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Musik Hardrock am Glockenspiel in Halle

Bald gibt es vielleicht Musik von Rammstein oder Metallica - neben "Hells Bells" von AC/DC - gespielt auf dem Glockenspiel in Halle.

24.12.2018, 23:01

Halle/Erfurt (dpa) l Sein Instrument: das Carillon in Halle, laut Experten mit 76 Glocken das größte Turmglockenspiel Europas und das zweitgrößte weltweit. Seine Leidenschaft: Rockmusik. Wer Davit Drambyan beim Musizieren zusehen will, der braucht Kondition. Gut 150 Stufen einer engen Wendeltreppe führen zu ihm hinauf in den 84 Meter hohen Roten Turm. Dort lässt er in schwindelerregende Höhe mit seinen Händen das Glockenspiel auf ganz besondere Art und Weise erklingen.

Weltweit hat der Musiker Fans. Das Lied "Hells Bells" der australischen Hardrockband AC/DC vertont er als Arrangement per Glockenspiel. Im Internet gibt es davon Videos, mit Hunderttausenden Klicks.

"Mich hat es gereizt, neue musikalische Wege zu gehen, etwas anderes zu machen, die Glocken auch auf diese Weise zu spielen", sagt Drambyan, der als Profimusiker vor allem Gitarre und Klavier spielt. Bundesweit gibt es nach Angaben der Deutschen Glockenspielvereinigung (Erfurt/Thüringen) derzeit 48 bespielbare Carillons, darunter in Kiel und Hannover.

"Halle hat mit 76 Glocken nicht nur das größte Carillon in Europa, sondern auch das zweitgrößte in der Welt, nach einem Carillon in Südkorea, das 77 Glocken hat, also nur eine Glocke mehr", sagt Ulrich Seidel, 1. Vorsitzender der Deutschen Glockenspielvereinigung, die rund 70 Mitglieder zählt. "Wichtig ist, dass wir bei Konzerten Musik spielen, die die Leute kennen, ob nun Volksmusik, Weihnachtslieder oder eben Hardrock", sagt Seidel.

In Halle, wo Drambyan Musikwissenschaften studiert hat und seit 20 Jahren lebt, bot sich die Chance, auch Carillonneur zu werden. Denn der Förderkreis "Glockenspiel Roter Turm" setzt sich dafür ein, Musiker auszubilden und das Carillon und dessen Einmaligkeit bekannter zu machen, wie die Direktorin vom Stadtmuseum, Jane Unger, erzählt. Dort ist der Förderverein ansässig. Um auf dem Glockenspiel im 600 Jahre alten Roten Turm, einem Wahrzeichen der Stadt, Konzerte geben zu können, braucht es viele Stunden Übung, Theorie und Praxis.

Gigantische Bronzeglocken, tonnenschwer, ebenso wie kleinere, finden sich im Holzgebälk im Inneren des freistehenden Turms in Halle. Verbunden über ein kompliziertes System bewegt der Musiker die Klöppel der Glocken über einen sogenannten Stockspieltisch. Dazu drückt er mit seinen Fäusten gerundete Holzstäbe, auch Stocktasten genannt, mit Gefühl und Kraft herunter. Mit den Füßen bewegt er Pedale, die auf den ersten Blick an eine Orgel erinnern.

Der gebürtige Armenier ist einer von insgesamt sechs Carillonneuren, die im Roten Turm während der Sommersaison Konzerte geben. Von Barockmusik von Georg Friedrich Händel (1685-1759), der in der Stadt an der Saale geboren wurde, über Film- und Popmusik bis hin zu Hardrock. Die Melodien sind auf dem Marktplatz zu hören. Zu Gesicht bekommt der Zuhörer die Musiker dabei meist nicht. Denn der 600 Jahre alte Turm wird in der Regel nur zu Führungen geöffnet.

Im kommenden Jahr will der Glockenspieler Drambyan mit neuen Arrangements aufwarten. Songs von Metallica oder Rammstein könnten in der neuen Spielsaison ab April 2019 zu hören sein. Im Winter sei es dort zu kalt, um Konzerte zu spielen, sagt er und massiert seine Hände, bevor er die Tür vom Turm abschließt – mit einem ehrfürchtigen Blick nach oben, zu den Glocken.

Hier geht es zu seiner Internetseite.