Landeswirtschafts- und Innenministerium votieren für Prüfverfahren der Salzlandkliniken Kalte Füße: Entscheidung nun in Brüssel?
Schönebeck l Ein schnelles Ende ist nicht in Sicht. Nach Magdeburg werden sich jetzt Experten des Bundes um den Verkauf der Salzlandkliniken im Salzlandkreis kümmern müssen, vermutlich auch EU-Kommissare in Brüssel. Der Grund: Das Wirtschafts- sowie das Innenministerium in Magdeburg sind sich nun nicht mehr ganz so sicher, ob ein Verkauf der defizitären Kliniken in Trägerschaft des Salzlandkreises an den Standorten Bernburg, Schönebeck, Aschersleben-Staßfurt an die Schweizer Ameos-Gruppe der Beihilfe (verdeckte Subvention) unterliegt.
Beide Ministerien plädieren nun für die Einleitung eines Prüfverfahrens (Notifizierung) durch die EU. Mit dieser Entscheidung hatte im Salzlandkreis fast keiner mehr gerechnet. Denn vor zwei Wochen hieß es noch aus Magdeburg, ein langwieriges Prüfverfahren über Berlin und Brüssel sei nicht notwendig.
Beim Verkauf der kommunalen Kliniken handelt es sich um einen rechtlich komplizierten Vorgang, der bisher einmalig in Sachsen-Anhalt ist und somit einen Präzedenzfall darstellt. Bei einem Bieterverfahren kristallisierten sich die Schweizer Ameos-Gruppe und der Berliner Klinikkonzern Helios heraus. Letzterer macht mit 72 Millionen Euro zwar das höchste Kaufangebot und sicherte den Erhalt der Standorte Bernburg, Schönebeck und Aschersleben zu. Ameos bietet dagegen nur 48 Millionen Euro, aber den Weiterbetrieb aller vier Kliniken einschließlich des seit 2010 geschlossenen Krankenhausstandorortes in Staßfurt. Die Schweizer machten damit insgesamt das weitreichendere Angebot mit weiteren Zusagen wie Investitionen und Erhalt der rund 1600 Arbeitsplätze. Während es für den Verkauf an die Schweizer kartellrechtlich keine Bedenken gibt, könnten diese bei der Berliner Heliosgruppe auftreten, weil die Klinikkette im Süden Sachsen-Anhalts bereits mehrere Krankenhäuser betreibt.
Die Mehrheit des Kreistages sah das ebenso und favorisierte den Konkurrenten Ameos. Nach einem Wischiwaschi-Schreiben des Landesverwaltungsamtes, das den Kreistagsbeschluss zwar nicht beanstandet, aber eine Einleitung einer Notifizierung dringend empfahl, landete der Vorgang noch vor Weihnachten im Magdeburger Wirtschaftsministerium. Dort war wiederum die schwierige Frage zu klären, ob eine nach EU-Recht verbotene Beihilfe mit dem Verkauf an Ameos vorliegt. Dort bekam man offenbar kalte Füße: Niemand will dem Salzlandkreis gegenüber eine Rechtssicherheit für den geplanten Verkauf erklären. Somit muss der Vorgang, der inzwischen über 500 Seiten umfasst, nun nach Berlin zum Bundeswirtschaftsministerium. Sollte der Verkauf EU-Recht widersprechen, könnten sowohl Mitbewerber als auch die EU selbst innerhalb der nächsten zehn Jahre gegen den Verkauf Einspruch einlegen oder klagen.
So ist die Kommunalpolitik im Salzlandkreis in eine Art Starre verfallen. Die Parteien hoffen auf eine schnelle Bearbeitung in Berlin: Vielleicht stellen die Experten an der Spree fest, was sich die Beamten an der Elbe nicht trauen festzustellen - nämlich, dass eine Prüfung in Brüssel nicht notwendig ist.
Der Schaden, der durch die Verzögerung der Vertragsverhandlungen bereits entstanden ist, lässt sich finanziell noch nicht beziffern. Inzwischen werden Rücktrittsforderungen gegen Landrat Gerstner (SPD) lauter. Die Linke fordert - noch leise - erste Konsequenzen.