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Im Dezernat 24 des Landeskriminalamts fertigen Experten für Gifte, Chemikalien und Physik Gutachten an (Teil 7) "Hexenküche" in Halle und verätzte Kinderpos in Magdeburg

Von Bernd Kaufholz 28.01.2012, 04:18

Magdeburg l Es ist ein großes Drogenverfahren, das die Mitarbeiter des Dezernats 24 (Toxikologie, Chemie, Physik) im Jahr 2003 auf dem Tisch haben. Ein junger Mann, ein Doktor der Chemie aus Halle, gerät in den Verdacht, nicht nur auf erlaubten Gebieten zu experimentieren, sondern sein Fachwissen für kriminelle Drogenproduktion einzusetzen.

"Er wollte eine Art neue Droge herstellen", erinnert sich Frank Domaratius, selbst Chemiker und Chef des LKA-Dezernats. "Die Kollegen haben bei einer Hausdurchsuchung riesige Mengen von Chemikalien beschlagnahmt - mehr als 900 Kilogramm." Und in der "Hexenküche" seien nicht nur "normale Chemikalien" gefunden worden, sondern auch "echte Exoten". Das meiste habe sich der Naturwissenschaftler von seinem Institut, in dem er arbeitet, nach Hause liefern lassen.

"Wir hatten mehrere Tage vor Ort zu tun, um eine Liste aller Chemikalien zu erstellen."

Doch sei die Chemie nur eine von drei Seiten des Dezernats, sagt Domaratius, der fast Gründungsmitglied des LKA Sachsen-Anhalt geworden wäre und inzwischen schon 20 Jahre als Wissenschaftler in der Polizeibehörde arbeitet.

Das Dezernat kommt auch immer dann zum Einsatz, wenn irgendwo unbekannte Substanzen gefunden werden, zum Beispiel durch spielende Kinder. "Gleich nach der Wende war es schlimm. Da haben viele Betriebe geschlossen. Entweder haben sie ihre chemischen Abfälle einfach irgendwo entsorgt oder sie blieben auf dem Fabrikgelände liegen." Auf solcherart "Abenteuerspielplätzen" hätten sich Kinder häufig verätzt.

Die LKA-Chemiker müssen sich seit einigen Jahren mit einer neuen Art von Verbrechen beschäftigen - dann, wenn Supermärkte erpresst werden. Zum Beispiel durch Injektionen in Lebensmittel. "Wir haben auch mal Benzin in Joghurt gefunden", erzählt Domaratius.

Zudem beschäftigen sich die Wissenschaftler mit schweren Verkehrsunfällen. Dabei werden Minimalanhaftungen von Lacksplittern analysiert um nachzuweisen, ob ein Fahrzeug an einem Unfall beteiligt war oder um einen Verdacht auszuschließen.

Auch für Kleberanalysen ist das Dezernat zuständig. Zum Beispiel im Zusammenhang von Drohbriefen.

Acetonperoxid ist "out"

Seit Ende des vergangenen Jahres stapeln sich die Sprengmittelgutachten auf den Tischen der Spezialisten. Stichwort: Polenböller. "Das Sprengen von Telefonzellen mit nicht zugelassener Pyrotechnik hat dermaßen zugenommen", sagt Domaratius. "Früher war es Acetonperoxid (auch bekannt als APEX oder TATP, d. Red.), ein hochexplosiver Stoff, der aus handelsüblichen Zutaten hergestellt wurde, um irgendetwas in die Luft zu sprengen."

Bereits ein Kilogramm genüge, um von einem Einfamilienhaus die Decke anzuheben - wie jüngst geschehen. "Wir stellen diese Chemikalie für die Ausbildung der Sprengstoffsuchhunde an unserer Polizeihundeführerschule in Pretzsch her."

Die Physiker sind immer dann im Ermittlerboot, wenn es um "Schmauchspuren" geht. Also Anhaftungen kleinster Pulverreste, die eine Menge über den Schützen und die Waffe aussagen können.

Die Giftexperten beschäftigen sich mit Drogen. "Über den Gaschromatografen werden die Stoffe getrennt und per Massenspektrometer analysiert". Letzteres geschieht über die unterschiedlichen Sollbruchstellen der Moleküle. Für diese gibt es Bibliotheken, die verraten, um welches Rauschgift es sich handelt. Den Wirkstoffgehalt der einzelnen Drogen bestimmen die Chemiker dann wieder mit dem Gaschromatografen.

"An erster Stelle stehen immer noch Cannabis und Amfetamine, aber auch Heroin ist in Sachsen-Anhalt schon lange kein Exot mehr." Allein im vergangenen Jahr habe das LKA-Dezernat 24 fast 1000 Drogen-Vorgänge mit mehreren tausend Spuren bearbeitet.

Die Wissenschaftler sind auch immer dann gefragt, wenn es um Umweltanalysen geht. "Wir bekommen Proben, wenn Gülle oder Silage ins Wasser gelaufen ist oder die Wasserschutzpolizei veröltes Wasser findet", berichtet der Chemiker. Und es sei durchaus möglich, anhand von Vergleichsproben aus Schiffen genau festzustellen, wer der Umweltverschmutzer war.

Ein kurioses Beispiel der Dezernatsarbeit nennt Domaratius zum Schluss. "In einer Kindertagesstätte hatte es mehrer Fälle von Verätzungen gegeben. Kinder, die auf der Toilette waren, hatten den geröteten Abdruck der Klobrille am Po." Im Dezernat wurde eine der Brillen untersucht und es fanden sich kleinste Kristalle eines scharfen Putzmittels. Die Reinigungskraft hatte den Toilettensitz nicht genügend mit Wasser nachgespült.

Nächste Woche:

Klassische Kriminaltechnik