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Hotelzimmer-AffäreLena K. und das A-Wort

Das Magdeburger Amtsgericht hat eine frühere Mitarbeiterin der AfD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalts wegen Beleidigung verwarnt.

Von Michael Bock 18.09.2018, 20:38

Magdeburg l Im Januar 2017 reicht es Lena Knorr. Über Facebook attackiert sie den damaligen AfD-Fraktionschef André Poggenburg massiv. Er sei ein „Verbrecher, ein Lügner und ein ehrloser Mann“, schreibt die heute 35-Jährige. Der AfD-Fraktionsvorstand? Eine „kriminelle Bande“. In einem anderen, ebenfalls über die sozialen Medien verbreiteten Text fragt die junge Frau mit Blick auf Poggenburg: „Wie fühlt es sich an, ein Arschloch zu sein?“

Kurz danach, Ende Januar 2017, stellt Poggenburg Strafanzeige – unter anderem wegen des Verbreitens unwahrer Tatsachen und wegen Beleidigung.

Das Ganze hat eine Vorgeschichte: Lena K. spielt eine Hauptrolle in der sogenannten Hotelzimmer-Affäre. Sie wirft dem Staßfurter AfD-Landtagsabgeordneten Matthias Büttner vor, sie im November 2016 in Erfurt in einem gemeinsamen Doppelzimmer sexuell bedrängt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung. Büttner bestreitet alle Vorwürfe vehement. Er hat seinerseits die Frau unter anderem wegen Verleumdung und Stalkings angezeigt.

Lena Knorr fühlt sich von Poggenburg schmählich im Stich gelassen. „Er war von Anfang an in alles involviert“, sagt sie gestern in Saal 2 des Amtsgerichts. „Er hat mich überredet, nicht zur Polizei zu gehen.“ Er habe darauf verwiesen, dass Bundestagswahlen anstünden. Lena Knorr lässt sich zunächst darauf ein. Sie sagt: „Ich habe meinem Vorgesetzten vertraut, dass ich Schutz bekomme.“

Doch es kommt anders. Im Dezember 2016 wird Lena Knorr entlassen. Poggenburg, der bis zum Zeitpunkt der Kündigung keine Kenntnis von den Vorwürfen gegen Büttner gehabt haben will, begründet den Rausschmiss mit „erheblichen fachlichen Beanstandungen“. Zeitgleich loben andere AfD-Abgeordnete die Arbeit der Politologin. Ihre Gegenspieler in der AfD werfen ihr vor, bei ihrer Bewerbung die Studien-Abschlussnote gefälscht zu haben.

Lena Knorr mutmaßt, ihr sei gekündigt worden, um eine Straftat zu vertuschen. Sie klagt auf Wiedereinstellung. In erster Instanz hat sie im Juni 2017 vor dem Arbeitsgericht Magdeburg verloren.

Jetzt, im Amtsgericht, sagt sie, es werde versucht, ihren Ruf zu ruinieren, sie sogar in die Psychiatrie einzuweisen.

Richter Martin Schleupner zeigt sich sehr verständnisvoll. „Sie kämpfen gegen viele“, sagt er. „Es wird mit harten Bandagen gekämpft.“ Auch die AfD sei „kein Kind von Traurigkeit“. In einem Punkt aber lässt der Richter überhaupt nicht mit sich reden. „Das Wort mit A, das geht nicht. Das kann man nicht öffentlich posten. Sie müssen akzeptieren, dass es Grenzen gibt. Bei allen Vorwürfen muss man die Form wahren.“

Knorrs Anwältin, Julia Hartwig, spricht mit Blick auf den Strafantrag Poggenburgs von einem „schmutzigen politischen Geschäft, um meine Mandantin zu beschädigen“. Sie führt ein „Recht auf Gegenschlag“ an und verweist auf Meinungs- und Kunstfreiheit, die Äußerungen wie die von Lena Knorr zuließen.

Doch darauf lässt sich der Richter nicht ein. Wegen Beleidigung verwarnt das Amtsgericht Lena Knorr, sie soll zudem 500 Euro an das Kinderhospiz in Magdeburg zahlen. „Das ist die unterste Strafe, die es überhaupt gibt“, sagt Richter Schleupner.

Doch Lena Knorr bricht in Tränen aus. Das Urteil sei ein Sieg für ihre Widersacher, ihre „Peiniger“, die ihr Leben zerstört hätten. „Das ist eine Existenzvernichtung“, sagt sie. „Es geht um meine Würde.“

Richter Schleupner, nach wie vor sehr empathisch, versucht zu beschwichtigen. „Davon geht die Welt nicht unter. Morgen geht die Sonne wieder auf, dann ist ein neuer Tag.“ Für Lena Knorr zählt das Hier und Heute. Sie will in Berufung gehen. Nächste Instanz ist das Landgericht.