1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Landespolitik
  6. >
  7. Neustart nach "Sexarbeit"-Lockdown: Sachsen-Anhalts Bordelle dürfen wieder öffnen

Rotlicht-milieu Neustart nach "Sexarbeit"-Lockdown: Sachsen-Anhalts Bordelle dürfen wieder öffnen

Sexarbeiterinnen dürfen in Sachsen-Anhalt wieder ihre Arbeit aufnehmen. Die Rückkehr erotischer Dienstleistungen aus der Illegalität.

Von Samantha Günther 31.05.2021, 16:05
Während zahlreiche Prostituierte noch immer auf den Neustart für die Bordelle warten, können Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein bereits wieder Freier empfangen.
Während zahlreiche Prostituierte noch immer auf den Neustart für die Bordelle warten, können Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein bereits wieder Freier empfangen. Archivfoto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd

Magdeburg - Die Bordellbranche war, wie viele andere auch, seit November im Lockdown - doch gerade in der Sexarbeit lebt ein hoher Anteil von der Hand in den Mund und hat wenig bis keine Rücklagen. Besonders im Bereich Straßen-Prostitution sind viele Beschäftigte zusätzlich nicht krankenversichert und bereits von Armut betroffen. Nun können zumindest Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein wieder Freier empfangen.

"Die Freude darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ebenso Bundesländer gibt, die unverrückbar bei einer Schließung bleiben."

Johanna Weber

"Das fühlt sich erst mal gut an, dass es Bundesländer gibt, die uns mit reinnehmen in die Öffnungspläne. Die Freude darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ebenso Bundesländer gibt, die unverrückbar bei einer Schließung bleiben", sagte Johanna Weber vom Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen der Deutschen Presse-Agentur am Montag.

Kaum registrierte Sexarbeiterinnen in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt seien Ende vergangenen Jahres gerade einmal 43 Sexarbeiterinnen offiziell registriert gewesen, wie aus einer Auswertung Ende 2019 des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Schätzungen zufolge sind jedoch bis zu 1000 Prostituierte in Sachsen-Anhalt tätig, vor allem in der Wohnungsprostitution.

Laut Statistischem Bundesamt waren bei den Behörden in Deutschland rund 40 400 Prostituierte nach dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) gültig angemeldet. 19 Prozent von ihnen hatten den Angaben zufolge eine deutsche Staatsangehörigkeit. Nicht angemeldete Gewerbe und Prostituierte werden in der Statistik nicht erfasst. Das Amt verweist auf eine mögliche Dunkelziffer.

Die Sexarbeiter demonstrierten im Juli 2020 gegen das Arbeitsverbot wegen Corona.
Die Sexarbeiter demonstrierten im Juli 2020 gegen das Arbeitsverbot wegen Corona.
Archivfoto: picture alliance/dpa | Marius Becker

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hatten 2.170 Prostitutionsgewerbe in Deutschland eine erteilte oder vorläufige Erlaubnis nach dem seit 1. Juli 2017 geltenden Gesetz. Für Prostituierte besteht seitdem eine Anmeldepflicht für entsprechende Gewerbe eine Erlaubnispflicht. Grundlage ist das Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Dazu benötigen sie einen Nachweis über eine gesundheitliche Beratung vom Gesundheitsamt.

Bei unter 21-Jährigen muss diese Untersuchung alle sechs Monate durchgeführt werden, bei über 21-Jährigen alle 12 Monate. Die Kosten für die Anmeldung belaufen sich zum Beispiel im Landkreis Stendal auf 10 bis 50 Euro. Eine zusätzliche anonymisierte Alias-Bescheinigung kostet 20 Euro. Die beiden Bescheinigungen müssen stets mitgeführt werden.

Hygiene- und Test-Konzept für Prostituierte

Bereits in der vergangenen Woche forderte der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen die sofortige Öffnung der Bordelle. "Ein längeres Verbot der Sexarbeit sei bei fallenden Inzidenzen epidemiologisch nicht mehr zu rechtfertigen", teilte der Verband in Berlin mit. Die Prostitutionsbranche müsse mit anderen körpernahen Dienstleistungen wie Massagen, Kosmetiksalons und Tattoostudios gleichgestellt werden und ebenfalls unter Hygieneauflagen öffnen dürfen, hieß es in der Pressemitteilung.

Ein Hygiene-Konzept sowie Test-Konzept liegen vor. Die beiden Konzepte des Berufsverbandes für erotische und sexuelle Dienstleistungen umfassen Regelungen für die Sexarbeit in Terminwohnungen/eigener Wohnung/Wohnwagen, Haus- und Hotelbesuche (Escort) sowie die Arbeit auf Straßenstrichen. Prostituierte sind wegen ihres engen Kontakts zu anderen Menschen besonders gefährdet.

Unterstützung bei der mobilen Beratungsstelle "Magdalena"

Unterstützung für Sexarbeiterinnen gibt es seit August 2016 etwa bei der mobilen Beratungsstelle "Magdalena". Sie ist die einzige Beratungsstelle dieser Art in Sachsen-Anhalt. "Wir sind regelmäßig etwa alle zwei Wochen in Stendal." Die Beratungsstelle in Magdeburg weist bei Hausbesuchen und Telefonberatung gezielt auf die Risiken durch Corona hin.

Nach Angaben der Beratungsstelle wende man sich mit einem Flyer mit Präventionsmaßnahmen und Hygiene-Tipps zu Corona an die Prostituierten. Laut Jahresbericht 2020 hat es von Oktober bis Dezember 2020: 38 Kontaktgespräche, 11 Beratungen und 155 versuchte Kontaktaufnahmen gegeben. "Türen wurden teilweise – vermutlich aus Angst vor Kontrollen – nicht geöffnet", so heißt es im Bericht.

Ziel der Arbeit von "Magdalena" ist es, Sexarbeiterinnen bei der Entwicklung und Veränderung ihrer Lebensperspektiven zu unterstützen, zu begleiten und Ihnen Handlungsspielräume zu eröffnen, die ihre Lebens - und Arbeitsbedingungen verbessern.

Bei ihrer Tätigkeit würden die Mitarbeiterinnen auch von Gewalt berichtet bekommen. Neben Magdalena gibt es für Opfer die Möglichkeit, sich an Frauenhäuser oder den Weißen Ring zu wenden. Weder die Stendaler Polizei noch der Landkreis Stendal kann über Gewalt an Sexarbeiterinnen wirklich Auskunft geben.

"Sie werden unsichtbar und so auch die Gewalt, die ihnen widerfährt."

Cathleen Paech

"Sexarbeiterinnen haben in unserer Gesellschaft mehrheitlich eine stark marginalisierte Stellung inne. Sie werden aufgrund ihrer Tätigkeit moralisch verurteilt, von vielen Menschen pauschal abgelehnt und sozial ausgegrenzt", sagt Cathleen Paech von der Beratungsstelle Magdalena. Dies führe dazu, dass sie nicht wahrgenommen würden. "Sie werden unsichtbar und so auch die Gewalt, die ihnen widerfährt."

Am 2. Juni wird am Internationalen Hurentag überwiegend mit Online-Veranstaltungen auf die Situation der Prostituierten aufmerksam gemacht. Auf die sonst üblichen Demonstrationen und Veranstaltungen wird in diesem Jahr coronabedingt meist verzichtet.