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Einsatzgruppe SEK findet keine Verstärkung

Der Aufbau einer weiteren Einsatzgruppe von Sachsen-Anhalts Spezialeinsatzkommando scheitert an steigenden Anforderungen und am Personal.

Von Matthias Fricke 28.12.2018, 00:01

Magdeburg l Es sind brisante Einsätze wie jener am 26. September dieses Jahres in Klein Wanzleben, bei denen Sachsen-Anhalts Polizisten lieber gleich das Spezialeinsatzkommando rufen. Bei einem 43-jährigen mutmaßlichen Reichsbürger und ehemaligen Jäger vermuten die Beamten scharfe Waffen im Haus. Sie sprechen ihn deshalb auf der Straße in einem günstigen Moment an, dann erfolgt blitzschnell der Zugriff. Der Mann hat zur Gegenwehr keine Chance. Es hätte aber schlimm enden können. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung finden die Polizisten neben einer scharfen Pistole auch ein Sturmgewehr G3 mit Schalldämpfer und jede Menge Munition.

Nicht immer läuft alles so glatt, wie in diesem Fall. So schoss vor etwa zwei Jahren bei einer Durchsuchung ein 49-jähriger Mann im bayerischen Georgensgmünd um sich und verletzte vier SEK-Beamte. Einer erlag nur Stunden später seinen Verletzungen. „In Sachsen-Anhalt gab es zum Glück noch keinen tödlich verletzten SEK-Beamten“, erklärt Andreas von Koß, Sprecher beim Landeskriminalamt (LKA). Dennoch werden jedes Jahr immer wieder Beamte bei den „Einsätzen mit erhöhtem Bedrohungspotenzial“ auch verwundet. Allein in den vergangenen vier Jahren wurden zwölf Beamte im Dienst zum Teil schwer verletzt, zwei durch einen Schuss getroffen.

Der letzte schwere Vorfall in Sachsen-Anhalt war im Juli vergangenen Jahres in Weddersleben im Landkreis Harz. Ein 28-jähriger Mann, illegaler Waffensammler, bedrohte erst seine Familie und schoss dann mit einer Kalaschnikow AK 47 einem SEK-Beamten ins Bein. Die Beamten erwiderten das Feuer. Der Mann wird getötet. Er ist einer von zwei bei Einsätzen getöteten Verdächtigen in den vergangenen drei Jahren. Insgesamt wurden in dieser Zeit 37 Menschen verletzt. „Unbeteiligte kamen aber nicht zu Schaden“, so der LKA-Sprecher.

In diesem Jahr kam es bis Mitte Dezember noch zu keiner Schussabgabe bei den insgesamt 111 Einsätzen. Vier Beamte wurden allerdings im Dienst leicht verletzt, zwei davon durch einen Hundebiss. Andreas von Koß: „Am häufigsten müssen die Beamten im Zusammenhang mit Durchsuchungen wegen des Verdachts auf Verstößen gegen das Waffengesetz, Raubstraftaten oder Bedrohungenslagen ausrücken.“

Die Anforderungen an die SEK-Kräfte seien enorm hoch, erklärt der Direktor des Landeskriminalamtes Jürgen Schmökel. Die Polizisten müssen sich von Hubschraubern abseilen können, als Präzisionsschützen im Ernstfall auch Ziele in weiterer Entfernung sicher treffen und bei Terrorangriffen und Geiselnahmen den Täter schnell ausschalten. Schmökel: „Das Geschäft ist komplexer geworden.“ Aus diesem Grund sollte bereits in diesem Jahr schon eine weitere vierte Einsatzgruppe aufgebaut werden. Doch an der Personalsituation hat sich bisher nichts geändert. Aktuell gibt es etwa 50 Beamte, doch 70 werden eigentlich benötigt.

Die Bewerber für das SEK werden aus den eigenen Reihen der Polizeibehörden rekrutiert. Dabei gebe es durchaus Interessenten, doch nicht alle bestehen den harten Aufnahmetest. Hinzu komme laut Schmökel eine Fluktuation, die es so vor einigen Jahren noch nicht gegeben habe. Der harte Job bedeute auch Verzicht im privaten Umfeld. Wer Bereitschaft habe, muss zum Beispiel in der Region Magdeburg sein, um die sogenannte X-Zeit zu schaffen. Das ist die Zeitspanne zwischen Alarmierung und dem Eintreffen in der Dienststelle. Wer in Halle wohnt, komme damit schon nicht in Frage. Zurzeit sei man deshalb froh diese Fluktuation auszugleichen, vom Aufstocken des Personals könne noch keine Rede sein. Aus diesem Grund wolle man im nächsten Jahr verstärkt schon in der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben um die künftigen Spezialkräfte werben und sie bis zu den Eignungstests und der Ausbildung durch Mentoren begleiten.

Der finanzielle Anreiz für SEK-Beamte hält sich übrigens in Grenzen: Es gibt in Sachsen-Anhalt eine Erschwerniszulage in Höhe von 225 Euro im Monat. Wer länger als sieben Jahre im SEK arbeitet, erhält ab dem 8. Dienstjahr einen Monat Lebensarbeitszeit angerechnet. Wer also zehn Jahre beim SEK ist, muss künftig statt bis zum 62. Lebensjahr nur noch bis 61 Jahre und neun Monate arbeiten.