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Finanzen Steuerrekord und rote Zahlen

Laut neuester Prognose werden Sachsen-Anhalts Kommunen mehr als 1,8 Milliarden Euro Steuern einsacken. Neuer Rekord.

Von Jens Schmidt 20.05.2019, 01:01

Magdeburg l Die neuste Steuerschätzung verheißt auch den Gemeinden weiter klingelnde Kassen. Zwar werden die Zuwächse nicht mehr ganz so üppig ausfallen wie erwartet, dennoch: So viel Geld wie jetzt haben Kämmerer noch nie gebucht. Allerdings: Die Schere geht weit auseinander.

Für alle Kommunen Sachsen-Anhalts gilt: Von den Einnahmen im Westen bleiben sie weit entfernt. Der Abstand beträgt 40 Prozent. Das ist seit fast 20 Jahren so. Das gilt selbst für Steuerprimus Magdeburg. Die Landeshauptstadt ist mit 230 Millionen Euro Jahres-Steuereinnahmen die reichste Kommune im Land – und dennoch weit entfernt vom etwa gleichgroßen Braunschweig. Das sackt 400 Millionen Euro ein.

Auch innerhalb Sachsen-Anhalts sind die Unterschiede groß. Beispiel Gewerbesteuern. Mehr als 800 Millionen Euro überweisen Firmen im Jahr. Doch: Der größte Batzen, nämlich zwei Drittel des Geldes, fließt in einen kleinen Klub von 23 Kommunen. Dazu zählen neben Magdeburg auch Speckgürtel-Gemeinden wie Leuna oder Barleben. Die „restlichen“ 195 Gemeinden müssen sich mit einem Drittel vom Kuchen abfinden. Um Unterschiede abzufedern, überweist das Land Finanzausgleichsgelder. Doch die Hilfen schwankten, viele Kommunen gerieten in den Dispo. Die Regierung steuerte um. Seit 2017 und bis 2021 gibt es jährlich einen Festbetrag und weitere Hilfen. Seitdem sinken die Kassenkredite. Doch für etliche reicht es nicht.

„Wir haben jedes Jahr ein Defizit von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro“, sagt Uwe Epperlein, Bürgermeister von Hecklingen (7000 Einwohner). Es siedeln zwar einige Firmen dort (Gänsefurther Mineralbrunnen), doch die Gewerbesteuern schwanken stark. Die Crux: Der Kreis fordert unerbittlich seine Umlagen ein und berechnet diese auf Basis der Einnahmen vom Vor-Vorjahr. Fällt die Gemeinde ins Steuerloch, muss sie dennoch die hohen Umlagen abdrücken. Hecklingen musste schon Nothilfen beantragen. Die Landeskasse zahlt - aber nur gegen strengste Auflagen. So sollten etwa Straßenlampen ausgeknipst werden. „Doch das haben wir nicht mitgemacht“, sagt Epperlein. Die Stadt erhöhte die Steuersätze.

Ausgaben für Soziales und Zinsen sind gefallen. Deutlich geklettert sind seit 2013 aber Personalkosten (15 Prozent) und Baupreise (30 Prozent). Selbst die Kita wird teurer, obwohl das Land seine Zuschüsse enorm erhöht hat. Beispiel Ilsenburg: 2013 hat die Stadtkasse 800.000 Euro für die Kinderbetreuung bezahlt - die Eltern trugen weitere 640.000 Euro. 2018 zahlte die Stadt 1,4 Millionen Euro - und die Eltern weitere 850.000 Euro. „Dieses Jahr halten wir die Elternbeiträge stabil - aber 2020 wird das für den neuen Stadtrat ein Thema sein“, sagt Bürgermeister Denis Loeffke (CDU). Das gilt nicht nur in Ilsenburg.

Bitterfeld-Wolfen geriet mit dem Solar-Crash tief in die roten Zahlen (57 Millionen Euro Defizit). Dank des Chemieparks gehört die Stadt bei den Steuern wieder zu den Top 6. Doch Großunternehmen können recht einfach ihre Steuerlast an andere Sitze verlagern - die liegen meist im Westen. „Das muss aufhören“, sagt Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU). Die Landesregierung will das auf Bundesebene ändern, eine Lösung gibt es aber noch nicht.

Politiker brüten schon jetzt darüber, wie es mit den Finanzausgleichshilfen nach der Landtagswahl 2021 weitergeht. Wahrscheinlich bleibt es bei einem jährlichen Festbetrag. „Doch eines ist schon klar: Er muss steigen“, sagt SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben.