1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Land verdient Geld mit Schulden

Finanzministerium Land verdient Geld mit Schulden

Sachsen-Anhalt muss für Schulden keine Zinsen mehr zahlen. Mehr noch: Es bekommt jetzt sogar noch Geld, wenn es sich Geld borgt.

Von Jens Schmidt 17.08.2019, 01:01

Magdeburg l Die Europäische Zentralbank machte im Sommer klar, dass sie bei ihrer Null-Zinspolitik bleibt. Und: 2020 könnte der Leitzins sogar ins Negative drehen. Sinn der Sache: Staaten und Firmen sollen nichts auf die hohe Kante legen, sondern massiv investieren.

Dieses Signal kam an den Finanzmärkten an. Sehr zur Freude von Sachsen-Anhalts Finanzministerium. Seit ein paar Tagen kann sich das Land Geld zum Nullzinstarif leihen. Mehr noch: Es bekommt noch Geld dazu, wenn es sich Geld borgt. Ein Beispiel: Nimmt das Land für zehn Jahre 100 Millionen Euro auf, bekommt die Landeskasse dafür zwei Millionen Euro überwiesen. Die Zehn-Jahres-Anleihe hat derzeit einen Zins von minus 0,2 Prozent pro Jahr. Solche Negativzinsen werden meist gleich am Anfang der Laufzeit voll bezahlt. Eine Art „Gebühr“ also. Bei einer Zehn-Jahres-Anleihe sind es mithin zwei Prozent.

Sachsen-Anhalt kommt das sehr gelegen. Das Land hat seit 1990 mehr als 21 Milliarden Euro Kredite aufgenommen. Die Schuld besteht aus vielen Einzel-Darlehen mit unterschiedlichen Laufzeiten. Seit 2008 rauschen die Zinsen zu Boden. Das Land schuldet daher laufend alte, teure Kredite in billigere um. Gut 2,2 Milliarden Euro wurden 2019 bereits umgewandelt - zu einem durchschnittlichen Satz von 0,33 Prozent. Für den Rest des Jahres stehen noch 600 Millionen Euro zur Umschuldung an. Dafür kann das Land nun bis zu 12 Millionen Euro „Negativzins“ kassieren. Ob das alles auf einen Schlag passiert – „das ist noch offen“, sagt Edgar Kresin, der oberste Kredit-Beamte im Finanzressort. Denn der Markt ändert sich sekündlich.

Macht das Land jetzt sogar neue Schulden – um damit Geld zu verdienen? Politisch ist das kaum mehr möglich. Ab 2020 gilt für alle Bundesländer die Schuldenbremse. So steht es im Grundgesetz. Aber ist das in Zeiten von Negativzinsen klug? „Eindeutig Ja“, sagt Finanzminister Michael Richter (CDU). Denn: Öffentliche Haushalte tun sich schwer, Kredite zu tilgen. „Steigen die Zinsen wieder, schlägt das mächtig ins Kontor.“ Da hat der CDU-Mann auch die SPD auf seiner Seite. Finanzer Andreas Schmidt sagt: „Schuldenmachen ist keine linke Politik.“ Denn letztlich würden mit den Zinsen Gelder aller Steuerzahler zu großen Kapitalgebern umverteilt.

Wie gewaltig diese Zahlungen sein können, zeigt der Blick zurück. 2008 hat das Land in einem Jahr noch 975 Millionen Euro Zinsen bezahlt. Mittlerweile sind es nur noch 360 Millionen Euro. Durch den Zinsfall hat die Landeskasse seitdem 3,5 Milliarden Euro gespart. Mit dem Geld kann das Land zehn Jahre lang die Kitas finanzieren oder 350 Kilometer Autobahn bauen.

Die Kehrseite der Nullzins-Ära:. Sparer schauen in die Röhre. Die Sparkasse Börde etwa bietet fürs klassische Sparbuch 0,01 Prozent Zinsen. Für 1000 Euro gibt es zehn Cent im Jahr. Die Inflation liegt bei knapp zwei Prozent. So werden Rücklagen aufgefressen. Bei Groß-Anlegern kalkulieren Banken sogar Negativzinsen. Mehr als 100 Geldinstitute in Deutschland verlangen ein „Verwahrentgelt“. Üblich sind 0,4 Prozent. Die Saalesparkasse Halle verlangt es ab 1 Million Euro, die Stadtsparkasse Magdeburg ab 500.000 Euro. Das wären 2000 Euro im Jahr. Für Firmen ist das von Belang. „Wir sprechen mit Kunden, um das Verwahrentgelt zu vermeiden - etwa durch andere Anlagen“, sagt Sprecher Mathias Geraldy. Doch manche lassen das Geld lieber auf dem sicheren Konto und zahlen die „Strafe“. Wie viele sind das? Was nimmt die Sparkasse dadurch ein? „Das ist Geschäftsgeheimnis“, sagt Gerlady.