In Sachsen-Anhalt ist fast jedes zweite Tanklöschfahrzeug älter als 25 Jahre, die ältesten sogar über 55 Feuerwehr: Oldtimer rollen zum Rettungseinsatz
Freiwillige Feuerwehren müssen in Sachsen-Anhalt zum Teil zu
lebensrettenden Einsätzen mit Oldtimern ausrücken. Die ältesten noch im
Dienst befindlichen Fahrzeuge sind sogar ein halbes Jahrhundert alt. Für
Neuanschaffungen fehlt den Kommunen oft das Geld.
Magdeburg. Mit großem Schwung rudert Heinz Päsler am Steuer des Feuerwehr-Unimogs. Hinten purzeln im Kreisverkehr die Frauen und Männer beinahe von den Bänken. Sicherheitsgurte gibt es hier keine. Obwohl viele der sechs bis acht Einsätze im Jahr der Freiwilligen Feuerwehr Scharlibbe in der Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land direkt an oder auf der viel befahrenen Bundesstraße 107 liegen.
"Die Kiste ist älter als die Fahrzeuge, die bei uns auf dem Klietzer Truppenübungsplatz als Ziel für die Panzer dienen", sagt der Fahrer des ältesten noch im Dienst befindlichen Feuerwehrfahrzeugs im Norden Sachsen-Anhalts. Nach Angaben des Innenministeriums Sachsen-Anhalt toppt das nur ein Löschgruppenfahrzeug LO 1800 aus dem Jahr 1957 in Laucha an der Unstrut im Burgenlandkreis.
"Es ist mittlerweile auch schwierig, Ersatzteile zu bekommen."
Wehrleiter Arnim Glimm
"Ich würde ja lachen, wenn es nicht so traurig wäre", sagt Scharlibbes Wehrleiter Arnim Glimm während er unter dem Wagen ein Kuchenblech mit Ölbindemittel in Position bringt. "In dem Alter darf man schon mal tropfen", witzelt er. Die meisten Reparaturen erledigen die Scharlibber an ihrem Oldtimer selbst. Nur zum TÜV wird die Werkstatt eingeschaltet. Glimm: "Es ist mittlerweile auch schwierig, Ersatzteile zu bekommen." Dennoch kümmern sich die Bastler liebevoll um den Oldtimer. Es bleibt ihnen auch kaum etwas anderes übrig. So bauten die Feuerwehrmänner dem Transport-Lkw auch Radkappen aus alten Waschmaschinentrommeln an. "Damit der Wagen etwas schmucker aussieht", sagt der Wehrleiter.
Improvisation wird in kleinen Dorffeuerwehren wie Scharlibbe ohnehin großgeschrieben. Weil zum Beispiel das Tanklöschfahrzeug W50 aus dem Jahr 1976 als zweiter Einsatzwagen für das kleine Feuerwehrgerätehaus zu groß ist, steht der Lkw in einer privaten Scheune. Das Fahrzeug hatten die Kameraden Mitte der 1990er Jahre aus Wandlitz übernommen.
"Mit einem der beiden Fahrzeuge sind wir irgendwie bisher immer rechtzeitig zum Einsatz gekommen", sagt Glimm. Die Frage ist nur, wie lange das gut geht?
Auch Kai Pluntke, Kreisbrandmeister des Landkreises Börde, kennt das Problem veralteter Technik. "Es gibt häufig Beschwerden in den Wehrleitertagungen", sagt er. Vor allem die alten "LO-Löschfahrzeuge" aus DDR-Zeiten haben immer wieder Schwierigkeiten beim Starten.
Bei anderen ist es auch eine Frage der eigenen Sicherheit. So zum Beispiel bei der Freiwilligen Feuerwehr Schopsdorf im Jerichower Land. Ein 42 Jahre alter sogenannter "Gerätewagen" war 1992 von der Gemeinde Northeim in Niedersachsen wegen Neuanschaffung ausgemustert und an die Feuerwehr der Stadt Genthin gegeben worden. Als die Kameraden dort vor etwa zehn Jahren ein neues Fahrzeug erhielten, wurde der Oldtimer nach Schopsdorf weitergereicht. "Seither rücken wir damit vor allem zu Hilfeleistungen auf der Autobahn 2 zwischen Ziesar und Theeßen aus", erklärt Dirk Schwarzlose, Leiter der Schopsdorfer Feuerwehr. Vorausgesetzt, die Frauen und Männer benötigen nicht zufällig selbst Hilfe auf der Autobahn.
Im vergangenen Jahr im Januar blieb der Lkw bei minus 22 Grad auf der Autobahn liegen. "Da wurde es für die Kameraden wegen der Kälte eng", erzählt der 44-Jährige. Die Besatzung konnte später von einem neueren Transporter der Wehr abgeholt werden.
Abgesehen von den technischen Macken gibt es auch auf diesem Wagen keine Sicherheitsgurte, und das mitten auf der Autobahn. Chefmaschinist Daniel Jänisch: "Manchmal spielt uns auch der Geist des Oldtimers einen Streich. So ging mehrmals wegen irgendwelcher Kriechströme in der Elektrik plötzlich die Sirene an und ließ sich nicht wieder ausschalten." Erst nachdem die Werkstatt einen zusätzlichen Schalter einbaute, war das Problem behoben.
Wehrleiter Schwarzlose hat die Hoffnung, dass in zwei Jahren seine 24 Kameraden ein neues Rüst-Fahrzeug erhalten.
Oft liegt das Ausblieben der Neuanschaffung an der Haushaltslage der Kommunen. Lothar Lindecke, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes: "Und die sieht bekanntermaßen nicht rosig aus. Das ist unser größtes Problem." Er fordert das Land auf, die Ausstattung der Wehren stärker zu fördern.
"Diese alte Technik ist auch für die Mitgliederwerbung unvorteilhaft."
Lothar Lindecke, Feuerwehrverband
Möglich sei es zum Beispiel, mit den Einnahmen aus der Feuerschutzsteuer auch die technischen Altbestände zu verringern. Das Geld aus dieser Steuer werde nach einem definierten Schlüssel auf die einzelnen Bundesländer aufgeteilt und komme dem Brandschutz zugute. Nicht allein die Einsatzbereitschaft mache den Ehrenamtlichen zu schaffen. "Diese alte Technik ist auch für die Mitgliederwerbung mehr als unvorteilhaft. Außerdem kenne ich keinen Landrat oder Bürgermeister, der noch einen Trabi als Dienstwagen nutzt."
Für Feuerwehrfahrzeuge gibt es keine klare Regelung, wie alt diese werden dürfen. Im Regelfall werden sie aber nach 25 Jahren ausgemustert. Da freiwillige Wehren wegen der wenigen Einsätze aber oft eine sehr geringe Laufleistung auf dem Tacho haben, wird die Zeit oft verlängert. So zeigt der Tacho des ältesten Fahrzeugs in Scharlibbe gerade mal 38000 Kilometer an. "Allerdings hat er auch nur fünf Stellen. Das könnte auch schon die zweite Runde sein", so Scharlibbes Wehrleiter Arnim Glimm.
Verbandsvorsitzender Lindecke bestätigt die geringen Laufleistungen der Fahrzeuge. "In einem bestimmten Alter bereiten sie dennoch akute Probleme. Für viele Fahrzeuge gehen irgendwann auch die Ersatzteile aus und die Reparaturen werden am Ende teurer als alles andere", meint er.