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Andrea Mintus und Frank Wolter ließen sich vor 25 Jahren dazu überreden, ein echtes Brautpaar auf dem Pferdemarkt zu sein Heiratsmarkt: "Wir haben\'s keine Minute bereut"

Von Dieter Haase 06.09.2012, 05:19

Am 6. September vor 25 Jahren tobte im Mühlenholz noch das Leben auf dem Havelberger Pferdemarkt. Damals hieß dieser noch Großer Markt und Heiratsmarkt. Weswegen auch ein frischvermähltes Paar so ziemlich alle Augenpaare auf dem Festgelände auf sich zog.

Havelberg/Nitzow l "Eigentlich hatten wir nie die Absicht, unser Hochzeitsdatum auf die Tage des Pferdemarktes zu legen und dann auch noch im Brautkleid und Anzug übers Festgelände zu schlendern", blicken Andrea und Frank Wolter aus Nitzow auf ihre Hochzeit vor 25 Jahren zurück. "Aber die Standesbeamte Angela Schneider hat uns so lange ins Gebet genommen, bis wir uns schließlich ihren Überredungskünsten geschlagen gaben", erinnert sich Frank Wolter. Denn die Stadt wollte unbedingt die Tradition des Heiratsmarktes wiederbeleben und mit einem echten Paar eine zusätzliche Attraktion für die Händler und die Besucher im Mühlenholz schaffen.

Was zu DDR-Zeiten sonst nicht möglich war, machte die Stadtverwaltung für diesen Markthöhepunkt möglich. Andrea Mintus (aus Vehlgast) und Frank Wolter (aus Havelberg) durften nämlich an einem Sonntag im Eheschließungszimmer des Rathauses den Bund fürs Leben besiegeln. Bereits vor dem Rathaus wurde dem frisch vermählten Paar ein großer Empfang bereitet - unter anderem spielte dazu auch die Gruppe "Ungelenk" auf -, bevor es mit der festlich geschmückten Hochzeitskutsche hinaus ins Mühlenholz ging. Auf dem Weg dorthin legten Andrea und Frank Wolter noch einen planmäßigen Stopp vor dem Geschäft von "Foto-Blitz" in der damaligen Ernst-Thälmann-Straße (heute Lange Straße) ein, in dem sie sich für fachmännische Hochzeitsfotos angemeldet hatten. Doch dort standen sie vor verschlossenen Türen. Weil Sonntag war, hatten die Mitarbeiter der Firma den Fototermin völlig vergessen.

Auf dem Marktgelände vergaß das junge Paar dann aber den Ärger. "Von allen Seiten wurden uns die Hände geschüttelt, wir mussten einen Baum pflanzen - der aber leider nicht lange durchhielt -, hier und da Holz sägen, Schnüre durchschneiden und so ziemlich an jedem Stand von dessen kulinarischen Angeboten kosten. Und natürlich auch öfter auf unser Glück anstoßen", erzählt der Ehemann. Bäckermeister Wittstock überreichte zudem eine große, dreistöckige Hochzeitstorte, für die Frank Wolter als gelernter Tischler die hölzerne Platte selbst angefertigt hatte. "Bei der Bestellung im Bäckerladen sagte ich, dass sie für irgend so einen Bekloppten ist, der auf dem Markt heiraten will", schmunzelt Frank Wolter noch heute über die Auslassung des Zusatzes, dass er mit dem "Bekloppten" sich selbst meinte.

In einer weiteren, wesentlich kleineren Torte, die das Paar auf dem Markt komplett aufessen musste, waren Pfennige eingebacken. "Wer beim Verspeisen die meisten herausfischte, sollte das Sagen in der Ehe haben. Ich habe beim Essen ein bisschen geschummelt und so die meisten Geldstücke zusammenbekommen", weiß Andrea Wolter nach 25 Jahren noch ganz genau. Ob sie seitdem wirklich das Regiment im Haus führt, darüber möchte sich ihr Mann im Gespräch mit der Volksstimme jedoch nicht so deutlich äußern.

"Das Wichtigste am 6. September 1987 war: Wir hatten eine tolle Hochzeit und ein tolles Erlebnis auf dem Pferdemarkt, und wir haben es wirklich keine Minute lang bereut, dass wir uns dafür erst überreden lassen mussten", sagt er. Die Hochzeitstour über den Pferdemarkt brachte es für die jungen Leute auch mit sich, dass sie in den wohl seltenen Genuss von zwei Polterabenden in den Tagen vor dem Ja-Wort kamen: am Freitag in der Gaststätte in Vehlgast und am Sonnabend in ganz großer Runde mit viel Musik auf dem Festgelände im Mühlenholz.

Bleibt die Frage, wie sie sich eigentlich kennengelernt haben? "Das war 1984, drei Jahre vor der Hochzeit", berichtet Frank Wolter. Als damals 22-Jähriger bin ich mit Freunden nach einem Kinobesuch im Hotel ,Stadt Havelberg\' noch ein Bierchen trinken gewesen. Das kostete damals ja nur gut 50 Pfennige pro Glas. Als ich mal auf Toilette musste und von dieser wiederkam, war mein Platz besetzt. Die 18-jährige Schwesternschülerin Andrea saß darauf und unterhielt sich angeregt mit einem meiner Freunde. Bis es dann zwischen uns beiden funkte."

Seit 13 Jahren lebt das Paar in einem schönen Eigenheim in Nitzow. Es hat eine bereits 24-jährige Tochter.

Am morgigen Abend wird in der Gaststätte in Wulkau in großer Runde die Silberhochzeit gefeiert.