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Experten einig: Gefräßige Baum-Insekten breiten sich in Sachsen-Anhalt weiter aus

19.11.2012, 18:56

Forstfachleute erwarten, dass sich Waldschädlinge wie der Eichenprozessionsspinner vor allem im Norden Sachsen-Anhalts weiter ausbreiten. Die Raupen lösen bei Menschen Allergien aus, die jahrelang anhalten können.

Magdeburg l "Das massenhafte Auftreten von Schadinsekten bereitet uns große Sorgen", sagte Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU) gestern bei der alljährlichen Vorstellung des Waldzustandsberichts. Hubschrauber sprühten dieses Jahr auf 8200 Hektar Eichen- und Kiefernforst Gift; diese Fläche war mehr als doppelt so groß wie 2011. Entwarnung gibt es nicht - im Gegenteil: Auch für 2013 hat Aeikens knapp 700 000 Euro für die Schädlingsbekämpfung reserviert.

Am ärgsten betroffen sind die Eichen. Insekten, die es auf den Hartholz-Baum abgesehen haben, vermehren sich in Deutschland rasant. In Sachsen-Anhalt sind vor allem die Altmark, das Jerichower Land und die Börde betroffen. Unter den Eichen-Feinden gehört der Eichenprozessionsspinner zu den gefährlichsten, da er nicht nur Bäumen, sondern auch Menschen zusetzt. Die kleinen Brennhaare der Raupe lösen bei den meisten Menschen heftige Allergien hervor. Jucken, Pusteln, in seltenen Fällen auch Schocks sind die Folge, sagt Michael Habermann von der Forstversuchsanstalt Göttingen. Die Allergien seien hartnäckig, dauern drei bis vier Jahre nach dem Befall an.

Hinzu kommt das Problem, dass die Tierchen nur wenige natürliche Feinde haben. Kein Vogel verspeist die gefräßigen Raupen, erzählt Habermann. "Wir bräuchten einen kernig-kalten Winter und ein verregnetes Frühjahr. Das würde helfen." Doch danach sieht es statistisch gesehen nicht aus: Zwar gab es in den letzten vier Wintern auch heftige Frosttage, doch insgesamt war das vergangene Vierteljahrhundert im Vergleich zum langjährigen Mittel zu warm. Vor allem die oft trockenen und sommerlichen Frühjahrsmonate bereiten den Bäumen Stress, da die Wasserspeicher im Waldboden nicht aufgefüllt werden.

Peter Wenzel, oberster Förster im Umweltministerium, glaubt, dass der sich abzeichnende Klimawandel die Widerstandskraft der Bäume herabsetzt, so dass die Insekten leichteres Spiel haben. "Eichenprozessionsspinner gab es auch schon früher, aber da galten sie als relativ harmlos" berichtet Wenzel. "Ihre Aggressivität hat sich in den letzten 15 Jahren deutlich erhöht.

Ob das Klima alleinige Ursache ist, mag Habermann nicht bestätigen, dafür fehle der wissenschaftliche Beweis. "Allerdings gibt es genügend Hinweise, dass sich die Insekten im Norden Sachsen-Anhalts weiter ausbreiten werden."

Zur Bekämpfung setzen die Forstleute zwei Mittel ein: in Schutzgebieten ein biologisches, bei dem die Darmwände der Raupe zerstört werden. Oder aber sie greifen zur harten Keule, einem Insektizid, das die Raupen regelrecht verflüssigt. "Natürlich ist das ein Eingriff", sagt Habermann. "Aber wir wollen den Eichen helfen." Nach einem Jahr sei das Mittel abgebaut und im Wald nicht mehr nachweisbar.

Umweltschützer fordern mehr Baumartenvielfalt. "Zehn Prozent des Waldes sollte sich als Wildnis entfalten dürfen", meint BUND-Landesvorsitzende Undine Kurth.