1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Lachs und Co.: Die Rückkehr der Wanderfische

Wiederansiedlung Lachs und Co.: Die Rückkehr der Wanderfische

Zwei Pilotprojekte gibt es in Sachsen-Anhalt schon zur Wiederansiedlung von Wanderfischen. Ein drittes soll folgen.

Von Daniela Apel 20.12.2016, 00:01

Oschersleben/Zerbst l Das Wasser spritzt Robert Frenzel ins Gesicht. Mit aller Mühe versucht er, einen stattlichen Lachs im Kescher zu bändigen. Das von Ingo Borkmann erzeugte Stromfeld hat den imposanten Fisch an die Oberfläche gelockt. Mit einem kräftigen Sprung wollte das Männchen flüchten. Nur Sekundenbruchteile bleiben, um es einzufangen. „Das ist richtig anstrengend“, gesteht Ingo Borkmann vom Institut für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow (IfB). Gemeinsam mit seinem Kollegen lässt er sich in einem schmalen Boot sanft flussabwärts treiben. Nach dem Zufallsprinzip durchpflügen die beiden die Nuthe bei Zerbst. Im Rahmen der seit 2009 laufenden Wiederansiedlung von Wanderfischen sind sie auf der Suche nach Lachsen und Meerforellen, die hier als winzige Fischlein ausgesetzt wurden und nun zum Laichen in ihre Kinderstube zurückkehren.

Lange Zeit war es den Fischen gar nicht möglich, die Elbe hinauf zu schwimmen. Ein Wehr bei Hamburg versperrte den Weg. Erst seit dort vor sechs Jahren eine große Fischtreppe gebaut wurde, können Lachse und Meerforellen wieder flussaufwärts schwimmen.

Dieses Szenario könnte künftig genauso auch an der Bode, die durch Harz, Börde und Salzlandkreis fließt, ablaufen. Schon seit Jahren machen sich Angler und Naturschützer für die Wiederansiedlung von Lachs und Meerforelle stark. An ihrer Seite wissen sie das IfB. „Wir haben im Jahr 2007 im Auftrag des Umweltministeriums Sachsen-Anhalt mit einer entsprechenden Studie und zwei Jahre später mit den ersten Besatzmaßnahmen in der Nuthe begonnen“, verweist Steffen Zahn auf seine Erfahrungen. Der Diplomfischerei-Ingenieur ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IfB. Er erzählt, wie erfolgreich die Wiederansiedlungsprogramme im Lande bisher waren. Schon zwei Jahre nach ersten Besatzmaßnahmen in der Nuthe, nämlich im Jahr 2011, wurde laut Zahn bei einer ersten Kontrolle ein Lachs, der aus dem Meer zurückgekommen war, eingefangen.

Auch in der Jeetze in der Altmark seien nach einer mehrjährigen Planungsphase im Jahr 2012 erstmals Lachse ausgesetzt und bereits drei Jahre später die ersten Rückkehrer nachgewiesen worden. „Die haben sogar Wehranlagen überwunden. Wie, wissen wir nicht“, erzählt der Lachsexperte.

Seitdem werde regelmäßig an Nuthe und Jeetze gekeschert. So landeten bisher 53 Lachse und mehr als 90 Meerforellen in den Netzen. Die größten Lachse waren bis zu 94 Zentimeter lang und wogen weit über sechs Kilogramm. „Hier und in der Jeetze haben die Wiederansiedlungsprogramme geklappt. Wir konnten sogar einen geschlossenen Lebenszyklus nachweisen“, berichtet Steffen Zahn weiter. Seit diesem Jahr würden auch Laichgruben kartiert.

„Die Projekte sind erfolgreich“, ist auch sein Kollege Ingo Borkmann überzeugt. Denn bei den Zählaktionen mit dem Kescher seien natürlich längst nicht alle Rückkehrer erfasst worden. So stehen die mit den Netzen gefangenen Fische nur für einen kleinen Teil des Gesamtvorkommens an Wanderfischen in den Gewässern. Zudem sei in der Nuthe zwar ein Kamerasystem als zweite Zählmethode installiert worden, doch die Daten noch nicht ausgewertet.

Die Bode hält sein Kollege Steffen Zahn indes für ein Wiederansiedlungsprogramm von Lachs und Meerforelle für bestens geeignet. „Wir könnten hier 300 000 Jungfische aussetzen, so viel Potenzial hat kein anderer Fluss in Sachsen-Anhalt“, betont der Fachmann. Der Fluss, der im Harz entspring, verfügt über ein riesiges Vorkommen an Kiesbänken, die den Wanderfischen als Laichgruben dienen können. „Die Habitatfläche von rund 320 000 Quadratmetern, die die Bode hergibt, ist ebenfalls konkurrenzlos in Sachsen-Anhalt“, schwärmt Zahn.

Doch noch seien einige Probleme zu klären. Hemmnisse für eine Wiederansiedlung sieht der Lachsbeauftragte in den Querbauten. Vor allem Wehre, die heute keinen Nutzen mehr haben, sollten rückgebaut und Wasserkraftanlagen mit Fischaufstiegshilfen ausgestattet werden. Denn die vorhandenen Querbauten könnten Larven und Jungfischen schaden. Nicht nur, dass Wehre oft nur schwer oder gar nicht zu bewältigen seien. Vor allem Strömungen und der Eintrag von Fremdstoffen würde den Jungfischen das Leben schwer machen.

Auch Salzeinträge im Raum Staßfurt könnten schaden. „Wie Lachs und Meerforelle reagieren, wissen wir allerdings noch nicht genau“, sagt Zahn. Der IfB-Mitarbeiter sieht vor allem Einträge aus der Landwirtschaft als Flächenproblem an. „Fische können einen relativ hohen Nitratgehalt vertragen. Anders sieht das bei Ammoniak und Nitrit aus“, sagt der Fischereiingenieur. Diese stammen aus jener Gülle, die als Dünger auf die Felder ausgebracht wird.

Dennoch sieht auch Sachsen-Anhalts Umweltministerium große Chancen für Wanderfische in der Bode. „Gemäß den Studien des IfB könnte dem Bode-System eine große Bedeutung für die Wiederansiedlung zukommen“, bestätigt Christiane Röper auf Volksstimme-Nachfrage. Nur müssten „perspektivisch die Defizite hinsichtlich der noch existierenden Schadstoffbelastungen reduziert werden.“ Außerdem sei vorgesehen, mit betroffenen Wasserkrafwerken an Bode und Saaleüber den Bau von Fischtreppen zu verhandeln.

In den Entwicklungskonzepten des IfB liegen aber schon Planungen vor, Verschmutzung und Hindernisse einzudämmen. Vor diesem Hintergrund hatte das Umweltministerium bereits im September Angler, Verbandsvertreter und Behörden zu einer gemeinsamen Informations- und Diskussionsveranstaltung nach Langenstein (Harzkreis) eingeladen. Von Seiten des Ministeriums wurde deutlich gemacht, dass Chancen und Risiken des Bodelachs-Projektes und vor allem der richtige Zeitpunkt für die Durchführung eines Erstbesatzes sorgfältig geprüft werden müssen.

Heimo Reilein sieht in den Wiederansiedlungsprojekten eine große Chance für die Flüsse in Sachsen-Anhalt. „Uns geht es überhaupt nicht darum, irgendwann einmal wieder Lachse aus der Bode zu fischen“, unterstreicht der stellvertretende Vorsitzende des Anglervereins Oschersleben und Umgebung und ergänzt: „Wanderfische sind Indikatoren für ein gesundes Gewässer. Ist der Lachs in der Bode, geht es dem Fluss gut.“ Für das Umweltministerium ist die Wiederansiedlung sogar mit dem Ziel verbunden, die Wanderfischarten künftig wieder fischereilich zu nutzen. „Das könnte tatsächlich einmal zum Wirtschaftsfaktor werden“, wagt Heimo Reilein einen Blick in die Zukunft. Nicht nur, dass der Beruf Fischer wieder eine Chance bekäme. „Stellen Sie sich einmal vor, wir könnten Touristen bei uns begrüßen, die hier Forelle und Lachs angeln wollen“, sagt Reilein. Doch bis zu einer Fangfreigabe würden noch gut 20 Jahre ins Land gehen.

Für die Wiederansiedlungsprojekte gibt Sachsen-Anhalt jährlich rund 60 000 Euro aus. „Etwa 80 Prozent der eingesetzten Mittel kommen aus der von allen Anglern erhobenen Fischereiabgabe“, erklärt Ministeriumssprecherin Christiane Röper. Aussagen zu den Kosten einer möglichen Wiederansiedlung in der Bode macht sie nicht. Und hinsichtlich eines Zeitpunkts für erste Besatzmaßnahmen dämpft die Sprecherin „die teilweise übertriebenen Erwartungen in der Anglerschaft“.

Geht es nach Steffen Zahn vom IfB, könnten die Planungen für die Bode bereits Ende 2017 abgeschlossen sein und Ende 2018 mit Besatzmaßnahmen begonnen werden. „Im Jahr 2020 könnten dann die ersten Lachse aus dem Meer zurück in die Bode schwimmen“, schätzt der Experte ein.