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Ernte 2020 Ein Körnchen Hoffnung

Die Winterweizenernte hat in Sachsen-Anhalt vielerorts begonnen. Die Bauern sind leicht optimistisch.

Von Bernd Kaufholz 17.07.2020, 01:01

Wolmirstedt l Der Landwirt kann sich nur zu gut an den Sommer vor zwei Jahren erinnern. Als er kopfschüttelnd auf den Feldern der Agrargenossenschaft Wolmirstedt stand und die Welt nicht mehr verstanden hat. „Die Böden von der Trockenheit aufgerissen, der Mais fast ohne Kolben, kaum Körner im Weizen“, sagt Tom Borchert. In diesem Jahr sehe es gut aus, nicht sehr gut, aber gut.

Der Betriebsleiter nimmt auf dem „Rüsterberg“ vor den Toren Wolmirstedts eine Garbe Wintergerste in die Hand. „Na klar, nach dem Regen der vergangenen Tage sind die Halme nass, aber die Körner sehen doch sehr gut aus“, schüttet er sich einige, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, in die Hand. Auf eine Prognose, wie die Ernte 2020 ausfallen wird, will sich der 32-Jährige kurz vor dem Erntestart auf den Feldern der Agrar GmbH Wolmirstedt allerdings nicht einlassen. „Erst, wenn das erste Getreide auf dem Hänger liegt, gibt es eine Richtung.“ Nur so viel: „75 Dezitonnen pro Hektar sind gut, alles darüber schön.“

Olaf Feuerborn, Präsident des Bauernverbands Sachsen-Anhalt, lehnt sich da schon etwas weiter aus dem Fenster. „Zwar hat der kühle Mai im Gegensatz zu 2018 und 2019 vielen Pflanzenbeständen durch die Trockenheit geholfen, doch insgesamt hat das Getreide auf das niedrige Bodenwasser reagiert.“ Konkret bedeute das, dass es weniger Halme gibt und weniger Körner.

Doch nicht nur der niedrige Grundwasserspiegel mache den Kulturen zu Schaffen. „Auch die Frostschäden sind nicht zu übersehen. Bei Gerste, Roggen, Weizen und Raps rechnen viele Betriebe mit 15 bis 25 Prozent weniger Ertrag als im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2018“, sagte Feuerborn beim Vorernte-Gespräch mit den Landhändlern.

Wenn sich Tom Borchert auch nicht entlocken lässt, wie die diesjährige Ernte ausfallen wird, weiß er doch noch ganz genau, dass der Verlust 2018 etwas unter 30 Prozent zu Normaljahren lag. „Knapp das Ziel verfehlt“, sagt er mit etwas säuerlicher Miene. „Ab 30 Prozent minus wäre die Agrar GmbH nämlich in den Genuss der Dürrehilfe gekommen.“ Letztlich habe es geheißen: „Mund abwischen“ und optimistisch in die Zukunft schauen. Und dieser Schuss Optimismus klingt dann auch durch: „Für unsere Region war unser Ertrag 2018 zwar unterdurchschnittlich, aber letztlich doch nicht so katastrophal, wie wir zuerst befürchtet hatten.“

Borchert ist mit Herz und Seele Landwirt. „Mein Opa war bis 1989 in der LPG ,1. Mai‘ Wolmirstedt. Deshalb habe ich mich wohl schon als Kind für die Landwirtschaft interessiert.“

Exakt zum Namen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft passend haben am 1. Mai 1990 fünf ehemalige LPG-Mitglieder den Betrieb als Gesellschafter übernommen. 2012 wurde er verkauft und ein Jahr später wurde Borchert Betriebsleiter.

„Der Kreis hat sich geschlossen. Dort, wo mein Opa die Felder bestellt hat, wächst jetzt das Getreide der Agrar GmbH“, sagt der gebürtige Wolmirstedter.

Der Landwirtschaftsbetrieb hat 1500 Hektar Acker. „Auf rund zwei Dritteln der Fläche haben wir in diesem Jahr Winterweizen angebaut, auf 115 Hektar Winterroggen, auf 100 Hektar Wintergerste. Dazu kommen noch einmal 80 Hektar Winterraps und 26 Hektar Hafer.“

Nach EU-Vorgaben sind die restlichen Äcker sogenannte Stilllegungsflächen. Ein agrarpolitisches Instrument, um die Menge landwirtschaftlicher Produkte auf dem Markt zu steuern.

Bauernverbandschef Feuerborn meint, dass die Juni-Regentage für den Winterweizen „noch etwas gebracht“ haben. Insgesamt bleibe es jedoch „deutlich zu trocken“. Das zeige sich besonders beim Raps, bei dem sich eine „Notreife“ abzeichne.

Und auch Borchert ist davon überzeugt, dass der Regen im Juni „für den Winterweizen Gold“ war. Aber für den Roggen zu spät gekommen sei.

„Doch der Regen hat für den Grundwasserspiegel nicht viel gebracht. Wir müssten mal wieder ein richtig feuchtes Jahr haben“, wünscht er sich. „Der Regen, den wir hatten, reicht gerade mal aus, die Oberfläche zu bewässern. Das ist zwar gut, aber bis zum Grundwasser gelangt das Wasser nicht.“

Dass Sachsen-Anhalt in großen Teilen beim Dürremonitor im tiefroten Bereich liegt, ist kein Geheimnis und auch die aktuellen Zahlen der Messstellen des Landesbetriebs für Hochwasserschutz sind nicht wirklich ermutigend. So liegt der Grundwasserspiegel an den meisten Messstellen weit unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre.

Betriebsleiter Borchert glaubt nicht, dass sich die Situation in den kommenden Jahren stark verbessern wird. „Nur auf den lieben Gott zu warten, das hilft uns Bauern nicht weiter. Wir müssen schon selbst dafür sorgen, dass die Pflanzen auf unseren Felden nicht verglühen wie 2018 der Raps.“

Ein Mittel gegen die Dürre sei, dass Ernterückstände auf den Feldern bleiben. „Ähnlich wie bei Mulch im eigenen Garten halten sie die Feuchtigkeit im Boden und wenn sie verrotten, bildet sich Humus.“ Deshalb baue der Agrarbetrieb auch keinen Silomais mehr an und sei auf Körnermais umgeschwenkt. Auch das Kalken habe einen großen Effekt und sei zugleich preiswert. „Kalken erhöht das Wasserspeichervermögen“, sagt der Landwirt.

Und die Felder bewässern? „Zu kurz gesprungen“, so der Fachmann. „Wo kommt das Wasser denn her? Aus dem Grundwasser. Und dadurch sinkt der Spiegel immer weiter ab.“

Borchert, der eingefleischte FC-Magdeburg-Fan, hat nie daran gedacht, vor den Wetterunbilden zu kapitulieren. „Dafür macht mir der Beruf zu viel Spaß. Es gibt doch kaum Schöneres, als Saat in die Erde zu bringen und daraus eine Pflanze entstehen zu sehen, die man ernten kann. Das macht für mich den Reiz aus.“