"Emily"-Prozess Eine Vielzahl blauer Flecken
Ein massives Hirnödem war die Ursache für den Tod der kleinen Emily aus Bismark, sagten zwei Gutachter am vierten Prozesstag.
Stendal l „Schütteln ist als Todesursache wahrscheinlicher als Schläge, weil dafür typische Prellmarken fehlen“, sagte Michael Mawrin, Direktor des Instituts für Neuropathologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, am Montag im Prozess vor dem Landgericht Stendal um den Tod der kleinen Emily aus Bismark bei Stendal.
Das kleine Mädchen war am 2. Februar 2015 in die Uniklinik Magdeburg eingeliefert worden, wo sie am 6. Februar nach Abschaltung der Maschinen mit nur 18 Monaten an schweren Kopfverletzungen verstarb. Ziehmutter Katja B. (20) ist der Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt, ihr damaliger Lebenspartner und Emilys leiblicher Vater, Patrick F. (30), soll die Misshandlungen billigend in Kauf genommen haben.
Mawrin sieht ein massives Hirnödem als Todesursache. Stürze aus einem Kinderstuhl und auf Bauklötze seien nicht geeignet, derartige Hirnschäden hervorzurufen. Die schweren Verletzungen seien zwei bis drei Tage vor Emilys Tod entstanden, so Mawrin. Knut Brandstädter, zweiter Gutachter im Fall Emily, schloss die Einwirkung stumpfer Gewalt als Todesursache alternativ zum Schütteln nicht aus. Der Facharzt für Rechtsmedizin am Institut für Rechtsmedizin der Otto-von-Guericke-Universität vermutet eine Überlagerung von Schütteln und Schlägen. Keinesfalls jedoch seien einige der Verletzungen an Emilys Kopf aber mit Stürzen oder spielerischem Umgang mit Bauklötzen zu erklären, wie es die Angeklagte gegenüber Zeugen mehrfach bekundet haben soll. Im Prozess schweigt sie bislang.
Während für den Neuro-pathologen Mawrin die inneren Verletzungen im Fokus standen, hatte Rechtsmediziner Brandstädter zunächst die äußeren im Gesicht von Emily untersucht. Demnach hatte sie bei der Einlieferung in die Uniklinik am 2. Februar blaue Flecken unterschiedlichen Alters und Stärke an Stirn, Augenlidern, Wange, Ohr und Oberarm. Eine augenärztliche Untersuchung durch Kollegen habe laut Rechtsmediziner zudem den Verdacht auf ein „Schütteltrauma“ erhärtet.
Brandstädters Gutachten zufolge sind die äußerlich sichtbaren Verletzungen vier bis acht Tage vor dem Hirntod entstanden. Die am 9. Februar von ihm durchgeführte Obduktion habe schwerste Hirnschäden ergeben, wobei keine Schädelfraktur festgestellt wurde, die auf einen schweren Sturz hindeuten könnte. Eine Hausärztin aus Bismark sagte als Zeugin aus, dass sich die Angeklagte bei ihr als Vertretungsärztin mit Emily schon am 5. Januar vorgestellt habe. Das Kind habe schläfrig gewirkt und geweint. Auffällig gewesen seien Hämatome im Gesicht des Mädchens. Auf mehrfache Nachfrage habe die Angeklagte gesagt, sie wisse nicht, woher die blauen Flecken stammen. Emily sei übers Wochenende bei ihrer Oma gewesen.
Sie habe Katja B. einen Einweisungsschein für das Krankenhaus in Gardelegen (Altmarkkreis Salzwedel) mitgegeben, um die Verletzungen abzuklären, sagte die Ärztin weiter aus. Und sie habe die Kollegen im Krankenhaus angerufen, wegen des Verdachts auf häusliche Gewalt. Eine Rückmeldung aus dem Krankenhaus habe sie nicht erhalten. Wahrscheinlich war Katja B. mit Emily nie dort.
Überraschend erschien am gestrigen Montag eine 17-Jährige als Zeugin. Zweimal hatte die gute Bekannte der Angeklagten an vorherigen Prozesstagen unentschuldigt gefehlt. Weil sie dafür keinen triftigen Grund nennen konnte, muss sie nun ein Ordnungsgeld von 300 Euro zahlen oder ersatzweise sechs Tage in Ordnungshaft. Sie galt bislang als Hauptbelastungszeugin. Vor der Polizei hatte sie im Ermittlungsverfahren ausgesagt, dass sie gesehen hätte, dass Emily mehrfach von der Ziehmutter geschlagen und geschüttelt wurde. Das relativierte sie nun auf eine Ohrfeige, zwei blaue Flecken und eher sanftes Wiegen denn Schütteln.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit erstattete am Montag noch Gerichtspsychiater Dr. Mohammad Hasan sein Gutachten über die Angeklagte. In der Fortsetzung am Freitag, 21. August, sollen drei Zeugen aus dem Umfeld der Angeklagten aussagen.