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Hochschulen Die seltene Professorin

Ulrike Steinmann darf sich neuerdings Professorin nennen. Damit ist die Magdeburgerin eine Seltenheit in der Hochschullandschaft.

Von Elisa Sowieja 22.03.2017, 00:01

Magdeburg l Für diese Interview­vorbereitung gibt‘s ein Summa Cum Laude mit Bienchen obendrauf. Zwei Seiten voller Stichpunkte hat Ulrike Steinmann am Computer zusammengetippt. Und ein paar Zeilen auf einen Block gekritzelt: Notizen zu einer Doktorarbeit über Frauen in technischen Studiengängen, die sie noch fix quergelesen hat. Alles, um über ihren neuen Job und seine Haken zu plaudern. „Ich bin nun mal gern vorbereitet“, sagt sie schulternzuckend. Dann grinst sie gelassen.

Im Februar hat die 38-Jährige an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität die Professur für Messtechnik übernommen. Das Besondere daran: Sie ist die erste Frau, die es an der Fakultät für Elektrotechnik auf einen Professorenstuhl geschafft hat. Das liegt nicht nur am Fachgebiet, sondern auch daran, dass generell auf diesen Stühlen viel mehr Männer sitzen. Nur jeder fünfte Professor an Sachsen-Anhalts Hochschulen ist weiblich. Und das, obwohl zuletzt die Hälfte der Studienanfänger Frauen waren. Bundesweit sieht es nicht besser aus.

Steinmann ist nach ein paar Jahren am Magdeburger Forschungsinstitut Ifak für die Professur an ihre alte Uni zurückgekehrt. Dort darf sie jetzt sogar eine Fachrichtung erfinden, erzählt sie. Denn ihr Lehrstuhl ist neu. Ein Schwerpunkt steht schon fest: Ultraschallsysteme. Dabei werden Signale, die Sensoren senden – etwa solche für Druck oder Temperatur – ausgelesen und gedeutet. So kann man dann Biogasanlagen, Windräder oder Autos verbessern. Ein Beispiel: Die Magdeburgerin hat schon an einem System mitgeforscht, das den Airbag genauer als bisher erkennen lässt, wann er auslösen muss.

Wenn Steinmann erzählt, dann fallen zwei Dinge auf. Erstens: Für eine Theoretikerin kann sie verblüffend praktisch erklären. Da kommt selbst ein Gegenüber, dessen Erinnerungen an die Schulphysik geprägt sind von Fragezeichen, auf Anhieb mit. Und zweitens: ihre entspannte Selbstsicherheit. „Das hat sich erst mit der Zeit entwickelt“, erklärt sie. „Vor 20 Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich es mal bis zur Professorin schaffen würde.“

Diese Entwicklung gelingt nicht jedem. „Ich habe den Eindruck, Frauen trauen sich selbst oft nicht so viel zu, vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern“, sagt die Wissenschaftlerin. Das beobachtet auch die Gleichstellungsbeauftragte ihrer Uni, Sandra Tiefel: „In Bewerbungsverfahren sind Frauen viel kritischer mit sich. Wenn sie von zehn Anforderungen eine nicht erfüllen, thematisieren sie das. Wenn Männer nur eine erfüllen, tun sie so, als würden sie alle zehn Dinge beherrschen.“

Steinmann hat aber auch noch eine andere, viel greifbarere Erklärung dafür, dass Kolleginnnen so rar sind: die Kinderplanung. Denn der Job bringt nicht nur viele Abendtermine und Dienstreisen mit sich, sondern auch Zeitfresser, die unvorhersehbar sind: „Eine wissenschaftliche Frage wirft manchmal 100 weitere auf. Da muss man dann plötzlich mal große Mengen Literatur durchsuchen oder ein neues Experiment einschieben.“ Sie selbst hat zwar einen zweijährigen Sohn. „Das funktioniert aber nur, weil die Großeltern in Magdeburg wohnen und weil mein Mann und ich abends Arbeit mit nach Hause nehmen.“

Auch Louisa Klemmer kennt diese Herausforderung. Sie ist an der Hochschule Harz Professorin für Tourismusmanagement und zudem seit kurzem Prorektorin. Wenn sie mal wieder länger arbeitet, kümmert sich ihr Mann ums Kind. Der Druck, trotz des Zeitaufwands einer Familie gerecht zu werden, sei groß, findet sie.

Es geht hier aber nicht nur um die Arbeitszeit. Ein Problem sind auch die befristeten Verträge. Die sind in allen Wissenschaftler-Positionen unter dem Professor gang und gäbe – keine attraktive Voraussetzung, um zwischendurch schwanger zu werden. Zudem kann Frauen eine Schwangerschaft später beim Berufungsverfahren schnell aus dem Rennen werfen. Denn ein Kriterium ist in der Regel die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen – wofür Mütter wegen ihrer Auszeit weniger Zeit hatten.

Die Hochschulen im Land drehen gerade an kleinen Stellschrauben, um den Frauenanteil zu erhöhen. An der Magdeburger Uni etwa treten voraussichtlich im Sommer neue Regeln für Berufungsverfahren in Kraft. Dazu gehört, dass bei der Ausschreibung einer Stelle Frauen angesprochen und aufgefordert werden sollen, sich zu bewerben. Zudem will man die Elternzeit bei Publikationen anrechnen. An der Hochschule Harz wurde die Gleichstellung hoch in die Rektoratsebene gezogen. Dort gibt es jetzt einen Prorektor, der zum Beispiel überwacht, dass die Kriterien in der Ausschreibung Männer nicht bevorzugen.

Auf Landesebene läuft zudem das Förderprogramm „FEM-Power“ zur Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Wissenschaft. Aus dem Fördertopf der Europäischen Union und des Landes werden auch Schritte für Frauen auf dem Weg zur Professur gefördert, zum Beispiel Stellen als Juniorprofessorin.

Ein Problem können die Stellschrauben allerdings nicht lösen: Vorurteile. Die seien nicht zu leugnen, sagt Petra Schneider, Professorin für Internationale Wasserwirtschaft an der Hochschule Magdeburg-Stendal: „Na sicher gibt‘s die. Jeder, der etwas anderes denkt, lebt auf dem Mond.“ Frauen würden länger brauchen, bis sie zum Zug kämen. „Ich hatte damals fünf Bewerbungsgespräche – immer ging die Professur an einen Mann.“ Sie glaubt: „Männer haben Angst, eine Frau könnte an ihnen vorbeiziehen.“ Auch Gleichstellungsbeauftragte Tiefel hört oft zwischen den Zeilen Vorurteile heraus: „Frauen wird zum Beispiel nicht zugetraut, dass sie in einer Kooperation die Interessen ihrer Hochschule durchsetzen.“

Ulrike Steinmann hingegen hat sich in ihrer Laufbahn nie in die zweite Reihe gestellt gefühlt. „Vielleicht hatte ich Glück“, sagt sie. Geholfen haben könnte allerdings auch, dass sie möglichen Kritikern stets den Wind aus den Segeln nahm. Denn ihre Muster-Vorbereitung auf Termine, die kannte man von ihr schon als Studentin.