Momentan, so sagt sie, sei sie vorsichtiger geworden. Ihren fünfjährigen Sohn lasse sie vorerst nicht allein durchs Dorf laufen.

Erika Kudling wohnt in direkter Nachbarschaft zu Otto Karl und Egon Stahl. Die beiden würden immer freundlich grüßen, sagt er. Willkommen im Ort seien sie ihrer Meinung nach trotzdem nicht. "Ich bin dafür, dass sie wieder gehen", sagt die Rentnerin. Sie habe erst durch die Zeitung vom Dasein der beiden Ex-Häftlinge erfahren. "Ich traue mich im Dunkeln nicht mehr raus", sagt sie.

Die Geschwister Claudia und Martina Hübener sagen, dass sie darauf hoffen, dass die beiden Männer bald wieder gehen. "Vor allem hoffe ich das wegen meiner Kinder", sagt die besorgte zweifache Mutter Martina Hübener. Claudia Hübener hat in den vergangenen Tagen eine Veränderung in ihrem Umfeld festgestellt: "Es herrscht mehr Angst", sagt sie.

Seit einigen Tagen wechseln sich vor der Tür von Karl und Stahl die Funkwagenbesatzungen der Polizei ab. Doch nicht, weil die akute Gefahr besteht, dass die Männer aus Baden-Württemberg nachts um die Häuser schleichen, sondern um die 64- und 54-Jährigen vor Übergriffen zu schützen.

Dass sich selbst gestandene Polizisten Gedanken machen, beweist das Beispiel des Vizepräsidenten der Polizeidirektion Nord in Magdeburg, Günter Romanowski. Der Mann aus Uenglingen (Ortsteil von Stendal), der bereits vor Wochen eingeweiht war, sagte während der Einwohnerversammlung: "Ich habe vollstes Verständnis für ihre Sorgen. Ich habe meine 14 Jahre alte Tochter während ihres Praktikums vor zwei Wochen regelmäßig nach Insel gefahren. So war ich beruhigt."

Karl und Stahl fühlen sich herumgehetzt, "von einem Ort zum anderen gejagt".

"Was haben wir denn noch? Nix. Irgendwann muss die Sache doch mal zu Ende sein", sagt Karl. Die Politik habe Mist gebaut, indem sie die Sicherungsverwahrung als bequeme Form des Dauerwegschluss angesehen hat, ergänzt sein Mitbewohner "Und wir müssen die angebrannte Suppe jetzt auslöffeln."

Es habe bereits einige Schimpfattacken gegen sie gegeben, meinen beide. "Am Mittwoch hat mich ein Mann aus seinem Auto beschimpft: ¿Verschwindet hier. Wir wollen euch hier nicht haben!\'"

Und auf dem Rückweg von Stendal, wo er eingekauft habe, sei er von einem Autofahrer verfolgt worden, winkt Stahl ab. "Wir belästigen keinen im Ort. Und wir wollen selbst nicht belästigt werden. Wer etwas über uns wissen will, wer Fragen hat, kann jederzeit bei uns klingeln."

Hausvermieter Edgar von Cramm hatte den Bürgern Gespräche mit den Ex-Häftlingen vorgeschlagen. Doch das lehnten die Menschen des Ortes während der Einwohnerversammlung geschlossen ab.

Stendals Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) und Ortsbürgermeister Alexander von Bismarck sind sich einig: "Es kann nur eine Möglichkeit geben. Die Männer müssen woanders hinziehen."

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