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Gefährder Bei der Bundeswehr Sachsen-Anhalt nachgefragt: Gibt es Extremisten in den eigenen Reihen?

Der Fall Franco A. macht es deutlich: Innerhalb der Bundeswehr sind Extremisten besonders gefährlich für die Demokratie, in der wir leben. Wie die Situation in Sachsen-Anhalt aussieht, beantwortet das Landeskommando auf Nachfrage der Volksstimme.

Von Sebastian Rose Aktualisiert: 04.08.2022, 16:25
Sogenannte Gefährder in den Reihen der Bundeswehr in Sachsen-Anhalt?
Sogenannte Gefährder in den Reihen der Bundeswehr in Sachsen-Anhalt? Symbolfoto: dpa

Magdeburg - Auch eine einzelne Patrone kann tödlich sein. Gerade in Händen von Gefährdern, wie dem noch nicht rechtskräftig verurteilten Franco A., einem Bundeswehroffizier. Dieser hatte Waffen entwendet, schrieb eine Todesliste und wollte als Migrant getarnt nach eigenen Aussagen "Missstände im Asylverfahren aufdecken". Fälle wie diese lassen aufhorchen. Wie sieht die Situation in Sachsen-Anhalt aus? Gibt es auch hier Extremisten in der Bundeswehr?

"Die Bundeswehr verfolgt konsequent eine Null-Toleranz-Strategie gegen jegliche Form von Extremismus. Anspruch und Ziel der Bundeswehr sind es, sowohl erkannte Extremisten als auch Personen mit fehlender Verfassungstreue aus der Bundeswehr zu entfernen beziehungsweise von ihr fernzuhalten", heißt es auf Nachfrage der Volksstimme von Seiten der Bundeswehr.

Der Verfassungsschutz kann im Übrigen keine Auskunft über mögliche Extremisten innerhalb der Bundeswehr geben. "Zu extremistischen Bestrebungen in der Bundeswehr kann das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt keine Angaben machen, da die Sammlung und Auswertung von Informationen zu extremistischen Bestrebungen von Personen, die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung tätig sind, in den Aufgabenbereich des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) fällt", so Pressesprecher Lars Fischer vom Innenministerium.

Bundeswehr mit zentrale Koordinierungsstelle

Die Bundeswehr lässt sich zudem nicht wirklich in die Karten schauen. Das Thema scheint bei der Bundeswehr als sehr sensibel angesehen zu werden. Die Antworten auf die Frage bleiben vage.* Jeder Verdachtsfall erfordere entschiedenes Handeln auf allen Ebenen innerhalb der Bundeswehr. Deshalb gehe diese aktiv und präventiv gegen jegliche Erscheinungsform extremistischer Natur vor. "Dazu gehören Ermittlungen von Vorgesetzten, die Arbeit des Militärischer Abschirmdienst (kurz: MAD) und die enge Kooperation mit den zivilen Strafverfolgungsbehörden", so die Bundeswehr weiter.

Erst im Jahr 2019 richtete das Bundesministeriums der Verteidigung eine zentrale Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle (KfE) ein. In den Jahren vorher gab es des Öfteren schier unglaubliche Entscheidungen: Der damals wehrpflichtige Uwe Mundlos, der zusammen mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe von 1998 bis 2011 Kern der Terrorgruppe "Nationalistischer Untergrund" (NSU) und für zehn Morde, 43 Mordversuche, drei Sprengstoffanschläge und fünfzehn Raubüberfalle mitverantwortlich war, erhielt 1994/95 trotz Intervention des MAD und klar erkennbarer rechtsextremer Gesinnung keinen speziellen Eintrag in seine Personalakte. Schlimmer noch, er wurde sogar befördert.

2017, nach dem Fund einer von Franco A. versteckten Pistole am Flughafen in Wien, wurde nun auch gegen den Bundeswehrsoldaten Terrorermittlungen eingeleitet. 

17 Extremisten in den eigenen Reihen

Im Jahresbericht 2021 der Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle heißt es, dass die Zahl der als Extremisten erkannten Personen auf 17 bundesweit gestiegen sei. "Im Berichtsjahr 2021 wurde in insgesamt 1.452 Verdachtsfällen gegen mutmaßliche Extremisten ermittelt. Dabei wurden 688 Fälle neu aufgenommen (Neuaufnahmen im Jahr 2020: 574). Trotz einer erneut hohen Anzahl an Verdachtsfällen im Berichtszeitraum ist die Gesamtzahl der erkannten Extremistinnen und Extremisten und der Personen, bei denen Zweifel an der Verfassungstreue bestehen, weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. (...) Erfreulich: 110 Bearbeitungen von Verdachtsfällen endeten mit dem Ergebnis „Verdacht nicht mehr begründet", heißt es im Bericht.

Dies sei laut den deutlich beschönigend geschriebenen Worten der Koordinierungsstelle ein "Beleg für die große Sensibilität in der Bundeswehr für das Thema", keine Rede von einem Anlass zur Sorge.

Führungskräfte übernehmen besondere Rolle

"Die Bekämpfung des Rechtsextremismus steht somit im Zentrum der Anstrengungen von Ministerium und Truppe. Deswegen wurde unter anderem das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst personell verstärkt, um etwaige rechtsextreme Netzwerke aufzudecken und zu zerschlagen. Aber auch die Präventionsarbeit der Bundeswehr gegen jegliche Erscheinungsform extremistischer Natur wurde in den letzten Jahren stark intensiviert", so die Bundeswehr am Ende.

"Bereits zu Beginn der militärischen oder zivilen Laufbahn bei der Bundeswehr, aber auch im weiteren Verlauf der Karriere gilt es, die persönliche Urteilskraft und Resilienz gegenüber extremistischen Tendenzen zu stärken. Die Führungskräfte der Bundeswehr übernehmen dabei eine ganz besondere Rolle: Das eigene Bewusstsein stärken und das Wissen um die Entwicklungen der Problematik erweitern sowie den Blick für die Menschen im eigenen Umfeld zu schärfen, die möglicherweise Gefahr laufen, sich im extremistischen Umfeld zu verstricken." Problem dabei ist nur, wenn wie im Falle des Bundeswehroffiziers Franco A. der Chef selbst Gefährder ist, könne das Wissen und die Entwicklung eines neuen Bundeswehrsoldaten gegebenfalls in eine falsche Richtung laufen.

*Anmerkung: In einer früheren Version hieß es "weder genaue Angaben noch Zahlen werden zur Verfügung gestellt". Dies ist mehrdeutig, bezieht sich jedoch auf die Antwort der Bundeswehr auf die Fragen der Volksstimme, nicht aber auf den Jahresbericht 2021 selbst.