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EinwohnerstatistikSachsen-Anhalts Kleinstädte schrumpfen

Immer mehr Sachsen-Anhalter ziehen in kleine und mittlere Städte, etwa nach Wernigerode. Trotzdem sinken dort die Einwohnerzahlen.

Von Christoph Zempel 14.07.2018, 01:01

Magdeburg l Ob Haldensleben oder Wernigerode – kleine und mittlere Städte in Sachsen-Anhalt werden als Wohnorte beliebter. Jedenfalls ziehen mehr Menschen dort hin als von dort weg. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Landes- und Stadtentwicklung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Fachleute haben mit Daten der Statistischen Landesämter die Binnenwanderung zwischen 2006 und 2015 für kleine und mittlere Städte Deutschlands untersucht.

Größter Gewinner unter den mittleren Städten in Sachsen-Anhalt ist Wernigerode. Rund 250 Zuzüge je 1000 Einwohner gab es im Jahr 2015. Auch Kleinstädte wie Haldensleben profitieren von dem Trend. Rund 46 Zuzügler je 1000 Einwohner – so lautete die Bilanz 2015.

Nicht nur Wernigerode und Haldensleben zeigen, dass es einen Zuzugs-Trend bei Mittel- und Kleinstädten gibt. Nahezu alle Städte in Sachsen-Anhalt haben in den vergangenen Jahren ein Zuwanderungsplus. Während Wernigerode vor allem wegen der attraktiven Lage Menschen in die Stadt locken kann, bietet Haldensleben viele Arbeitsplätze.

Doch trotz der vielen Zuzüge schrumpfen die Städte konstant. Hauptproblem: Es werden nicht genügend Babys geboren. Zugleich stirbt die alternde Bevölkerung weg.

Zu den größten Verlierern in Sachsen-Anhalt gehört dabei Sangerhausen. Ausgehend von 2015 muss die Stadt bis 2030 mehr als 5000 Einwohner einbüßen. Fast genauso schlimm trifft es Staßfurt. Über 4000 Einwohner weniger könnten es 2030 sein. Prozentual verliert auch Osterburg sehr viele Menschen. In 15 Jahren 1200 Bürger weniger: Für eine Kleinstadt ein enormer Sinkflug.

Einzig Magdeburg und Halle können sich freuen. Sie schafften seit 2006 die Trendwende. Bezahlbare Mieten, viele neue Wohnungen und eine gute Infrastruktur: Sie sind die Gewinner. Das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt prognostiziert für Magdeburg einen konstanten Bevölkerungszuwachs. Waren es 2006 noch 229.826, könnten es 2030 241.056 sein. Auch Halle hat in den vergangenen Jahren zugelegt. Allerdings nicht so sehr wie Magdeburg. Bis 2024 soll die Einwohnerzahl auf 240.765 steigen. Doch dann geht es wieder bergab. 2030 sollen es nur noch 238.551 sein.

Mehr noch als Magdeburg und Halle profitiert derzeit Wernigerode von Zuzügen. Knapp 250 gab es je 1000 Einwohner im Jahr 2015 und nur etwa 223 Fortzüge. Daraus ergibt sich ein Zuwanderungsplus von rund 26 Zuzügler pro 1000 Einwohner. Schon seit 2010 hält dieser Trend an. Das zeige sich nicht zuletzt an der Nachfrage für Mietwohnungen und Eigenheime, sagt Stadtsprecher Tobias Kascha.

Der Leerstand sei gering. „Wir freuen uns darüber, da es doch zeigt, dass wir mit einigen Maßnahmen als Kommune nachhaltig erfolgreich sind“, sagt Tobias Kascha. Verantwortlich dafür macht er unter anderem das Begrüßungsgeld für Studenten, die ihren Wohnsitz nach Wernigerode verlegen. Zudem soll unter Federführung des Landkreises Harz Ende des Jahres ein sogenannter Rückkehrertag stattfinden. Dort sollen Menschen, die den Harz verlassen haben, wieder für den Landkreis gewonnen werden. Überdies sieht Kascha Wernigerode als beliebtes Reiseziel. Auch die Anbindung an Niedersachsen sowie seine Kultur und Natur macht er als Gründe für Wernigerodes Attraktivität aus. Und mit seiner Hochschule ziehe die Stadt sogar jüngere Menschen in die Gegend.

Auf den ersten Blick scheint Wernigerode ein Leuchtturm der Attraktivität in Sachsen-Anhalt zu sein. Gäbe es da nicht zugleich ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen Geburten und Sterbefällen. Auf je 1000 Einwohner kamen 2015 knapp sieben Geburten und 14 Sterbefälle. An dieser Entwicklung wird sich Prognosen des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt zufolge nichts ändern. Das kann auch der Zuzugs-Trend nicht aufwiegen, obwohl der „deutlich über dem Landkreis- sowie Landesdurchschnitt liegt“, so Stadtsprecher Kascha. Und der Trend wird laut den Prognosen nicht anhalten. So bleibt unterm Strich ein Bevölkerungsminus. 

Die Zahlen, die die Bertelsmann-Stiftung für das Jahr 2015 erhoben hat, wurden aus den Mittelwerten der Jahre 2012 bis 2015 gebildet. Ein Blick allein auf diese vier Jahre zeigt, dass die Einwohnerzahl in dieser Zeit der offiziellen Statistik zufolge um 602 Menschen zurückgegangen ist. Von 33.710 im Jahr 2012 auf 33.108 im Jahr 2015. Bis 2030 wird diese Zahl laut dem Statistischen Landesamt Sachsen-Anhalt auf 29.019 Einwohner sinken.

Wie lässt sich dem Negativ-Trend entgegenwirken? Wernigerode wolle sich darum bemühen, gerade für junge Menschen ein attraktives Arbeits- und Wohnumfeld zu bieten, sagt Kascha. Das ginge nur mit gemeinschaftlichem Engagement. Auch wenn der bürgerliche Einsatz positiv sei, Bildungseinrichtungen, Wirtschaft und ehrenamtliche Arbeit müssten weiterhin gebündelt dafür sorgen, die Entwicklung zu bekämpfen, fordert Kascha.