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Nachbarland Sachsen meldet Fahndungserfolge / Rechtliche Bedenken in Sachsen-Anhalt Land sperrt sich gegen Kfz-Scanner

Polizisten, die am Straßenrand Autokennzeichen wahllos abscannen, gibt
es in Sachsen-Anhalt noch nicht. Aus Sachsen werden erste
Fahndungserfolge vermeldet.

Von Oliver Schlicht 09.09.2013, 03:36

Magdeburg l Seit Sommer 2012 scannt die sächsische Polizei Autokennzeichen. Dies geschieht vor allem, um Autodiebe und Versicherungsbetrüger aus dem Verkehr zu ziehen. Bei ersten Versuchen mit zwei mobilen Testgeräten im Juli 2012 konnten unter 18.300 Kennzeichen zwar noch keine gestohlenen Fahrzeuge ermittelt werden. Doch inzwischen haben die Sachsen aufgerüstet und melden erste Erfolge. Sechs Geräte im Gesamtwert von 150.000 Euro wurden angeschafft. Zwischen Februar und August dieses Jahres konnten damit 27 gestohlene Autos aus dem Verkehr gezogen werden.

Ein Modell für Sachsen-Anhalt? Im Moment nicht. "Die Polizei in Sachsen-Anhalt verfügt über keine automatischen Kennzeichenlesesysteme. Eine Beschaffung beziehungsweise ein Einsatz ist auch nicht vorgesehen", sagt Michael Kraska, Sprecher im Innenministerium. Es gebe keinen Bedarf für solche Geräte, sagt er. "Zumal die rechtlichen Voraussetzungen hierzu in Sachsen-Anhalt nicht bestehen." Gemeint ist das Landespolizeigesetz.

"SPD bekommt Pickel"

Die Länder gehen beim Thema Kennzeichen-Scannen unterschiedliche Wege. Hessen tut es und Niedersachsen auch. Bremen und Rheinland-Pfalz haben es abgeschafft, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen haben es nie eingeführt, Sachsen führt es gerade ein - um nur einige Beispiele zu nennen. Umstritten ist das Scannen von Kennzeichen aus datenschutzrechtlichen Gründen, aber auch, weil viel Aufwand und hohe Kosten einer vergleichsweise niedrigen Erfolgsquote gegenüberstehen.

So unterschiedlich wie die Vorgehensweise der Länder sind auch die jeweiligen landespolizeilichen Gesetzgebungen. In Sachsen ist geregelt, dass nur mobile Geräte anlassbezogen an Autobahnen und Bundesstraßen eingesetzt werden dürfen. Alle Daten müssen dort nach Abgleich in der kriminalstatistischen Datenbank sofort wieder gelöscht werden, wenn sich kein Treffer ergeben hat.

In Bayern erfolgt dagegen ein Flächenscan. Dort werden monatlich fünf bis zehn Millionen Fahrzeuge erfasst, die an zwölf geheim gehaltenen Standorten von 22 fest installierten Kameras gescannt werden. Gegen diese Verfahrensweise klagt aktuell ein Pendler, der in bayerischen Medien große Aufmerksamkeit findet.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2008 die Regelungen zum Scannen in den Landespolizeigesetzen von Hessen und Schleswig-Holstein gekippt. Das Gericht hatte unter anderem kritisiert, dass die Kennzeichen nicht sofort nach Abgleich und ohne weitere Auswertung gelöscht werden. Einige Bundesländer - zum Beispiel Sachsen - stimmten ihre Polizeigesetze darauf ab.

In Sachsen-Anhalt wurde das Urteil vom Bundesverfassungsgericht als Bestätigung gesehen, sich hierzulande nicht auf das rechtliche Glatteis beim Fahrzeugscannen vorzuwagen. Zumal es in Sachsen-Anhalt eine Große Koalition gibt. Und die SPD "bekommt Pickel im Gesicht bei dem Gedanken an die vielen Grundrechtseingriffe", so SPD-Fraktionsvize Rüdiger Erben. Also: Scannen stehe hier nicht zur Diskussion.

Der gläserne Autofahrer

Gänzlich ausschließen möchte der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte, Albert Cohaus, so einen polizeilichen Eingriff aber nicht. "Wenn eine gesetzliche Regelung getroffen wird, die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes Rechnung trägt, ist das vorstellbar." Aber auch er hält das Scannen von Kfz-Kennzeichen nicht für unproblematisch.

Ähnlich sieht das der ADAC. Katharina Lucà, Rechtsexpertin des Automobilclubs: "Keinesfalls darf der Staat durch großflächige, verdachtslose und heimliche Kontrollen alle Bürger so behandeln, als würde er sie für potenzielle Rechtsbrecher halten." Das Scannen sei nur bei eindeutig geregelten Fällen legitim, etwa bei schweren Straftaten oder an Kriminalitätsschwerpunkten. Lucà: "Der gläserne Autofahrer mag aus Polizeisicht wünschenswert sein. Dem möglichen Missbrauch müssen aber Grenzen gesetzt werden."