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Seit 2009 werden alle Hunde im Land durch das Zentrale Hunderegister erfasst / Zum ersten Mal eine Übersicht der beliebtesten Rassen. Von Oliver Schlicht Hunde: Sachsen-Anhalt ist das Land der Möpse

11.12.2012, 01:33

Der Labrador Retriever ist die beliebteste Hunderasse in Sachsen-Anhalt. Keine andere Rasse wurde häufiger bei kommunalen Behörden angemeldet. Im Zentralen Hunderegister werden seit 2009 im Land alle Neuanmeldungen von Hunden erfasst - ein Novum in Deutschland.

Magdeburg l Er ist kräftig von der Statur, etwa 55 Zentimeter hoch, hat ein gutmütiges Wesen und geht gern ins Wasser. Und seine Vorfahren kommen aus Großbritannien. Alles Eigenschaften, die den Labrador Retriever bei Hundefreunden aus Sachsen-Anhalt aktuell zum beliebtesten Vierbeiner des Landes machen. Genau 3908 Halter haben in den vergangenen vier Jahren ihren Labrador bei Ordnungsämtern in Verwaltungsgemeinschaften und Städten angemeldet. Auf Platz zwei folgt der Jack Russell Terrier (2797 Anmeldungen) und auf Platz drei nur knapp dahinter der Deutsche Schäferhund (2739 Anmeldungen).

Dass diese Daten zur Verfügung stehen, ist ein besonderes Novum in Deutschland. Und das hat einen Grund. Zum Hintergrund: Genau 122 Kommunen gibt es allein in Sachsen-Anhalt. Alle erfassen über ihre Ordnungsämter Hunde und ihre Halter, um Hundesteuern erheben zu können. Da die Hundesteuer bundesweit in den kommunalen Aufgabenbereich fällt, werden die Daten der Hundehalter in der Regel auch nur dort registriert und nicht statistisch von Landkreisen oder in den Ländern zusammengefasst. Deshalb liegen verlässliche, übergreifende Daten zu Hundeanmeldungen kaum oder überhaupt nicht vor.

Sachsen-Anhalt hat seit 2009 ein Hunderegister

Mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt. Das Anfang 2009 in Kraft getretene "Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren" - umgangsprachlich "Kampfhundegesetz" genannt - sah auch den Aufbau eines "Zentralen Hunderegisters Sachsen-Anhalt" vor. Seit Inkrafttreten des Gesetzes 2009 werden alle neu angemeldeten Hunde in den 122 Kommunen Sachsen-Anhalts über ein einheitliches Verwaltungsprogramm an das Hunderegister weitergeleitet.

Das Landesverwaltungsamt Magdeburg, wo das Hunderegister geführt wird, hat nun auf Bitten der Volksstimme diese Daten in Bezug auf die verschiedenen Rassen zum ersten Mal für die Öffentlichkeit ausgewertet. "Mir ist in Deutschland kein anderes Hunderegister bekannt, wo eine solche Datenauswertung möglich wäre", sagt Urs-Vito Kaase, im Landesverwaltungsamt leitend mit zwei Mitarbeiterinnen zuständig für das Hunderegister.

Genau 37070 Hunde wurden seit 2009 im Register erfasst. Die "Kampfhunde" sind dabei mit 1317 Hunden eine vergleichsweise kleine Gruppe. Kaase: "Es gab im Laufe der vergangenen vier Jahre auch keine Anhaltspunkte, dass die Zahl der Halter, die Vermutungshunde anmelden, ab- oder zunimmt." Das ist insofern erstaunlich, weil auf Halter der vier Vermutungshunderassen (Grafik) seit 2009 hohe Kosten zum Beispiel für den Wesenstest des Tieres (450 Euro) zukommen.

Überwiegend nicht im Hunderegister enthalten sind Tiere, die vor 2009 bei den Behörden angemeldet wurden. Das Register wird erst im Laufe eines Hundelebens - das sind etwa 15 Jahre - einen halbwegs kompletten Überblick über die Zahl der registrierten Hunde liefern können. Dazu sei auch Überzeugungsarbeit in den Behörden notwendig. Kaase ist "nicht sicher, ob wirklich alle Ordnungsämter ihre Daten korrekt in das entsprechende Verwaltungsprogramm einpflegen". 2009 habe eine Umfrage bei allen Ordnungs- und Katasterämtern ergeben, dass in Sachsen-Anhalt rund 195000 Hunde registriert seien. Kaase: "Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass es insgesamt wohl um die 300000 Hunde in Sachsen-Anhalt gibt."

Bezogen auf die Beliebtheit von Hunderassen lassen sich aber bei einer Gesamtzahl von 37070 Hunden durchaus schon jetzt Rückschlüsse ziehen. Möglich ist hier eine Übersicht für das Land insgesamt und im nördlichen Sachsen-Anhalt auch für die Landeshauptstadt Magdeburg. Nach Landkreisen aufgegliedert spuckt das Hunderegister leider keine Daten aus.

In der landesweiten Top-Ten-Liste finden sich alte Bekannte, die seit Jahrzehnten den Menschen treue Begleiter sind. Der Dackel kommt auf Platz 6 (1205 Anmeldungen), der Golden Retriever erreicht Platz 8 (1046 Anmeldungen). Aber es gibt auch kleine Überraschungen: So sind die Rassen der kleinen "Knautscher" Mops (Platz 10, 881 Anmeldungen) und Französische Bulldogge (Platz 5, 1276 Anmeldungen) in Sachsen-Anhalt prominent vertreten. Ganz im Gegensatz zu der Welpenstatistik vom Verband für das deutsche Hundewesen (VDH). Dort registrieren Züchter aus ganz Deutschland ihre jährlichen Zuchterfolge. In der VDH-Liste, die vor allem am Jahresende von Medien gern unter der Überschrift "Deutschlands beliebteste Hunderassen" vermeldet wird, spielen Mops und französische Bulldogge nur auf den hinteren Plätzen eine Rolle.

2011 - aus diesem Jahr stammen die jüngsten Daten - wurden beim VDH bundesweit nur 693 Möpse und 301 französische Bulldoggen registriert. "Diese Rassen haben sich bei Züchtern in Deutschland noch nicht so durchgesetzt", sagt VDH-Pressesprecher Udo Kopernik. Möpse und französische Bulldoggen seien aber sehr beliebt, was auch die Zahlen des Hunderegisters in Sachsen-Anhalt belegen. "Viele der Tiere werden über den Hundehandel vertrieben. Sie werden häufig in Polen oder Ungarn gezüchtet und in Deutschland verkauft."

Bei den VDH-Züchtern liegt bundesweit der Deutsche Schäferhund mit 13339 Züchtungen 2011 unangefochten auf Platz 1. Auf dem zweiten Platz folgt der Dackel mit 6301 Züchtungen. Daraus zu schlussfolgern, dass diese altbekannten Rassen immer noch die deutschen Lieblingshunde schlechthin sind, entspricht wohl eher nicht der Realität, wie das Hunderegister in Sachsen-Anhalt verrät. Dies muss auch VDH-Pressesprecher Udo Kopernik anerkennen: "Es ist sehr interessant, einen Überblick über die tatsächlich angemeldeten Hunderassen zu bekommen. Solche Daten liegen uns bislang nicht vor."

Beim kleinen Chihuahua kann der Hunde-Fachmann sich nur verwundert am Kopf kratzen. "Mit 1153 Anmeldungen in Sachsen-Anhalt auf Platz 7. Und bei den VDH-Züchtermeldungen 2011 mit 152 Züchtungen bundesweit auf den hinteren Plätzen. Das ist schon sehr erstaunlich."

63 Exoten mit nur einer einzelnen Registrierung

Nicht nur die beliebtesten Hunde sind im Zentralen Hunderegister Sachsen-Anhalts erfasst, sondern auch die Exoten. Bei der Zusammenstellung der Daten für die Volksstimme haben Urs-Vito Kaase und seine beiden Mitarbeiterinnen ganz erstaunliche Entdeckungen gemacht. "Ich war selbst überrascht, was für Rassen es alles gibt", sagt er lächelnd. 63 verschiedene Rassen wurden zwischen Anfang 2009 und November 2012 mit nur einem einzelnen Hund von Sachsen-Anhalts Behörden registriert.

Darunter waren zum Beispiel eine Tiroler Bracke, ein Arabischer Windhund, ein Affenpinscher, ein Billy, ein Azawakh und ein Kishu.

Und es waren Hunde darunter mit wirklich klangvollen Namen wie Cao da serra da Estrela oder ein Erdelyl Kopo, um nur zwei zu nennen. Bei den Exoten mit nur einer Regis-trierung finden sich aber auch Rassen, die Hunde-Freunde vielleicht häufiger erwartet hätten. Die allerdings in seltener "Modellausführung". Zum Beispiel einen falbfarbenen Briard (französischer Hütehund), einen braunen Neufundländer oder einen Kurzhaar-Bernhardiner.

Das Zentrale Hunderegister ist in jedem Fall eine Fundgrube. Der Datenbestand wird von Jahr zu Jahr besser. Im März 2013 beginnt eine mehrmonatige Evaluierungsphase, in der das "Kampfhundegesetz" vier Jahre nach Inkrafttreten auf den Prüfstand gehoben werden soll - dazu gehört auch das Hunderegister. "Ich würde mir wünschen, dass die Daten von Hundehaltern weitergereicht und zwischen Behörden ausgetauscht werden können. Das wäre zum Beispiel von Vorteil, wenn jemand umzieht", nennt Kaase ein Beispiel. Aus Datenschutzgründen ist das bislang nicht möglich. Das Gesetz selbst kommt auch auf den Prüfstand. "Da gibt es vermutlich erheblich Diskussionsbedarf", so der Mitarbeiter des Landesverwaltungsamtes.