Idylle trügt - am Hartenberg im Harz wird heftig um den Trinkwasserpreis gestritten
Um die Trinkwasserversorgung einer Bungalowsiedlung am Hartenberg bei Elbingerode wird seit 20 Jahren gestritten. Datschenbewohner wollen trotz Außenlage nur den normalen Preis zahlen, der Versorger will keine Extrakosten für die Allgemeinheit. Er fordert 57,52 Euro für den Kubikmeter.
Elbingerode l Die Hartenberger bleiben hart. "Wir sind nicht bereit, den hohen Trinkwasserpreis von 57,52 Euro je Kubikmeter zu bezahlen", stellt Frank Schellenberger klar. Der 61-jährige Ruheständler aus Halberstadt ist seit 1964 regelmäßig am Hartenberg. Er übernahm das schmucke Häuschen dort schon von seinem Vater, lebt heute mit seiner arbeitslosen Partnerin nahezu jedes Wochenende in der kleinen Siedlung oberhalb von Elbingerode.
Schellenberger zählt sich mit Jens und Brigitte Meißner sowie Joachim Herbke mit zu den Aktivisten im Hartenbergverein. Dessen Forderung: Die Bungalowbewohner zahlen denselben und auch schon hohen Preis von 3,90 pro Kubikmeter Trinkwasser wie die Einwohner in Elbingerode und der ganzen Stadt Oberharz. "Was darüber liegt, wird nicht gezahlt", bleibt Schellenberger hart. Das betrifft auch die jetzt vorliegende erste Wasserrechnung für den Hartenbergverein als Anschlussnehmer, rund 7 386 Euro für 2011.
"Wir zahlen nur den normalen Preis"
Schellenberger, Hartenbergverein
Diese Summe bestätigt Nikolai Witte, Geschäftsführer des für den Hartenberg zuständigen Wasser- und Abwasserverbandes Holtemme-Bode. Und auch, dass sie noch offen ist. Warum über 50 Euro mehr verlangt werden als von der Allgemeinheit in der Stadt Oberharz, begründet der Geschäftsführer ganz nüchtern: "Die Hartenberger wohnen in einem Extragebiet und haben damit die Extrakosten zu tragen, die der Verband für ihre Trinkwasserversorgung aufbringen muss."
Das habe die Verbandsversammlung des Wasserverbandes Holtemme-Bode im Vorjahr beschlossen. Konsequenz: Die Hartenberger haben den kostendeckenden Wasserpreis von 57,52 Euro pro Kubikmeter zu bezahlen. Das ist sogar bedeutend mehr als auf der Brockenkuppe, einem anderen Extra-Versorgungsgebiet. Dort werden 17,51 Euro verlangt.
Als Grund für die enorme Preisspanne gelten die hohen Aufwände für Versorgung und Unterhaltung der Leitung zum Hartenberg. Würden diese Kosten auf die Allgemeinheit umgelegt, erläutert Witte, müssten alle Abnehmer im Verbandsgebiet Oberharz rund drei Cent pro Kubikmeter Trinkwasser mehr bezahlen. Die nötige Erneuerung der Leitung eingerechnet, würden es noch deutlich mehr.
Etwa 150 Kubikmeter Trinkwasser fließen pro Jahr in die Hartenbergsiedlung. Dafür aber müsse weit mehr Wasser, nämlich rund 2100 Kubikmeter, durch die 2,4 Kilometer lange Leitung kontrolliert gespült werden, um ihre Sauberkeit und damit die Qualität des Trinkwassers zu gewährleisten, so der Geschäftsführer.
Bei dieser Sachlage sieht Wernigerodes Oberbürgermeister und Chef der Verbandsversammlung Holtemme-Bode, Peter Gaffert (parteilos), keine andere Lösung, um die Allgemeinheit nicht zu belasten. "Wir sind uns aber durchaus bewusst", so Gaffert, "dass für die Hartenbergbewohner eine dauerhafte Lösung gefunden werden muss, besonders zum Nutzungscharakter der Bungalowanlage. Dazu muss sich endlich die Kreisverwaltung positionieren."
Das wird von dem seit einem Jahr für Elbingerode und den Hartenberg zuständigen Bürgermeister der Stadt Oberharz am Brocken, Frank Damsch (SPD), unterstrichen: "Wir sind nicht in der Lage, den Nutzern der Häuschen auf dem Hartenberg zu helfen."
Damsch ist einer von vier Vertretern der Stadt Oberharz im Wasserverband und begründet das Dilemma mit der in langen Jahren gewachsenen Rechtslage. Das Siedlungsgebiet am Hartenberg wurde nach der Wende von Elbingerode übernommen und schrumpfte. Von einstmals mehreren Nutzern, darunter ein ORWO-Betriebsferienheim und eine Waldgaststätte, blieben die heutigen etwa 18Bungalowbewohner. Das Gebiet sei nie planerisch berücksichtigt und im Flächennutzungsplan erfasst worden, so Damsch. Die Siedlung sei letztlich nur geduldet. "So schlimm das für die Bewohner sein mag, die Stadt Oberharz kann da nichts bewegen", sagt Damsch.
Er verweist darauf, dass sich in den 1990er Jahren bereits der Wasser- und Abwasserzweckverband Oberharz mit dem Hartenberg befasst und geprüft habe, ob die Kosten für die Wasserversorgung der geduldeten Siedlung von der Allgemeinheit zu übernehmen sind oder nicht.
"Kreisverwaltung muss sich positionieren"
Gaffert, Verbandsvorsitzender
In jenen Jahren kam die Verbandsversammlung Oberharz mehrfach zu dem Ergebnis, die Zusatzkosten seien der Allgemeinheit nicht zuzumuten. Daran hat sich mit Fusion zum Verband Holtemme-Bode nichts geändert. "Wie will ich jemandem in Stiege, Tanne, Sorge, Elend, Hasselfelde oder Benneckenstein erklären, dass er einen noch höheren Wasserpreis zahlen soll, weil wir Zweitwohnungen bei Elbingerode versorgen", argumentiert Damsch. "Ich verstehe den Einsatz der Hartenberger für ihre Siedlung, aber die Stadt kann die Kosten dafür nicht tragen."
Aus Sicht des Oberharzstadtchefs sollte die Kreisverwaltung den Status der Hartenberg-Siedlung klarer durchsetzen: Feriensiedlung, in der sich jeder selbst mit Wasser versorgt, oder normaler Stadtteil, für den dann Geld bereitzustellen ist, damit die Kommune die Versorgung nach den Vorstellungen der Bungalowbewohner sichern kann.
Die Kreisverwaltung in Halberstadt sieht derzeit "keine Veranlassung, zu handeln", teilte die Pressestelle auf Volksstimme-Nachfrage mit. Die Bungalowbewohner würden geduldet, und es sei geklärt, dass die Hartenbergsiedlung kein Wohngebiet mit dauerhaftem Wohnsitz ist.
Die Versorgungspflicht mit Trinkwasser hat der Hartenbergverein um die Vorsitzende Gisela Grecksch (Sülzetal) per Gerichtsbeschluss 2008 erwirkt. "Den jetzigen Sonderliefervertrag mit dem Verband Holtemme-Bode können wir so nicht akzeptieren", sagt die 65-Jährige. Sie befürchtet, der Streit um das Trinkwasser geht in die nächste Runde, da auch dieser Verband die Befreiung aus dem Vertrag beantragt hat. "Ja, aus Kostengründen", begründet Nikolai Witte.
Denn die Trinkwasserleitung zum Hartenberg müsste für etwa 250000 Euro saniert werden. Alternativ sei den Bungalowbewohnern mehrfach die Übernahme der Leitung plus Wasserlieferung zum Normalpreis oder die Beteiligung am Bohren eines Brunnens und auch das Errichten von Trinkwasserbehältern angeboten worden. "Alles wurde bislang abgelehnt", so der Geschäftsführer. Er erwägt nun die Einforderung besagter 7386 Euro auf dem Rechtsweg. Gleichzeitig wird der Antrag des Verbandes, wegen der besonderen Bedingungen ganz aus der Versorgung der Hartenberger entlassen zu werden, von der Kreisverwaltung geprüft.
Hartenberg-Bewohnern wie Frank Schellenberger bleibt da nur: Hoffen auf Besserung - und Wasser sparen, wo es nur geht. Wie seine Nachbarn hat er sein Grundstück mit grünen Tonnen ausgerüstet, dazu sogar eine 1000-Liter-Zisterne, um jeden Tropfen Regenwasser zu nutzen. Etwa fürs Händewaschen. Ein schöner Zustand sei das nicht, so Schellenberger. Seine Urenkel könne er wegen der Wassersituation nicht auf der Datsche begrüßen, so gern er das tun würde.
"Dabei könnte alles so schön sein", sagt der Halberstädter: "Wald und Wiese vor der Tür, abends kommt das Wild." Er würde gern für immer zum Hartenberg ziehen, sagt Frank Schellenberger: "Aber das kriege ich nicht genehmigt."