Attacken auf Weidetiere Sachsen-Anhalt plant Schnellabschuss von Problemwölfen
Die Zahl der Wölfe im Land hat einen neuen Höchststand erreicht, auch die Zahl der Risse steigt wieder. Der Landes-Umweltminister will auffällige Tiere nun unbürokratisch töten lassen.

Magdeburg - Angesichts einer wachsenden Zahl von Wölfen und auch wieder mehr Rissen in Sachsen-Anhalt will Landes-Umweltminister Armin Willingmann (SPD) Schnellabschüsse von „Problemwölfen“ ab dem Jahreswechsel ermöglichen:
Abschuss schon nach einmaligem Übergriff auf Weidetiere
Wölfe, die einen geeigneten Schutzzaun überwinden und eine Herde angreifen, sollen demnach binnen 21 Tagen nach dem Riss im Umkreis von 1.000 Metern geschossen werden dürfen.
Ein bislang verpflichtender DNA-Nachweis, dass ein Wolf auch beim Riss für den Schaden verantwortlich war, soll entfallen. Erlaubt werden soll der Abschuss in Arealen, die das Landesamt für Umweltschutz (LAU) zuvor als Gebiet mit erhöhtem Rissaufkommen festgelegt hat. Die Abschuss-Genehmigung soll das Landesverwaltungsamt erteilen.
Mindestens 258 Wölfe leben in Sachsen-Anhalt - 54 mehr als ein Jahr zuvor
Die Neuregelung kommt, nachdem das Land im vergangenen Jahr bei Zschornewitz (Kreis Wittenberg) erstmals zwei junge Wölfe zum Abschuss freigegeben hatte, die ihre Scheu vor dem Menschen verloren und immer wieder Stellen mit Tierfutter aufgesucht hatten. Laut am Montag vorgestelltem Wolfsmonitoringbericht des LAU ist die Zahl der Wölfe landesweit derweil zwischen Mai 2023 und April 2024 von 204 auf mindestens 258 Tiere gestiegen (+58). Weitere 34 Tiere leben grenzüberschreitend – ein neuer Höchststand.
Mindestens 228 Nutztiere getötet - Altmarkkreis Salzwedel am stärksten betroffen
Bei mindestens 63 Wolfs-Angriffen fielen im Zeitraum 228 Nutztiere Wölfen zum Opfer. Damit stieg auch die Zahl der Risse nach Jahren des Abwärtstrends wieder: Im Vorjahr hatte das LAU noch 59 Attacken mit 176 getöteten Tieren registriert. Landesweit am stärksten von Rissen betroffen ist der Altmarkkreis mit 18 Attacken, gefolgt vom Jerichower Land (15) und Anhalt-Bitterfeld (9).

Angesichts der wachsenden Population halte ich es für notwendig, noch mehr für ein konfliktarmes Leben mit dem Wolf zu tun.
Armin Willingmann (SPD), Landesumweltminister
„Der Wolf ist in Sachsen-Anhalt wieder heimisch geworden“, sagte Willingmann zu den Zahlen. Das sei aus Sicht des Artenschutzes ein Erfolg. „Angesichts der wachsenden Population halte ich es für notwendig, noch mehr für ein konfliktarmes Leben mit dem Wolf zu tun“, schränkte der Minister aber ein. Der Erlass trage dem Rechnung. Vorbild für die Pläne ist ein Modell, das Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) im Dezember 2023 vorgelegt hatte. Die Dauer von fast einem Jahr bis zur Umsetzung im Land begründete Willingmann mit Erfahrungen in Niedersachsen. Dort hatten Gerichte eine entsprechende Landesregelung gekippt.
Wolfsschutz möglicherweise vor entscheidender Lockerung auf EU-Ebene
Der Vorstoß Willingmanns kommt kurz vor einem möglichen, noch weiter reichenden Schritt auf EU-Ebene. Am Dienstag will die EU-Kommission den Mitgliedsstaaten der Berner Konvention – zu der neben EU-Ländern auch die Schweiz oder die Türkei gehören – vorschlagen, den Schutzstatus für den Wolf von „streng geschützt“ auf „geschützt“ zu senken. Bekommt der Vorschlag die nötigen Mehrheiten, könnte erstmals seit Wiederansiedlung des Wolfs im Land 2008/9 die Jagd im Sinne einer Regulierung an die Stelle von Ausnahmeregelungen treten.
Willingmann hält Regulierung derzeit noch nicht für erforderlich
Willingmann sagte dazu: „Ich glaube, dass eine Bestandsregulierung zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erforderlich ist.“ Aber es gelte Konflikte etwa mit der Nutztierhaltung zu vermeiden. Der SPD-Politiker betonte die Wichtigkeit des Herdenschutzes. So sei bei 83 Prozent der Angriffe auf Tiere von Hobbyhaltern kein ausreichender Schutz etwa durch Elektrozäune vorhanden gewesen.
Landwirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) geht der Vorstoß seines Kollegen indes nicht weit genug: Er begrüße die Pläne, so Schulze. „Ich halte es aber für fraglich, ob es auf Dauer ausreicht, sich auf Problemwölfe zu beschränken“. Angesichts der Populationsentwicklung und des Rissgeschehens brauche es eine Bestandregulierung und die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht. Dabei gehe es auch darum, ein politisches Signal Richtung Brüssel zu senden.
Zustimmung bei Schäfern - aber auch Warnung vor neuer Bürokratie
Von Schäfern im Land kommt prinzipiell Zustimmung zur Reform. „Wenn die Schnellabschüsse so kämen, würde das reichen“, sagte Dirk Straathausen, Chef des Altmärkischen Schafzuchtvereins. Allerdings habe er die Befürchtung, dass die Festlegung von Rissgebieten und die Erteilung von Abschussgenehmigungen wieder viel Bürokratie bedeute, ergänzte er. Der letzte Riss in der Gegend seit erst zwei Wochen her, so der Schäfer. Bei Kloster Neuendorf nahe Gardelegen seien Wölfe in ein Damwildgehege eingedrungen und hätten vier Tiere getötet. Er habe diesmal Glück gehabt. „Meine Schafe standen auf einer Weide 50 Meter daneben.“