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Großaufgebot Schweine überleben Amts-Einsatz im Harz

Der Streit um „Willi“ und „Berta“ schaukelte sich hoch: Zuletzt zog „Wildschwein-Vater“ Jens Rennecke zu seinen Lieblingen in den Wald.

Von Bernd Kaufholz 05.06.2019, 15:41

Thale l Dienstagabend sah die Welt für Tierfreund und Chef der Tierauffangstation Thale, Jens Rennecke, noch tiefschwarz aus. „Morgen kommt ein Großaufgebot, um „Willi“ und „Berta“ zu entsorgen.“ Entsorgen? „Ja anders, als die Tiere abzuschießen, geht doch gar nicht. Außer mir kann doch niemand zu den Wildschweinen rein, um sie wegzubringen.“ Aber er wolle sich schützend vor seine Lieblinge stellen. „Dann sollen sie mich doch abschießen.“

Seit fast drei Jahren gibt es den Streit um die Borstentiere. „Willi“ war im Februar 2015 vom Hund eines Spaziergängers aus der „Wurfschale“ – eine Art „Nest“ für Wildschweine – geholt worden. Der Frischling landete bei Rennecke.

Frischlingsdame „Berta“ stand im Juni 2015 auf einer Kreuzung in Wernigerode und wurde von der Polizei bewacht. Sie hatte den Anschluss an ihre Rotte verloren und kam ebenfalls nach Thale. „Beide Tiere habe ich mit der Flasche aufgezogen“, so der Tierschützer.

Solange die Wildschweine klein waren, gab es kein Problem. Doch 2016 begann der amtliche Vorgang „Willi und Berta“ beim zuständigen Bauamt. Aufgrund von Anwohnerbeschwerden, wie der Landkreis Harz mitteilt. „In mehreren Gesprächen wurde Herrn Rennecke mitgeteilt, dass die Haltung auf dem Grundstück nicht zulässig ist“, so Manuel Slawig.

Die Absprache, der auch der Schweinehalter zugestimmt habe, sei gewesen, dass die Tiere mit ihrem inzwischen zahlreichen Nachwuchs im Oktober 2017 von einem Wildtierhalter aufgenommen werden. „Doch es tat sich nichts“, sagt Slawig. Auf Anhörungsschreiben habe Rennecke nicht reagiert. „Es blieb uns nichts anderes übrig, als die Entfernung der Großtiere anzuordnen und nötigenfalls mit Zwangsmitteln durchzusetzen.“ Denn die Haltung von Wildschweinen im Ort widerspräche dem „öffentlichen Baurecht“. Unabhängig von den Beschwerden sei der Kreis „von amtswegen verpflichtet, tätig zu werden“.

Rennecke widerspricht, dass es Anwohnerbeschwerden gegeben habe. „Und das Veterinäramt hat kontrolliert und nichts beanstandet.“

Doch in letzter Sekunde kam am Mittwoch die Einigung: „Die Schweine werden in einen Wald, 30 Kilometer von Thale entfernt, gebracht“, sagte Rennecke am Mittag. „Da kann ich dann mit ihnen leben.“ Nach Volksstimme-Informationen sollen die Tiere demnächst sanft betäubt und nach Stangerode (Mansfeld-Südharz) transportiert werde. Dort gibt es einen Wildpark.

Rennecke, den Mittwoch rund 30 Sympathisanten unterstützten, sieht das Ergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Natürlich wäre es mir lieber gewesen, wenn ich „Willi“ und „Berta“ hierbehalten könnte. Andererseits ist die Umsiedlung besser, als wenn sie abgeschossen worden wären.“

Ganz ohne Tiere wird Rennecke auch in Zukunft nicht sein. Vier Mäusebussarde, ein Turmfalke, ein Graureiher, zwei Waschbären, zwei Feldhasen, ein Waldkautz und drei Marderbabys hat er gegenwärtig in Pflege. „Meine Notrufnummer ist bekannt. Wenn irgendwo ein Wildtier agefunden wird, das Hilfe braucht, wird es mir gebracht – auch von der Feuerwehr.“ Doch Mittwoch war in Thale ersteinmal eine kleine Feier angesagt. In Abwandlung eines Jagdhornsignal hieß es da: „Sau (nicht) tot!“