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EU-Austritt Die Zukunft des Brexits

Unser Gastautor aus London berichtet über sein Leben in Sachsen-Anhalt und ist vom geplanten EU-Austritt Großbritanniens nicht begeistert.

Von Paul Kilbey 09.02.2019, 23:01

Magdeburg l Wo auch immer ich derzeit hingehe, wird mir die Frage gestellt: „Also, wie geht es jetzt mit dem Brexit weiter?” Obwohl mir diese Frage ständig gestellt wird, weiß ich nie genau, wie ich darauf reagieren soll, ohne vor Wut über die britische Regierung loszuschreien. Deshalb hier der schriftliche Versuch einer Antwort.

1. Brexit heißt Brexit
Als Theresa May 2016 gewählt wurde, hat sie gesagt: „Brexit heißt Brexit“. Das ist rein theoretisch keine Lüge. Aber stellt euch das mal in einem Lexikon vor. „Brexit. Substantiv. Brexit.” Ich bin zwar kein Lexikograf, finde aber nicht, dass das als Erklärung ausreicht. Brexit stand schon immer für eine Vielzahl von Dingen. Einige Menschen drücken dadurch ihre Wut über die Einwanderung aus. Andere befürworten den Brexit aufgrund ihres Patriotismus. Für ein paar wenige ist es sogar eine Möglichkeit, finanzielle Vorteile zu erzielen. So verschieden auch die Gründe sind, steht ebenfalls fest: Einen geeigneten Brexit-Deal zu finden, scheint unmöglich.

2. Ups! Nordirland
Als Kind hatte ich ein Buch, das „Mind-Bending Lateral Thinking Puzzles” hieß. Darin standen Denkspiele wie: „Wie schaffst du es, eine Nadel in einen Ballon zu stecken, ohne dass er platzt?“ Die Antwort: „Blase den Ballon nicht auf.“ Die britische Regierung hat die irische Grenze wie ein kniffliges Denkspiel behandelt. Stellt euch vor, ihr verlasst eine Handelsmacht, die durch eine Landgrenze von euch getrennt ist. Das würde heißen, dass eine Grenz- und Zollkontrolle hermüsste. Jedoch darf aufgrund von politischen Problemen in der Vergangenheit keine Grenze mit physischen Kontrollen eingeführt werden. Was also macht ihr? Die Politiker scheinen überzeugt davon zu sein, dass sie irgendwann ans Ende des Buches blättern und die Lösung dort finden können. Doch das hier ist kein Quizbuch für Kinder - sondern das echte Leben.

3. Großbritannien wird nach dem Brexit ärmer und wütender
Untersuchungen haben ergeben, dass - was auch immer die Einigung sein wird - Brexit der Wirtschaft in Großbritannien schaden wird. Wenn das passiert, dann werden sich die Brexit-Gegner weiterhin beschweren. Was verständlich ist. Und selbst die Brexit-Befürworter werden sich beschweren. Denn schließlich wird sich auch für sie die Lage verschlechtern. Viele der Lügen, die von der Pro-Brexit-Kampagne erzählt wurden, müssen widerlegt werden. Das wird allerdings erst nach dem Brexit passieren. Dass sich dann auch die, die für den Brexit gestimmt haben, beschweren werden, ist verständlich. Denn sie wurden angelogen. Vielleicht finden die zwei Seiten zueinander. Vereint durch die Wut über das politische System? Wahrscheinlicher ist, dass die zwei Seiten sich gegenseitig anschreien werden.

4. Käse ist wichtiger als Menschen
Mehr als eine Million Briten leben in der EU und über drei Millionen Europäer leben in Großbritannien. Uns wurde mehrfach versprochen, das wird nicht als Verhandlungsmasse ausgenutzt werden, aber genau das ist passiert. Wir werden einige unserer Rechte verlieren - doch es wird noch schlimmer für all die, die in Zukunft ein- oder auswandern möchten.

Was den Handel betrifft, gibt es einige Schlagwörter: deutsche Autos, französischer Käse, italienischer Wein. Was wird aus dem Hafen von Dover? Werden die Lebensmittelpreise steigen? Und außerdem sind es die Menschen, die die Autos fahren, den Käse essen, den Wein trinken. Menschen, die all das dank Handelsabkommen und einer gesunden Wirtschaft kaufen können. Wer wird das in Zukunft sein? Es fühlt sich ein bisschen so an, als ob britische Politiker Bürgerrechte mit dem Recht darauf, Camembert zu essen, verwechselt haben. Und noch nicht mal Letzteres ist bisher sicher.

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