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Am Sonntag Wahl im flächenmäßig größten Landkreis Sachsen-Anhalts / Sechs Kandidaten treten an, darunter ein Pirat, ein Kraftfahrer und ein DJ Kampf ums Landratsamt in Stendal -- Etablierte gegen Neulinge

Von Lion Grote 16.11.2012, 02:08

Stendal l Es werden wohl vor allem Bücher sein, die Jörg Hellmuth im kommenden März in Umzugskartons packt. Nach 14 Jahren im Amt verlässt der Stendaler Landrat, der sich selbst eine"Leseratte" nennt, dann sein Büro. Aber nicht, um sich mit 55 Jahren in politische Rente zu begeben. Der CDU-Mann kämpft um ein Bundestagsmandat ab Herbst 2013.

Am Sonntag können die rund 102500 Wahlberechtigten im flächenmäßig größten Landkreis Sachsen-Anhalts einen Nachfolger für Jörg Hellmuth wählen. Dabei haben sie diesmal eine große Auswahl. Insgesamt sechs Kandidaten haben sich um das höchste Amt im Landkreis beworben: Der stellvertretende Landrat Carsten Wulfänger (CDU), die beiden Stendaler Stadträte Mario Blasche (Die Linke) und Lars Schirmer (SPD), René Schernikau (Piratenpartei) sowie die parteilosen Bernd Lepinsky und Konrad Schulz.

Gerade die beiden letztgenannten sorgten mit ihrer Bewerbung für Erstaunen, waren sie doch politisch bis dahin nicht in Erscheinung getreten. Bernd Lepinsky verdiente sein Geld bislang als Fahrer für das Theater der Altmark. Doch im Kontakt mit den Menschen habe er gemerkt, dass "viele Menschen von der gegenwärtigen Politik und ihren Akteuren frustriert" seien. Das habe ihn motiviert, selbst aktiv zu werden. Auch Konrad Schulz hofft auf Stimmen derer, die mit den Parteien nichts mehr anfangen können. Der als "DJ Kotte" bekannte Unterhalter hält das Parteiensystem gar für hinderlich. "Es braucht keine Parteien, um etwas zu bewegen", meint Schulz.

Mit René Schernikau könnte erstmals auch ein Pirat Landrat werden. Und das ausgerechnet in einer Region, in der viele Bewohner gar nicht oder nur unzureichend an das Internet angeschlossen sind. Doch auch in wirtschaftlichen Themen kennt sich Schernikau aus. Im Hauptberuf arbeitet der 39-Jährige bei der Investitionsbank Sachsen-Anhalt und betreut dort das europäische Förderprogramm Stark III.

In der Bank begegnet Schernikau sicher auch häufiger seinem Rivalen Lars Schirmer. Der SPD-Kandidat arbeitet dort als Gruppenleiter. Bei der Landratswahl ist Schirmer inzwischen ein bekanntes Gesicht. Der 35-Jährige trat bereits bei der vergangenen Wahl 2005 an, landete aber mit 19,1 Prozent der Stimmen deutlich hinter Jörg Hellmuth (60,9 Prozent). Diesmal will Schirmer vor allem mit den Themen Ökonomie und Wirtschaftsförderung punkten. Dabei geht es ihm auch darum, der Abwanderung entgegenzuwirken. "Wir müssen den Leuten hier etwas bieten, wenn wir nicht wollen, dass die jungen Menschen unserer Heimat den Rücken kehren."

Wie Lars Schirmer ist auch Mario Blasche seit Jahren im Stendaler Stadtrat aktiv. Doch will sich der Marathonläufer nicht als Kandidat der Kreisstadt verstanden wissen. Vielmehr möchte Blasche die Kreisverwaltung auch in entlegeneren Orten des Landkreises präsenter machen. Blasche betont in seinem Wahlprogramm vor allem den sozialen Aspekt der Politik. Als Landrat wolle er dafür sorgen, "dass ausreichend Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden und die Schulstandorte erhalten bleiben". Das aber möchte auch Carsten Wulfänger. Der Dezernent des Landkreises möchte Nachfolger seines Vorgesetzten werden und somit nur einige Büros weiterziehen. Schon jetzt hat Wulfänger unter anderem die Aufsicht über Sozial- und Jugendamt, die Wirtschaftsförderung und die Finanzen. Mit seiner Erfahrung wollte der 49-Jährige auch im Wahlkampf punkten. "Ich habe schon ganz real angefangen, die Wirtschaft zu fördern. Für die Umsetzung des Breitbandausbaus setze ich mich bereits seit längerer Zeit erfolgreich ein", verkündete Wulfänger.

Besonders kontrovers oder brisant war der kurze Wahlkampf im Landkreis derweil nicht. Die Probleme wie demografischer Wandel, Abwanderung oder Schulsterben wurden von allen Kandidaten erkannt. Auch bei der Bedeutung erneuerbarer Energien - deren Ausbau in der Altmark weiter fortgeschritten ist als in vielen anderen Regionen - des Umweltschutzes und der Kultureinrichtungen herrscht vielfach Einigkeit. Vielmehr gewannen Feinheiten in der Umsetzung der Ziele und Ideen an Bedeutung. Und natürlich die Verschiedenheit der Kandidaten. So klar wie vor sieben Jahren wird die Wahl daher wahrscheinlich nicht. Bekommt keiner der Kandidaten 50 Prozent der Stimmen, gibt es am 9. Dezember eine Stichwahl. Dann wird auch Jörg Hellmuth wissen, wer ihm als Landrat nachfolgen wird. Vielleicht lässt er dem Neuen dann auch das eine oder andere Buch im Büro - als Ratgeber.