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Onlinebanking Harzer bangt um sein Unternehmen

Eine Bank im Harz sollgrob fahrlässig gehandelt haben. Nun geht es für ein Ehepaar um die Existenz.

Von Matthias Fricke 27.11.2019, 00:01

Magdeburg l Nachdem Cyberkriminelle die Konten eines Harzer Ehepaars im Oktober vergangenen Jahres mit einem Online-Banking-Betrug leergeräumt haben, verlangt das Ehepaar Eddy und Nadine Ahrend von der Harzsparkasse knapp 60.000 Euro zurück.

Dazu läuft bereits seit Mitte September der Zivilprozess am Magdeburger Landgericht. Nach Ansicht der Kläger soll die Bank den Diebstahl des Geldes erst ermöglicht haben. Und laut gültiger Rechtssprechung müsste ohnehin ein grob fahrlässiges Verhalten des Kontoinhabers vorliegen, um ihn überhaupt in die Haftung nehmen zu können. „Das war hier aber nicht der Fall. Im Gegenteil. Die Harzsparkasse hat einfach auf den Anruf eines Unbekannten die Telefonnummer für das SMS-Banking geändert“, sagt Eddy Ahrend, der als Unternehmer Wohnungen und Ferienwohnungen im Harz vermietet. Die Bank bestreitet weiterhin alle Vorwürfe.

In der Verhandlung am Dienstag sollten die Ermittlungs-Akten der Polizei besprochen werden. Doch der Vorsitzende Richter der Zivilkammer, Hans-Michael Otto, musste feststellen, dass diese nicht vollständig zur Verfügung stehen. Sie sollen inzwischen von der Staatsanwaltschaft Halberstadt an andere Dienststellen in Dortmund und Nürnberg geschickt worden sein, weil es dort weitere Betrugsopfer von den gleichen Ganoven gibt. Es handele sich um mindestens acht Ermittlungen, bei denen die Täter dieselbe Handynummer nutzten und sich das Geld auf spanische Konten wie im Harzer Fall überweisen ließen.

Die Masche soll auch dort immer die Gleiche gewesen sein: Die Täter nutzten jeweils das sogenannte SMS-TAN-Verfahren von Sparkassen aus. Wie bei jedem Onlinebanking meldet sich der Nutzer zunächst mit seiner Kontonummer und der PIN-Nummer an. Diesen ersten Schritt in einem zweistufigen Sicherungsverfahren sollen die Täter durch einen Trojaner auf dem Laptop des Opfers ausspioniert haben. Das Landeskriminalamt fand später noch Fragmente einer solchen Schadsoftware.

Mit den ausspionierten Daten konnten die Täter zunächst nur die Konten und Unterkonten des Paares sehen. Für eine Überweisung oder andere Freigaben wird zusätzlich eine einmal generierte TAN-Nummer auf ein hinterlegtes Handy geschickt. Diese Nummer muss dann bei der Überweisung eingegeben werden. Im konkreten Fall riefen die Betrüger bei der Sparkasse an und nahmen telefonisch einen Wechsel eben dieser Telefonnummer vor. Diese Gespräche wurden aufgezeichnet und im Prozess am Montag abgespielt. Dabei fragte die Angestellte "Ist Ihre alte Nummer später noch erreichbar?" Der Täter sagt: "Nein, die wird abgeschaltet!" Hätte die Angestellte diese Nummer zurückgerufen, wäre klar gewesen, dass nicht Ahrend, sondern jemand anderes mit einer auf dem Display vorgegaukelten Telefonnummer angerufen hat.

Bei einem zweiten Anruf meldete sich der Unbekannte, der sich als Ahrend ausgab erneut. Diesmal sagte er, dass das Konto gesperrt worden ist. "Können Sie es freischalten?", fragte der Unbekannte. Die Angestellte tat es. Das Unternehmerpaar vermutet, dass das Konto wegen wiederholter Eingabeversuche gesperrt wurde, weil sie eine Auslandssperre aktiviert hatten. Diese wurde dann aber nach weiteren Anrufen des Betrügers und der TAN-Freigabe außer Kraft gesetzt. 64-mal generierten die Täter eine TAN über die neue Handynummer und überwiesen 14 einzelne Geldbeträge auf zwei Konten in Spanien. Die Täter hatten sogar bereits getätigte Überweisungen des Paares zurückgeholt, um an noch mehr Geld zu kommen.

Das Gericht will nun die restlichen Polizei-Akten anfordern. Ein neuer Prozesstermin steht noch nicht fest. Eddy Ahrend: "Ich bange um unsere sechs Angestellten. Ohne ein Urteil bekommen wir von anderen Banken auch keinen Kredit mehr."