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Arbeiterwohlfahrt warnt vor Fachkräftemangel in Kindereinrichtungen Gehen dem Land die Erzieherinnen aus?

Von Winfried Borchert 04.06.2011, 04:32

Sachsen-Anhalt droht in den nächsten Jahren ein Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung. Nach Einschätzung der Arbeiterwohlfahrt (AWO) wird dieser sich mit der Rückkehr zum Ganztags-Betreuungsanspruch für alle Kinder ab 2013 zuspitzen. AWO-Landesgeschäftsführer Wolfgang Schuth forderte, den Erzieherberuf attraktiver zu machen. Das Sozialministerium sieht dafür vor allem die Kita-Träger in der Pflicht.

Magdeburg. In einem zehnseitigen Diskussionspapier, das Schuth an Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) übersandt hat, warnte AWO-Geschäftsführer Schuth vor personellen Engpässen. Bereits jetzt, noch vor der geplanten Wiedereinführung des Ganztagsanspruches, gebe es in sozialen Brennpunkten Personalprobleme. "Würde zum jetzigen Zeitpunkt der Ganztagsanspruch eingeführt, fehlten allein in den 59 AWO-Kindergärten im Land knapp 140 Fachkräfte", sagte Schuth gestern.

Heinz-Lothar Theel, der Landesgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, prophezeite: "Es wird einen Sog aus den westdeutschen Bundesländern geben. Junge Erzieherinnen dürften bald zumindest keine Probleme mehr haben, einen Arbeitsplatz zu bekommen."

Insgesamt gibt es in Sachsen-Anhalt zurzeit 1712 Kindereinrichtungen. Um dem drohenden Mangel entgegenzuwirken, müsse laut Schuth der Erzieherberuf attraktiver gemacht werden. Eine AWO-Sprecherin sagte, dazu zähle neben höheren Einkommen auch, dass Erzieherinnen mehr mit Kindern arbeiten könnten und sich weniger mit Verwaltungs- und Vorbereitungstätigkeiten aufhalten müssten. Zugleich müssten im Ausland erworbene Abschlüsse und berufsnahe Hochschulabschlüsse unproblematisch als Einstiegsvoraussetzung für Erzieher anerkannt werden.

Mit den Forderungen beteiligt sich die AWO an dem von Sozialminister Bischoff ausgerufenen "Kita-Dialog". Neben Vorschlägen zur Behebung des Fachkräfteproblems bringt die AWO eine Neuordnung der Kita-Finanzierung ins Spiel. In Sachsen-Anhalt werden Betreuungsplätze zurzeit vom Land, den Landkreisen und Gemeinden sowie von den Eltern bezahlt. "Dies geht zu Lasten der Eltern durch steigende Elternbeiträge, zu Lasten der Städte und Gemeinden, die meist über keinen gedeckten Haushalt verfügen, und zu Lasten der freien Träger, denen in der Refinanzierung der Gesamtkosten einer Kindertageseinrichtung nicht alle Kosten anerkannt werden", sagte Schuth. Er verlangte einen bundesweiten Rechtsanspruch auf kostenlose Kinderbetreuung. "Dafür sollte sich die Landesregierung einsetzen."

Holger Paech, der Sprecher des Sozialministeriums, bestätigte einen steigenden Personalbedarf. "Ob es einen Mangel geben wird, lässt sich im Moment aber nicht sagen". Ob Fachkräfte im Land gehalten werden könnten, hänge nicht zuletzt von den Arbeits- und Tarifbedingungen ab. "Hier wird es einen Wettbewerb zwischen den Kita-Trägern geben", vermutet Paech.

Im Juni und Juli will der Sozialminister in fünf Regionalforen öffentlich über die künftige Kinderbetreuung diskutieren. Anschließend soll die Arbeit an der Kita-Gesetzesnovelle beginnen.

Der Landkreistag sieht dabei noch "zahlreiche offene Fragen". Geschäftsführer Theel sagte, er vermisse vor allem "eine belastbare Datenbasis und ein transparentes Abrechnungsverfahren" und erklärte mit listigem Unterton: "Uns steht noch ein spannendes Gesetzgebungsverfahren bevor."