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Therapie Neuroblastom: Krebskrankes Mädchen aus Weißenfels kämpft weiter

Wie es der kleinen Lotti nach der Behandlung in Barcelona ergangen ist und welches große Ziel die Familie hat.

Von Meike Ruppe-Schmidt Aktualisiert: 04.01.2022, 11:53
Lotti schmust gern mit ihrem Kater Harry.
Lotti schmust gern mit ihrem Kater Harry. Foto: Meike Ruppe-Schmidt

Weissenfels/MZ - „Komm Harry“, ruft die kleine Charlotte ihrem Kater zu. Sie schlingt ihre zarten Arme um das Tier, strahlt herzlich und drückt ihn liebevoll an sich, bevor sie fröhlich in ihr Spielzimmer läuft. Dort steht ihr neues Puppenhaus, welches sie vom Weihnachtsmann bekommen hat. Das dreijährige Mädchen hat es sehr genossen, das Weihnachtsfest und Silvester diesmal zu Hause in Weißenfels verbringen zu können. Im letzten Jahr war das nicht möglich gewesen.

Neuland für Mediziner

Damals musste Charlotte in einer Spezialklinik in Barcelona behandelt werden. Denn sie war bereits im Alter von einem Jahr an Krebs erkrankt. In ihrer Nebenniere hatte sich ein Neuroblastom, eine seltene Krebsart, gebildet und auch Metastasen im Gehirn verursacht. Ihre einzige Chance auf Heilung war eine neuartige Antikörpertherapie in Barcelona. Weil diese von den Krankenkassen in Deutschland nicht finanziert wird, hatten die Eltern zu der Spendenaktion „Löwin Lotti“ aufgerufen. Durch die überwältigende und überregionale Anteilnahme wurde der kleinen Lotti die Therapie im Dezember 2020 ermöglicht.

Fast sechs Monate verbrachte die kleine Familie in Barcelona, bis die Therapie im Mai abgeschlossen war. Wie es dem Mädchen seitdem ergangen ist? „Charlotte ist nach wie vor krebsfrei“, erzählt Mutter Nathalie Hortig. „Sie hat sich schön entwickelt, spricht inzwischen in Sätzen und besucht sogar eine Kindertagesstätte in Weißenfels.“ Und: „Sie hat inzwischen auch ihr eigenes kleines Köpfchen entwickelt - wie alle Kinder in ihrem Alter.“

Folgen der Bestrahlung

Doch die Krankheit hat ihre Spuren an dem Kind hinterlassen. „Die Bestrahlung der Wirbel hat beispielsweise das Wachstum beeinflusst“, so Nathalie Hortig. Weitere Folgen sind derzeit noch nicht absehbar. Und: Ganz abgeschlossen ist Lottis Leidensweg noch immer nicht. Im Gegenteil: In den letzten sechs Monaten musste Charlotte noch einmal einen echten Marathon überstehen. Der Grund: Im Anschluss an die Antikörpertherapie war eine Immunbehandlung notwendig, welche Charlottes Immunsystem schulen sollte, künftige Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Die Medikamentengabe fand in insgesamt fünf Zyklen an der Universitätsklinik in Mainz statt. „Es war die schlimmste Zeit unseres Lebens“, erinnert sich Vater Peer Hassel. „Denn durch die Behandlung soll das Immunsystem von Null auf 180 hochgefahren werden - und das kann zu lebensgefährlichen Überreaktionen des Immunsystems führen.“

Insgesamt fünf Ärzte und acht Schwestern waren bei den jeweiligen Behandlungen anwesend, bei der das immunstimulierende Mittel Naxitamab in Charlottes Körper injiziert wurde. „Auch für die Mediziner war die Behandlung Neuland. Charlotte ist erst das zweite Kind in Deutschland, welches auf diese Weise behandelt wird.“ Glücklicherweise kam es bei Lotti zu keinen schwerwiegenden Komplikationen. Allerdings litt sie anschließend mehrere Tage an hohem Fieber. Entsprechend erlösend war der Moment, als die Behandlung in Mainz im September abgeschlossen war.

Seitdem wird Charlottes Blutbild wöchentlich am Universitätsklinikum in Halle kontrolliert. Und: Seit Heiligabend bekommt Charlotte eine abschließende Chemotherapie, die täglich in Pillenform verabreicht und bis Ostern abgeschlossen sein wird. „Erst im Anschluss daran werden wir wissen, wie gut Charlottes Körper funktioniert“, sagt Mutter Nathalie. Und sie gesteht, wie sehr sich Hoffen und Bangen abwechseln. „In manchen Momenten holt uns der Alltag ein und wir fühlen und fast wie eine normale Familie“, sagt sie. „Aber jeder Husten, jede Appetitlosigkeit und jeder kleine Sturz lassen sofort wieder unsere Alarmglocken schrillen.“ Denn selbst an sich harmlose Schrammen mit kleinen Blutungen wirken sich auf Lottis Blutbild aus. „Dann gehen die Thrombozyten nach unten.“

Hoffnung auf Impfung

Belastend auch die Tage vor den Kontrolluntersuchungen. „Die Anspannung bei Peer und mir ist förmlich greifbar. Es wird dann sehr still bei uns zu Hause, weil jeder seine Ängste für sich verarbeitet.“ Denn die Sorge um das Kind hat auch auf der Seele der Eltern Spuren hinterlassen. „Wir sind dabei, die Zeit der Krankheit psychologisch aufzuarbeiten“, so Vater Peer.

Einziger Wunsch der Eltern bleibt im Moment, das ihre Tochter wieder gesund wird. Darum ist das große Ziel der Familie, dass Lotti nach Abschluss und Erfolg der Behandlung eine Impfung gegen Blastome erhält. Diese werde zwar derzeit nur in Amerika verabreicht und ist mit erneut hohen Kosten verbunden. „Wir sind aber in Kontakt mit zwei ebenfalls betroffenen Familien. Deren Kinder haben die Impfung vor etwa drei Jahren erhalten und sind bis heute kerngesund.“ Eine Chance, die auch die kleine Lotti erhalten soll.