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Regierungsbildung Nach heftigem Schlagabtausch im Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt herrscht zwischen CDU und SPD plötzlich gutes Klima

Die Wahlsiegerin CDU sucht Partner für die Regierungsbildung. Am Montag gab es ein Sondierungsgespräch mit der SPD. Plötzlich herrscht gutes Klima unter gerade noch heftigen Gegnern im Wahlkampf.

Von Michael Bock und Alexander Walter 21.06.2021, 19:00
SPD-Landeschefin Juliane Kleemann mit Wirtschaftsminister Armin Willingmann (Mitte) und dem Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann auf dem Weg zur Sondierungsrunde.
SPD-Landeschefin Juliane Kleemann mit Wirtschaftsminister Armin Willingmann (Mitte) und dem Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann auf dem Weg zur Sondierungsrunde. Foto: Alexander Walter

Magdeburg - Teilnehmer beschrieben das politische Klima nach der vierstündigen Sitzung in Räumen der Investitionsbank in Magdeburg übereinstimmend als konstruktiv. Die Atmosphäre sei gut gewesen, es seien die Standpunkte ausgetauscht worden. Ein weiteres Treffen wurde vereinbart. Über die Inhalte wurde Stillschweigen vereinbart. Das war das Erwartbare zum Auftakt solcher Gespräche.

Teure Forderungen

Angesprochen wurden strittige Punkte zwischen CDU und SPD. Darunter die SPD-Forderung nach Zahlung von Tarif-Löhnen bei öffentlichen Aufträgen. Die Sozialdemokraten verlangen einen Vergabemindestlohn von 13 Euro. Die CDU lehnt das klar ab.

Auch in der Sozialpolitik gehen die Vorstellungen auseinander: Die SPD will die Elternbeiträge für Kita komplett abschaffen. Schon in den ersten 100 Tagen einer neuen Landesregierung fordert die SPD für Krankenhäuser ein kreditfinanziertes Einstiegsprogramm von 200 Millionen Euro und deutlich mehr Geld für die Kommunen. Alles in allem summieren sich Mehrforderungen in der SPD für die nächsten fünf Jahre auf rund zwei Milliarden Euro.

Politiker der CDU sehen keinen Spielraum für Extra-Ausgaben. Ein Grund: Jüngste Steuerschätzungen vom Mai gingen davon aus, dass der Landeskasse in diesem Jahr 700 Millionen Euro Einnahmen wegbrechen werden. Für die nächsten beiden Jahre werden schon jetzt Milliarden-Löcher im Landesetat prognostiziert. Finanzminister Michael Richter (CDU) hatte daher bereits im Wahlkampf gewarnt, dass es keinen Spielraum für Wahlgeschenke gebe, und Ausgabendisziplin in der neuen Legislaturperiode unumgänglich sei.

Die Sozialdemokraten waren der erste mögliche Partner, mit dem die CDU verhandelte. Beide Parteien schickten jeweils sechs Politiker in die Runde. Die meisten kennen sich seit Jahren aus dem Effeff. So sitzen Ministerpräsident Reiner Haseloff und Finanzminister Michael Richter (beide CDU) sowie Sozialministerin Petra Grimm-Benne und Wirtschaftsminister Armin Willingmann (beide SPD) seit 2016 in der Regel einmal wöchentlich gemeinsam am Kabinettstisch. Gerade in der Corona-Krise rückten sie eng zusammen. Die Fraktionschefs Katja Pähle (SPD) und Siegfried Borgwardt (CDU) haben einen guten Draht zueinander.

Gleichwohl hatte die SPD im Wahlkampf auf ein rot-rot-grünes Bündnis gesetzt. Im Wahlkampf betrieben die Sozialdemokraten Oppositionspolitik in der Regierung. Vor allem Katja Pähle attackierte immer wieder den Koalionspartner CDU. Sie warf der Union eine „Politik des Stillstands“ vor, „konzeptionelle Schwäche“ und eine „Verhinderungshaltung“.

Bei der Landtagswahl holte die CDU sensationelle 37,1 Prozent der Stimmen, die SPD fuhr mit 8,4 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis ein. Damit sind die Rollen im Verhandlungspoker klar verteilt. Als Koalitionsvarianten kommen derzeit vor allem die sogenannte Deutschlandkoalition (CDU, SPD, FDP) oder eine Jamaika-Koalition (CDU, FDP, Grüne) in Frage. Zwar würden CDU und SPD auf eine eigene Mehrheit kommen, diese wäre allerdings nur hauchdünn. Der eine oder andere liebäugelt durchaus mit einer solchen Konstellation. Denn: Kompromisse mit zwei statt mit drei Partnern könnten so leichter gefunden werden, jeder bekäme zudem mehr Ministerien.

Unsichere Kantonisten

Allerdings: Nur ein Abweichler aus den eigenen Reihen würde reichen, dass die Mehrheit verfehlt wird. Dieses Risiko will Ministerpräsident Haseloff nicht eingehen. Darum hat er mehrfach deutlich gemacht, dass er eine „stabile Mehrheit“ anstrebt. Er traut nicht allen Abgeordneten in der auf 40 Parlamentarier angewachsenen CDU-Landtagsfraktion. Einige gelten schon jetzt als unsichere Kantonisten. Bei der geheimen Wahl zum Ministerpräsidenten bräuchte Haseloff zum Beispiel auch die Stimme von Holger Stahlknecht. Den hatte Haseloff vor einem halben Jahr als Innenminister geschasst. Und die auch auf sein Bestreben hin aus dem Amt gedrängten bisherigen Fraktionsvize Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer gelten als Wackelkandidaten.