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Brauchtum Wöchnerinnensuppe Hundertmal gerührt: Deftige Brühe für Mutter und Kind

Wöchnerinnensuppe - wo gibt es das heutzutage noch? Seit einigen Jahren
auf jeden Fall in Ummendorf. Nach jeder Niederkunft legen die Frauen des
Trachten- und Brauchtumsvereins los und bekochen die Mutter des
neuesten Gemeindemitglieds. Dieser Tage haben sie die Suppe zum
hundertsten Mal angesetzt.

Von Ronny Schoof 28.05.2014, 03:20

Ummendorf l Die Belebung lieber Bräuche ist für den Verein von wesentlicher Bedeutung. Auf das Kochen von Wöchnerinnensuppen hat man sich deshalb schon seit der Gründung im Jahr 2002 verlegt. Anfangs kamen nur die Vereinsbabys und ihre Mütter in den Genuss der tradierten Kraftbrühe.

Doch es dauerte nicht lange, da entschlossen sich die eifrigen "Küchenmägde", fortan für alle neuen Ummendorfer Erdenbürger zu kochen. So ist in steter Unregelmäßigkeit mehrmals im Jahr Topf- und Schüsseldienst angesagt. "Im bislang geburtsstärksten Jahr 2012 wurden 14 Babys im Ort geboren. Da wurden viele Suppenhühner gebraucht", erinnert sich Sigrid Prier.

Für sie und ihre Vereinskolleginnen steht fest: "Die Wöchnerinnensuppe gehört bei uns einfach zur örtlichen Brauchtumspflege dazu." Prier erklärt die historische Überlieferung: "Es war früher Brauch und Sitte, dass die Nachbarn, Verwandten oder Freunde eine kräftige Suppe für die Familie der Wöchnerin gekocht haben. Damals fanden die Geburten fast alle zuhause statt, oft gab es Geschwisterkinder und die frisch Entbundene brauchte etwas Ruhe und konnte die Familie nicht gleich wieder versorgen."

Deftig sollte die Brühe sein, versehen mit Rindfleisch, Hühnchen oder Taube, dazu je nach Jahreszeit feine Einlagen wie Spargel, Erbsen, Möhren und Sellerie sowie Eierstich und Hausmachernudeln. Nach dieser Rezeptur verfahren die Vereinsfrauen klassisch und routiniert bis heute. Der jüngste Einsatz am Herd war ein besonderer: Im alten Bauernhaus auf Heinemanns Hof wurde Wöchnerinnensuppe Nummer einhundert angerührt.

"Alle Zutaten werden frisch verarbeitet", betont Sigrid Prier. Zuerst wird das Suppenhuhn mit Suppengrün abgekocht. Gehacktes wird zu Fleischklößchen geformt, Gemüse separat gegart. Zwiebeln bleiben außen vor - der blähenden Wirkung wegen, die sich beim Stillen auf das Kind übertragen kann. Filigran wird`s beim Eierstich: "Der ist in der Herstellung aus frischen Landeiern, Milch und Muskatnuss schon etwas anspruchsvoller", weiß Prier. Schließlich werden noch selbstgerollte Semmelklößchen und als i-Tüpfelchen die Nudeln in die Brühe gegeben. Auch die werden nicht einfach fertig gekauft, sondern aus dem eigens zubereiteten Teig in dünnen Streifen zugeschnitten.

"So entsteht eine leckere Wöchnerinnensuppe", sagt Sigrid Prier, "die dann portionsweise in Thermobehälter abgefüllt und an die Familie gegeben wird." Obendrein bekommt der Wonneproppen einen Teller mit seinem Namen und Geburtsdatum. "Und damit das Baby immer warme Füßchen hat, gibt es noch ein Paar selbstgestrickte Babystrümpfe. Die werden von unseren Seniorinnen im monatlichen Handarbeitsnachmittag gefertigt."

Diese Gaben empfing nun als hundertste Wöchnerin, die vom Trachten- und Brauchtumsverein umsorgt wurde, Isabelle Falke mit Sohnemann Mio, geboren am 3. April. Wenige Tage zuvor war Niklas Klose die Nummer 99 - und den Brauchtumspflegerinnen kam bereits zu Ohren, dass die nächsten zwei Sprösslinge unterwegs sind. Die Köchinnen freut\'s: "Da wächst unser Babyfotoalbum also rasch weiter an und können wir demnächst wieder unsere hausfraulichen Talente beim Suppekochen unter Beweis stellen."