Wirtschaftsminister Möllring zieht Konsequenzen aus der Affäre von der Osten Geheime Geschäfte: "Das war Vertrauensbruch"
Sachsen-Anhalt muss auch künftig öffentliches Geld in Unternehmensgründungen stecken, sagt Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU). Die Volksstimme-Redakteure Hagen Eichler und Torsten Scheer haben nachgefragt, wie er dabei private Bereicherung verhindern will.
Volksstimme: Herr Möllring, bei der landeseigenen Beteiligungsgesellschaft IBG hat der Manager Dinnies Johannes von der Osten staatliche Fördermittel mit privatem Profit verquickt. Was ist da schiefgelaufen?
Hartmut Möllring: Die IBG ist im Großen und Ganzen erfolgreich. Von der Osten hätte aber zu Beginn sagen müssen, dass er an Gesellschaften beteiligt ist, die die IBG durch stille Beteiligungen fördert.
Volksstimme: Er hat diese Geschäfte jedoch verschwiegen und dabei Millionen eingestrichen. Durfte er das nach seinem Vertrag mit dem Land?
Möllring: Er sagt: ja. Ich meine: nein. Die Rechtslage ist nicht eindeutig. Wir haben uns einvernehmlich von GoodVent und von der Osten getrennt. Sonst hätten wir vor Gericht ziehen müssen und würden vielleicht in vier, fünf Jahren vom Bundesgerichtshof bestätigt bekommen, wer von uns beiden Recht hat.
Volksstimme: Was stand denn im Vertrag?
Möllring: Der Vertrag ist da zwar nicht eindeutig, es besteht aber bei GoodVent ein Verhaltenskodex, nach dem tatsächliche oder mögliche Interessenkonflikte offengelegt werden müssen. Das galt auch für Herrn von der Osten.
Volksstimme: Wann ist die Geschäftsbeziehung zu ihm endgültig gekappt worden?
Möllring: Jetzt sitzen die Juristen an diesem Fall und trennen die IBG und die GoodVent. Das ist juristische Handarbeit, die noch ein paar Tage dauern wird. GoodVent wird deshalb auch noch einige Zeit seine Dienstleistung für das Land erbringen, aber ohne Herrn von der Osten.
Volksstimme: Zahlt das Land ihm eine Abfindung?
Möllring: Nein.
Volksstimme: Wer wird die Beteiligungen des Landes künftig managen?
Möllring: Entweder die IBG übernimmt das Personal der GoodVent. Die Mitarbeiter müssten dann natürlich unterschreiben, dass sie an geförderten Unternehmen nicht beteiligt sind und sich auch nicht beteiligen werden. Oder wir gründen eine neue Gesellschaft. Das müssen wir aber erst europarechtlich prüfen.
Volksstimme: Warum wird die IBG nicht an die Investitionsbank angeschlossen, die ja auch Unternehmen fördern soll?
Möllring: Die Investitionsbank vergibt Zuschüsse, und es ist besser, diese Aufgaben von den Beteiligungen sauber zu trennen.
Volksstimme: Braucht das Land die IBG überhaupt?
Möllring: Ja. Sachsen-Anhalt ist auf Neugründungen angewiesen, denn größere Ansiedlungen von außerhalb wird es in Zukunft nicht mehr so häufig geben. Wenn dann so eine Förderung schiefgegangen ist, weiß man es natürlich am Ende immer besser. Ein bekannter Spruch lautet: Der Pathologe ist der schlaueste Arzt.
Volksstimme: Die bisherige Konstruktion, dass eine Privatfirma die Vorentscheidungen über Investitionen des Landes trifft, wird es nicht mehr geben?
Möllring: Das kann ich nicht ausschließen. Grundsätzlich ist es nicht verkehrt, dass das Land eine Dienstleistung einkauft. Die Überlegungen sind aber noch nicht abgeschlossen.
Volksstimme: Falls Sie weiter auf privates Management bei Landesbeteiligungen setzen: Wird dann wenigstens die Kontrolle verbessert?
Möllring: Wir werden uns eine Erklärung geben lassen müssen, dass sich das Management nicht selbst an geförderten Firmen beteiligt oder es zumindest offenlegt. Der Umgang mit Geld, zumal mit Fördermitteln, erfordert Vertrauen und Offenheit. Die hat hier gefehlt. Das ist ein Vertrauensbruch, der zwangsläufig zur Trennung führen musste. Da kann man nicht sagen: Schwamm drüber, wir machen so weiter.
Volksstimme: Die IBG steht auch deshalb in der Kritik, weil ein großer Teil der Landesinvestitionen in die Firmengruppe rund um den SPD-Politiker Klaas Hübner geflossen ist. Sie wollten das aufklären lassen - was ist Ihr Ergebnis?
Möllring: Wir haben das untersucht, und bisher gibt es keinen Anlass, Kritik zu üben. Die Fälle sind alle korrekt abgelaufen. Wir haben im Zusammenhang mit Herrn Hübner keinen Fall gefunden, in dem man anders hätte entscheiden müssen.
Volksstimme: Sie selbst haben sich über die Häufung von Förderentscheidungen im Fall Hübner gewundert. Hätte das nicht auch Ihrem Vorgänger, dem damaligen Wirtschaftsminister Reiner Haseloff, auffallen müssen?
Möllring: Dem Aufsichtsrat der IBG war bekannt, welche Unternehmen der Familie Hübner gehört haben. Die sind ja nicht unter Pseudonym aufgetreten. Aber Herr Hübner hat auch als Politiker kein Berufsverbot.
Volksstimme: Haseloff hat die Entscheidungen also bewusst getroffen?
Möllring: Entschieden hat der Beteiligungsausschuss. Aber wie gesagt: Es gibt auch nach nochmaliger Überprüfung keinen Grund, weshalb man Herrn Hübner oder der Schlossgruppe eine Unterstützung hätte verweigern müssen.
Volksstimme: Wird die IBG eine Bilanz vorlegen, was sie mit den 230 Millionen Euro öffentlichem Geld geleistet hat?
Möllring: Ja, wir arbeiten zurzeit daran, eine solche Bilanz zu erstellen. Wir werden zeigen, wie viele Arbeitsplätze mit den Beteiligungen geschaffen oder gesichert worden sind.
Volksstimme: Sie sind jetzt seit 100 Tagen in Sachsen-Anhalt. Sind Sie angekommen?
Möllring: Ja. Ich habe das Glück, dass ich eine Wohnung im Hundertwasserhaus gefunden habe, nur 300 Meter vom Ministerium entfernt. Ich habe eine ganze Reihe von Firmen und Hochschulen besucht und einige der touristischen Highlights des Landes kennengelernt. Auch privat mache ich schon Werbung für Sachsen-Anhalt. Gerade habe ich Freunden aus Niedersachsen Magdeburg und Tangermünde gezeigt.
Volksstimme: Was haben sich die besuchten Unternehmen vom Minister gewünscht?
Möllring: Die Firma Total in Leuna zum Beispiel, einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in Sachsen-Anhalt, hat wie viele andere Unternehmen große Sorgen, ob es eine verlässliche Energiegesetzgebung geben wird. Nach der Bundestagswahl müssen wir mit dem Bundesumweltminister darüber reden.
Volksstimme: Es geht um billige Energie für Großverbraucher?
Möllring: Ja, die Befreiung von der EEG-Abgabe für Großunternehmen muss bleiben. Sonst werden sie in Deutschland nicht mehr produzieren, weder die Chemieunternehmen noch die Aluminium- oder Kupferhersteller. In Leuna oder Bitterfeld etwa gibt es derzeit wegen der unsicheren Energiefrage kaum Neu-Investitionen. Die Entscheider halten die Betriebe instand, aber sie erneuern und erweitern nicht, weil sie nicht wissen, was die Energie im nächsten Jahr kosten wird. Und auch die privaten Verbraucher bringt es auf die Palme, dass sie immer mehr für Strom zahlen müssen.
Volksstimme: Sie haben auch im Landtag Ihren ersten großen Auftritt absolviert. Von den Linken, aber auch aus der SPD hieß es danach, Sie seien arrogant aufgetreten. Schmerzt das?
Möllring: Ich weiß, dass das manchmal über mich gesagt wird. Wer mich aber näher kennt, weiß, dass das nicht so ist.
Volksstimme: Sie waren viele Jahre Minister in Niedersachsen, aber mit der SPD haben Sie noch nie zusammen regiert. Darauf könnten Sie auch verzichten, oder?
Möllring: Am besten ist natürlich eine absolute Mehrheit. Aber wenn die Wähler das nicht so organisieren, muss man sich einen Partner suchen und so gut wie möglich zusammenarbeiten. Und das tun wir zurzeit auch in Sachsen-Anhalt.