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Hochwasserschutz Flüsse dürfen sich breitmachen

Aus der Hochwasser-Katastrophe 2013 hat Sachsen-Anhalt einige Lehren gezogen und will nun Maßnahmen umsetzen.

Von Jens Schmidt 20.08.2020, 18:50

Magdeburg l Von 1946 bis 1948 erlebte Mitteldeutschland drei schwere Elbhochwasser hintereinander. Ein weiteres folgte 1954. Dann war es für fünf Jahrzehnte lang recht ruhig. Bis zum August 2002. Die Jahrhundertflut richtete Milliardenschäden an. Nun begann Sachsen-Anhalt ernsthaft, Deiche zu modernisieren. Gegen neue Überflutungsflächen aber sträubten sich noch viele: Fast niemand wollte Land abgeben, und viele Politiker scheuten die immensen Kosten.

Das änderte sich erst im Frühsommer 2013. Gleich zwei Flüsse – Elbe und Saale – waren randvoll. Bei Barby vereinigten sich beide Flutwellen; das Wasser türmte sich zu bis dahin unvorstellbarerer Höhe auf. Am Pegel Magdeburg-Strombrücke waren es 7,46 Meter. Normal sind 1,89 Meter. Fast zehn Meter meldete Niegripp – sechs Meter über Normal. In Breitenhagen an der Saale und in Fischbeck an der Elbe barsten Deiche. Schäden summierten sich auf zwei Milliarden Euro.

Die Konsequenz ist klar: Die Flüsse brauchen wieder mehr Platz. Kann sich das Wasser ausbreiten, sinken die Wasserstände; das kann Tausende Häuser vor einer Überschwemmung bewahren.

Jahrhundertelang wurden Flüsse eingedeicht und eingezwängt. Allein auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts hatte die Elbe mal 2500 Quadratkilometer Flutfläche. Etwa 80 Prozent davon sind in den letzten 100 Jahren verloren gegangen. Zudem wurde der Fluss zur besseren Schiffbarkeit begradigt. Die Elbe verlor dadurch 80 Kilometer, die Fließgeschwindigkeit des Wassers stieg.

Vor der Flut 2013 hatte Sachsen-Anhalt einen ersten, vagen Bauplan für neue Flutflächen. Größe: 26 Quadratkilometer. Wie wenig das ist, sah man nach den beiden Deichbrüchen. Bei Breitenhagen überschwemmt die Saale ein Areal von 80 Quadratkilometern. Bei Fischbeck flutet die Elbe ein Gebiet von 150 Quadratkilometern. Es war klar: Die vom Land geplanten Überflutungsflächen waren dagegen Pfützen.

2016 wurde ein neuer Plan vorgelegt. 23 Vorhaben stehen auf dem Papier. Nun sind es immerhin 100 Quadratkilometer mehr Platz für Elbe, Saale, Mulde, Schwarze und Weiße Elster. Jetzt, 2020, wurde die Liste erweitert. Nun sind es 33 Vorhaben mit insgesamt 160 Quadratkilometern neuer Überflutungsfläche. Das ist immer noch ein Klacks verglichen mit den ursprünglichen Auen. Doch Besiedlung, Landwirtschaft und Kosten setzen Grenzen.

Einige wenige Bauten sind erst verwirklicht. Die bislang größte neue Flutfläche entstand im April 2017 im Lödderitzer Forst an der Elbe. Dort, zwischen Schönebeck und Aken, hat der Fluss bei Hochwasser sechs Quadratkilometer mehr Platz. Das war das größte Areal, das bis dahin einem Fluss in Deutschland je wieder zurückgegeben worden war. Bei einer erneuten Flut würden die Wasserstände in den Anrainer-Gemeinden um etwa 30 Zentimeter niedriger ausfallen. Das kann entscheidend sein.

Gebaut werden auch neue Flutpolder. Die sind besonders wirksam, aber auch besonders teuer. In der gefährlichsten Phase einer Flut werden sie geöffnet und bewirken, dass der Wasserstand im Fluss um gut 70 Zentimeter fällt. In drei Jahren soll der Mulde-Polder Rösa bei Bitterfeld fertig sein.

Trotz neuer Flutflächen: Bessere Deiche werden dennoch benötigt, um Anrainer zu schützen. Das Jahr 2013 setzte auch hier neue Maßstäbe. Seitdem werden 30 Zentimeter draufgesattelt. Ab Magdeburg-Herrenkrug werden die Wälle in Richtung Norden nun 8,25 Meter hoch.