Bernburger Bürsten-Matthes ist ein Unikum und fasziniert von alter Handwerkstechnik Früher lautstarke Arien, heute Pinsel und Co.
Bernburg (dpa) l Ein Mann wie ein Bär, die Stimme tief und kräftig - Michael Matthes könnte auch heute noch als Opernsänger durchgehen. In der Öffentlichkeit hört man von dem ausgebildeten Sänger heute aber keine Arien mehr. Seit mehreren Jahren hält der 56-Jährige mit dunklem Vollbart das historische Bürstenmacher-Handwerk aufrecht. Wer bei ihm in Bernburg (Salzlandkreis) Bürsten kaufen möchte, muss klingeln.
Das Sortiment in dem vielleicht 20 Quadratmeter großen Laden übersteigt alle Vorstellungen von Menschen, die ihren Handfeger, Klo- oder Spülbürsten in einer Drogerie kaufen. Rund 1000 verschiedene Bürsten, Besen und Pinsel hat Bürsten-Matthes im Sortiment, davon allein 60 unterschiedliche Haarbürsten. Sie liegen in Regalen, auf der Verkaufstheke und baumeln an Haken von oben in den Raum herunter. Die meisten sind handgemacht. Und das nimmt Matthes genau: "Die einzige Maschine, die ich zum Büstenmachen habe, ist eine Bohrmaschine."
Weder der Weg zum Sängerberuf noch der zum Bürstenmacher schien in Matthes\' Leben vorgezeichnet. Geboren in Weißenfels, absolvierte er nach der Schule eine Lehre als Werkzeugmacher. Keine besondere Bewandtnis habe das gehabt. "Das war nur fünf Minuten Weg von zu Hause." Der Berufswunsch Lehrer wurde ihm mit dem zweifelhaften Argument verwehrt, die Stimme würde das nicht durchhalten. Für das Gesangsstudium in Weimar war es aber kein Problem mehr. Matthes sang dann im Chor des renommierten Meininger Theaters. Jahre später, auf dem Weg zum Vorsingen in Bernburg, fragte er jemanden nach dem Theater und bekam zu hören: "Wo woll\'n Se hin, bein Faxentempel?"
Kurz bevor in Bernburg das Theater dichtgemacht wurde, erlernte Matthes in seiner Freizeit das Bürstenmacher-Handwerk. Ein befreundeter, sehr alter Bürstenmacher brachte ihm alte Techniken bei. "Ich war einfach fasziniert davon", sagt Matthes heute. Gewaschen, gebunden, gekocht und getrocknet wird das Rosshaar, ehe es nach groben Längen sortiert und danach mehrfach durch einen Metallkamm gezogen wird. Penibel zieht der Bürstenmacher dann kleine Bündel mithilfe eines Drahtes in die Löcher des lackierten, polierten oder geölten Bürstenkörpers. Zum Schluss bringt er die Borsten mit einer Schere gekonnt auf gleiche Länge. Wo immer Matthes günstig an alte Hölzer oder anderes Material kommen kann, greift er zu. Auch aus DDR-Zeiten hat er noch vieles in seinen Vorräten.
Bürstenmacher wie Matthes mit eigenem Laden gibt es in Deutschland vielleicht noch 20, sagt Hans Zahn vom Verband der Deutschen Pinsel- und Bürstenhersteller im bayerischen Bech- hofen. Oft machten sie noch Reparaturen etwa von Kehrblechgarnituren oder verkauften Liebhaberstücke. Die meisten der 100 Mitglieder im Verband haben Firmen mit 30 bis 120 Mitarbeitern.