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Kindertagespflege in den Städten und im Süden Sachsen-Anhalts auf dem Vormarsch Individuelle Betreuung in der Mini-Kita - Tagesmütter werden immer wichtiger

Von Andreas Stein 12.06.2012, 05:22

Kinder in ländlichen Gebieten sollen nach dem Willen der Landesregierung künftig zunehmend von Tagesmüttern und -vätern betreut werden. In der Praxis werden sie jedoch vor allem in den Städten zur Überbrückung von Engpässen genutzt.

Gardelegen/Magdeburg l Hinter dem alten Pfarrhaus im Gardelegener Ortsteil Roxförde sieht die Landschaft aus wie gemalt. Unter schattenspendenden Bäumen toben die Vorschüler Kora, Herlind und Tim auf dem Trampolin, jagen aufs Klettergerüst und die Rutsche hinunter. Der dreijährige Tim schaut dem Treiben lieber nur zu und blättert mit Tagesmutter Mandy Drüsedau in einem Bilderbuch. Die 33-Jährige ist eine von nur vier Tagesmüttern im gesamten Altmarkkreis Salzwedel.

Dabei ist der Bedarf an flexibler Kinderbetreuung in der Altmark offenbar groß. "Ich bin ausgebucht, kann mich vor Elternanfragen kaum retten", berichtet die gelernte Floristin. In ihrem alten Beruf war Wochenendarbeit normal, sie wusste nicht, wohin mit ihrem Sohn. So kam sie auf die Idee, selbst Tagesmutter zu werden. "Viele Eltern pendeln zur Arbeit oder arbeiten in Schichten. Normale Kita-Zeiten reichen da nicht", sagt sie und öffnet täglich von 6.30 bis 18.30 Uhr, bei Bedarf auch am Wochenende.

Lange musste Mandy Drüsedau um die öffentliche Förderung durch die Gemeinde Gardelegen kämpfen und betont, keine Konkurrenz zu den "normalen" Kitas zu sein. Iris Kosch, Vorsitzende des Vereins Tagesmütter Altmark, weiß, warum es auf dem Land so wenige Tagesmütter gibt: Viele Kommunen sähen schlicht keinen Bedarf. "Die wenigsten Eltern können mehrere hundert Euro für eine rein private Kinderbetreuung bezahlen. Die Tagesmütter können ohne öffentliche Förderung einfach nicht von ihrer Tätigkeit leben", so Kosch. Dabei mache gerade auf dem Dorf eine Kita für wenige Kinder keinen Sinn mehr. Das sieht auch Gardelegens Hauptamtsleiter Klaus Richter so. Doch bislang sei der Bedarf an Tagesmüttern schlicht noch nicht da.

Anders in Magdeburg: Hier hat sich die Zahl der Tagesmütter und -väter in den vergangenen fünf Jahren auf aktuell 63 verdoppelt. "Wir sind in Magdeburg auf die Kindertagespflege angewiesen, um den Rechtsanspruch der Eltern auf Betreuung zu gewährleisten", sagt Jugendamtsleiter Detlev Klaus. Der aktuelle Krippenplatzmangel sorgt für einen wahren Ansturm, die schnell einsatzbereiten Tagesmütter mussten quasi als Notnagel herhalten. Die kurze Ausbildungszeit von nur vier Wochen hält Klaus für unproblematisch. "Entscheidend ist die Zufriedenheit der Eltern." Das sieht Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) anders. Er will nach der Neuregelung der Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt auch die Ausbildung der Tagesmütter verbessern, denn bislang hat nur ein Drittel eine Erzieher-Ausbildung.

Im Entwurf des neuen Kinderförderungsgesetzes, das im Juli erstmals im Landtag behandelt wird, soll in einem ersten Schritt die Tagespflege der Kita-Betreuung in Förderung und rechtlicher Stellung weitgehend gleichgestellt werden und bis ins Hortalter möglich sein. Mit Blick auf die rapide sinkenden Geburtenzahlen der kommenden Jahre will Bischoff vorsorgen und sieht hier eine sinnvolle Ergänzung beider Angebote. "Ähnlich wie im Schulbereich müssen wir uns in ländlichen Regionen die Frage stellen: Wie klein darf eine Kita sein, um sie für die Kinder optimal und zugleich wirtschaftlich führen zu können?", sagte Bischoff im Volksstimme-Gespräch.

Die Praktiker warten mit Spannung auf das neue Kifög. "Zu schwammig, zu realitätsfern" findet Mandy Drüsedau das aktuelle Gesetz. Iris Kosch kritisiert, dass Tagesmütter laut Entwurf künftig in die Bedarfsplanung der Kommune aufgenommen werden sollen. Geschieht das nicht, sind sie bei der öffentlichen Förderung automatisch außen vor. Auch wenn Tagesmütter in Kooperation mit einer Kita nur nach 17 Uhr und zu Randzeiten arbeiten, lohne sich das nicht", ist Kosch überzeugt. Am Ende gehe es um das Halten junger Menschen in der Region."Wir wollen doch, dass sie hierbleiben und nicht weggehen."