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Personenschützer des Landeskriminalamts: Nur ein Anschlag auf einen Landespolitiker innerhalb von 20 Jahren (Teil 4) Feuchte Stirn, wenn sich "Schutzperson" nicht ans Protokoll hält

Von Bernd Kaufholz 07.01.2012, 04:26

Magdeburg l Da wurde die Stirn der Personenschützer doch feucht. Sie hatten die schwere Speziallimousine des Ministerpräsidenten und das ebenso gesicherte Fahrzeug der Begleitmannschaft an einer Tankstelle im Süden Sachsen-Anhalts gerade betankt und wollten losfahren, als beinahe im selben Augenblick beide Motoren streikten.

"Da spult sich sofort ein Programm ab, das wir wieder und wieder trainiert haben", sagt Dietmar Müller, Chef der Personenschützer des Landeskriminalamts.

Doch war es in diesem Fall kein Anschlag auf den Ministerpräsidenten, sondern ein dummer Zufall. "Kurz zuvor hatte der Tankwagen die Tanks der Tankstelle neu gefüllt und dabei war der Kraftstoff verschmutzt worden", so der Kriminalhauptkommissar.

In Sachsen-Anhalt gibt es zwei "Schutzpersonen" - den Ministerpräsidenten und den Minister für Inneres und Sport. Bis 1998 gehörte auch der Landtagspräsident dazu.

Die Politiker werden bei allen offiziellen Auftritten begleitet. Sowohl von zumeist zwei sehr präsenten Herren direkt neben sich als auch von "Unauffälligen", die sich im Umfeld des Auftritts unter die Zuschauer mischen. Müller: "Personenschützer passen ihre Bekleidung ihrem Auftrag an."

"Gott sei Dank hat es in Sachsen-Anhalt erst ein Attentat gegeben." Im November 1995 entging der damalige Innenminister Manfred Püchel (SPD) unverletzt einem Anschlag: Eine geistig verwirrte Frau aus Stendal hatte am Bahnübergang Barleben im Bördekreis einen Brandsatz auf den Dienstwagen Püchels geworfen, das Fahrzeug jedoch verfehlt.

Personenschützer Detlef Miegel nennt die wichtigsten Anforderungen, die an die "Schutzengel" vom LKA gestellt werden: "psychische und physische Belastbarkeit, Teamfähigkeit und politisches Wissen".

Ganz wichtig sei es, dass zwischen dem zu Beschützenden und der LKA-Gruppe ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werde. Deshalb seien auch immer dieselben Kommandos mit der jeweiligen Schutzperson unterwegs.

Warum das Vertrauensverhältnis entscheidend sein kann, ergänzt Kriminalhauptkommissar Müller: "Ein guter Personenschutz reagiert auf das kleinste Zeichen der Schutzperson, das geringste Zucken ihrer Augen, weil sie sich - zum Beispiel in einer Menschenmenge - unwohl fühlt."

Das Wort "Bodyguard" hören Müller und Miegel nicht gern. Das treffe ihren Aufgabenbereich nicht und gaukele eine Art "1,95-Meter-Rambo, 120 Kilo schwer" vor.

Personenschutz sei ein weiter abgestecktes Feld. Dazu gehöre die Gefahrenanalyse im Vorfeld von Veranstaltungen ebenso wie der Objektschutz. Müller bringt es auf einen Nenner: "Infos sammeln, verarbeiten, weitergeben."

Besonders, wenn Bundespolitiker oder gar ausländische Staatsgäste nach Sachsen-Anhalt kommen, ist im Personenschutzbereich des LKA die Hölle los. Dann arbeiten die Magdeburger und die Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts eng zusammen. Miegel: "Rivalitäten gibt es nicht. Jeder hat seinen Bereich. Und die Berliner akzeptieren, dass wir in Sachsen-Anhalt die besseren Ortskenntnisse haben."

Da gehe es um den "normalen Weg", um von A nach B zu kommen, genauso wie um Ausweichwege, die man im Fall aller Fälle nehmen müsse, um an einen sicheren Ort zu kommen. Große Menschenmengen seien immer eine spezielle Herausforderung. "Angst haben wir nicht", sagt Müller, "aber wir sind hoch konzentriert." Wichtig sei in diesem Zusammenhang das Protokoll. "Wir wissen dann schon im Vorfeld, wann wir mit unserer Schutzperson wo sein werden und wer sich dort laut Plan in der Nähe desjenigen aufhalten soll."Müller räumt ein, dass "alle Alarmglocken klingeln, wenn sich jemand außerhalb des Protokolls bewegt".

Eingegriffen werde wirklich nur im äußersten Notfall. "Ein Eingriff entfaltet oft eine enorme Außenwirkung. Besonders dann, wenn das Fernsehen dabei ist." Verhalte sich jemand im Umfeld des Politikers auffällig, werde dieser beobachtet und eventuell angesprochen.

Das Leben des zu Schützenden stehe jedoch an erster Stelle. "Wir sind uns klar darüber, dass wir für dieses Ziel auch unsere Gesundheit oder gar das Leben einsetzen", so Miegel.

Dafür werde trainiert. Zum Beispiel, dass der Personenschutzbeamte immer in der Schuss- oder Wurfrichtung eines möglichen Attentäters steht. "Die Abläufe müssen automatisiert sein." Trainiert werden Schießen, Selbstverteidigung und das Fahren mit den schweren Sicherheitslimousinen."